Räpitzer Pfingstbier, Promenadenfest am Kulki, Mühlenfest in Lindennaundorf, KuGäSe in Kulkwitz, Kinderfest in Markranstädt … die Feierei zwischen Floßgraben und Zschampert ist endlich vorüber. Zeit für einen Kassensturz. Und spätestens jetzt fällt auf: Zwar sind es verschiedene Feste, unterschiedliche Anlässe sowie immer andere Stände und Bespaßer, aber es gibt auf der Soll-Seite einen ganz bestimmten Handaufhalter, der immer und überall mit dabei ist, obwohl er nie und nirgendwo mit dabei ist. Die GEMA kassiert immer mit.
Eigentlich freut man sich, wenn die Presse vorbeikommt und über das Event berichten will. Artig wird jede Geschichte erzählt, jedes Fotomotiv komponiert und auf jede noch so dämliche Frage lächelnd geantwortet. Wenn allerdings die Sprache auf die Besucherzahlen kommt, werden die Veranstalter unruhig und blicken hilflos verzweifelt ins weite Rund.
Der Grund dafür ist rein finanzieller Natur. Die GEMA kassiert immer mit. Bei Eintritt für lau richtet sich die Höhe der Abgabe meist nach der Veranstaltungsfläche, wird Eintritt erhoben, werden sowohl Salär als auch Besucherzahlen herangezogen. Egal auch, ob da „Alle meine Entchen“ oder „Atemlos“ aus den Lautsprechern tropft.
Kein Wunder also, dass die Veranstalter den Pressevertretern regelmäßig nur ihre Zufriedenheit in die Blöcke diktieren. Sind wenige Gäste gekommen, wird die GEMA billiger; gabs einen Ansturm auf das Event, steigen auch die Abgaben. Die schwarze Null bleibt also stets konstant, nur das Leiden wechselt sein Niveau.
Allerdings ist der Einfallsreichtum der Anstalt fürs Rechte-Inkasso ungleich größer als die Fantasie so manchen Veranstalters. So kam es bei einem der Markranstädter Feste vor einiger Zeit dazu, dass der Verein beim Aufbau des Festzeltes einen Kassettenrecorder dudeln ließ und wenig später die gepfefferte Rechnung für eine „öffentliche Musikvorführung“ erhielt.
Übung macht den Zahlmeister
Ein anderer Verein staunt noch immer nicht schlecht, dass ihm für seine Nachwuchs-Tanzgruppen nicht nur GEMA-Rechnungen für öffentliche Auftritte, sondern jetzt sogar fürs Training zugestellt werden. Ja, auch Übungsstunden lässt sich die GEMA vergolden, weil da schließlich ebenfalls Musik gespielt wird.
Was niemand gerne hört, aber die ungeschönte Wahrheit ist: Die Überweisung an die GEMA ist gut angelegtes Geld, das der ganzen Gesellschaft zugute kommt. Das muss auch mal gesagt werden. Ein Großteil der Einnahmen wird nämlich wieder ausgeschüttet und an Bedürftige wie Udo Lindenberg oder Roberto Blanco verteilt, damit diese nach Erreichen des Rentenalters nicht in die Armutsfalle geraten.
Dieses Anliegen ist überzeugend, würde es uns doch theoretisch auch davor bewahren, dass Helene Fischer oder Andy Borg dem Volke bis hinein ins Greisenalter in den Ohren liegen müssen, um über die Runden zu kommen.
Leider gibt es jedoch auch Beispiele wie Jürgen Drews (73), Howard Carpendale (72), Mary Roos (69) oder Chris Doerk (76), die uns jeden Tag aufs Neue schmerzvoll hören lassen, dass das Schweigegeld der GEMA längst noch nicht für alle reicht.
Selbst bereits pensionierten Barden wie Wolfgang Petry (66), Adoptivschwester der gleichnamigen Laiendarstellerin Frauke, blieb dieses Schicksal nicht erspart. Nach mehreren vergeblichen Anläufen zur Erfindung einer Petryschale musste auch „Hölle-Hölle-Hölle“ – Wolle jetzt wieder einen Nebenjob als Vorsänger annehmen.
Die GEMA treibt also bei weitem nicht genug Geld ein. Da die gemeinnützigen Veranstalter von Dorf- oder Stadtfesten längst bis aufs Blut ausgequetscht sind, müssen jetzt neue Einnahmequellen her. Und die sind teilweise so skurril, dass man gleich noch eine Satiresteuer drauflegen möchte. Hier ein Beispiel:
Montag, 31. Juli 2018: Rentner Alois B. (83) schiebt seinen Rollator durch einen Markranstädter Einkaufsmarkt. Im Drogerieregal fällt ihm eine Haftcreme fürs Gebiss ins trübe Auge, die um 50 Prozent reduziert wurde. Also nicht die Haftkraft, sondern der Preis. Zufrieden packt der Mann die Tube in den Wagen und verleiht seiner Freude über das Schnäppchen Ausdruck, indem er die Ouvertüre der Sakraloperette „Oh happy day“ pfeift.
Konzert im Supermarkt
Kurz vorm Verlassen des Marktes tippt ihm jemand auf die Schulter und steckt ihm ein Covert zu. Alois denkt zunächst an einen Zeugen Jehovas, der den Wachturm jetzt in Briefformat verteilt. Doch als er den Umschlag zu Hause öffnet, fallen Alois B. trotz neuer Haftcreme vor lauter Überraschung die Beißerchen aus dem Gesicht. Es ist die Rechnung der GEMA für die „Wiedergabe eines lizenzierten Werkes im öffentlichen Raum“.
Da kein Eintritt erhoben wurde, gilt die Veranstaltungsfläche als Berechnungsgrundlage. Beim Tarif von 86 Euro pro 50 Quadratmeter mache das laut GEMA-Chef Adam Ries bei 600 Quadratmeter Supermarkt schlappe 1032 Euro für die unangemeldete Konzertveranstaltung – zahlbar binnen zwei Wochen.
Noch unerwarteter und sogar weitaus schlimmer traf es jetzt sogar den Deutschen Fußballbund. Dreimaliges öffentliches Absingen der Nationalhymne in Russland vor mehreren Millionen Menschen weltweit und bei außerdem horrenden Eintrittspreisen! Die Forderungen der GEMA waren so hoch, dass sich der Verband kurz vor dem finanziellen Kollaps sah und Ilkay Gündogan sogar wieder an die Türkei verkaufen wollte.
„Es musste eine Entscheidung her. Insofern war das 0:2 gegen Südkorea unsere Rettung in letzter Minute“, feiert DFB-Manager Oliver Weinhof das glückliche Ausscheiden Deutschlands aus der WM. Einen eventuellen Auftritt im Achtelfinale hätte man beim besten Willen nicht mehr finanzieren können.
Auch der hinzugezogene Videobeweis, der Mesut Özil von einer Mitschuld am Singen entlastete und die GEMA-Überweisung damit ein Elftel günstiger werden ließ, sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen. Ab sofort werde die Nationalhymne nicht mehr gesungen, sondern nur noch geschwiegen!
Eintritt für lau oder für GEMA?
Bleibt also festzustellen, dass die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) trotz steigender Einnahmen und immer neuer Quellen ein stabiler Faktor bei der Berechnung der Bremswirkung in den Bereichen Spaß und Unterhaltung bleibt.
Wie lange es sich die gemeinnützigen Vereine noch leisten können, Stars wie Heidi Brühl, Rex Gildo oder Johannes Heesters selbst nach deren Tod noch finanzieren zu müssen, steht in den Sternen.
Übrigens: Wer glaubt, dass wenigstens das Singen von Volksliedern ohne finanzielle Folgen bleibt, befindet sich auf dem Holzweg. Ganz gleich, ob man im Frühtau zu Berge hoch auf dem gelben Wagen sitzt oder am Brunnen vor dem Tore alle meine Entchen schwimmen lässt, die GEMA hält auch hier ihre Hände auf. Und längst nicht nur für einen Heller und ein Batzen.
Das bekamen auch zum Teil demenzkranke Senioren aus Fahrdorf (unbedingt mal draufklicken und lesen!!!) zu spüren, die für ihre Sangeslust nur auf den Verdacht hin zahlen mussten, dass dabei eventuell Urheberrechte verletzt würden.
Nicht etwa, weil einer der Sangesbrüder ein im 16. Jahrhundert entstandenes Volkslied damals vielleicht selbst komponiert haben könnte, sondern weil … ja … also … jedenfalls hats diesmal ausnahmsweise die Richtigen erwischt. Die Rechtslage ist im wahrsten Sinne des Wortes derart zum Vergessen, dass sie nur für Alzheimer-Patienten in Frage kommt.
In einem alten deutschen Sprichwort heißt es: „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“. Wie wir heute wissen, stimmt das nicht. Auch böse Menschen haben Lieder und ja, sogar an denen verdient die GEMA mit.
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