Sie dürfen nicht alles glauben, was Sie denken!

Zunächst ein herzliches Dankeschön an Heike Helbig und Pfarrer Michael Zemmrich, dass sie den Spaß mitgemacht haben. Der große Ansturm auf die Ausstellung des Markranstädter Goldschatzes ist zwar ausgeblieben, aber Anrufe, Nachfragen und Reaktionen belegten, dass doch ein paar Bürger geneigt waren, diesen Aprilscherz im wahrsten Sinne des Wortes für bare Münze zu nehmen. Warum? Nun ja, sie glaubten die Geschichte einfach. Womit wir also beim Glauben wären und sich der Kreis zum Fundort Kirche schließt.

Im Grunde genommen ist Glaube(n) vergleichbar mit dem Hören. Man hört eigentlich nur das, was man gern hören will. Aus der Küche dringt ein Laut an Ihr Ohr. Hat die Frau jetzt gerade gerufen, dass der Müll runtergebracht werden muss oder dass das Essen fertig ist?

Na, welche der beiden Informationen hätten Sie lieber gehört und deshalb schneller drauf reagiert? Seh’nse, genauso ist es mit dem Glauben in der Religion.

Die Existenz Gottes wird gern mit dem Argument bestritten, dass selbst der Pfarrer ihn noch nie gesehen hat. Also gibt’s Gott nicht. Fertig! Andererseits hat aber noch kein Vermögensberater und gleich gar nicht einer seiner Klienten je gesehen, was sich in einem Hedge-Fonds befindet. Trotzdem reißen ihnen die Kunden solche Pakete voller Illusionen gleich stapelweise aus der Hand. Weil sie dran glauben, dass da was Gutes oder wenigstens überhaupt was drin ist. Ein Goldschatz zum Beispiel.

Das Wort Glaube hat seinen Ursprung im lateinischen „fides“ und bezeichnet die Grundhaltung des Vertrauens. Und irgendwie offenbart es auch das Krankheitsbild unserer Gesellschaft. Wenn man einem Vermögensberater mit seinem Karton voller Nichts mehr vertraut als dem Pfarrer mit seinem (eigentlich unserem) Gott hoch droben im Nichts, haben die Urheber selbst einfallslosester Aprilscherze leichtes Spiel. Sie brauchen nur das zu sagen, was der Mensch gern hören und demzufolge auch glauben will.

Der Glaube an Illusionen

In unserem Fall hatten wir dem Pfarrer einen Hedge-Fonds aus Holz mit ein paar 10-Cent-Münzen in die Hand gedrückt, vor der Kirche in Szene gesetzt und das eindrucksvolle Glaubensensemble fotografiert. Fertig war der Lack. Gott, wie einfach! Wahrscheinlich hätte das sogar mit einer leeren Kiste geklappt und dem Hinweis, dass sie voller Bitcoins ist. Die hat schließlich auch noch niemand gesehen und trotzdem fahren alle drauf ab.

Nur bei Gott ist das anders. Dem will man offenbar erst die Hand schütteln, bevor man an ihn glaubt. Offiziell zumindest. Ganz privat glauben alle in irgendeiner Weise an eine höhere Macht. Gar zu oft allerdings erst dann, wenn alle weltlichen Instrumente versagt haben. Da hat schon so mancher Zeitgenosse am Abend vorm Bett gekniet und Hilfe von oben erbeten, nachdem er beim Blick auf den leeren Hedge-Fonds festgestellt hat, dass das Vertrauen in den Finanzberater nicht gerechtfertigt war. Bei einem derart erleichterten Konto erschließt sich der wahre Sinn des Begriffs „leichtgläubig“.

Sozusagen im doppelten Boden unserer Schatzkiste haben wir per Aprilscherz eine Frage versteckt, die Sie sich bitteschön selbst beantworten wollen. Warum sind wir eher bereit, an etwas Höheres zu glauben, wenn damit materieller Mehrwert verbunden ist und nicht ideeller?

Sagen wirs mal so: Wenn Gott Ihr Stoßgebet erhören und Sie am Sonnabend im Lotto gewinnen lassen würde, wäre er ein Dieb. Mehr noch: Er würde Sie zum Hehler machen. Schließlich ist Geld nie weg, sondern es hat nur jemand anderes. Wenn Gott Sie also gewinnen ließe, müsste er das Geld jemand anderem wegnehmen. Drum tut er’s nicht.

So sah er wirklich aus, der Hättsch-Fonds (Hättsch nie gedacht) vom Aprilscherz. Genauso leer wie in der Realität und wie die Finanzströme an der Börse. Trotzdem glauben wir dran…

Die Banker und Vermögensberater sehen das anders. Wenn die aus einer Million zwei machen, gibt’s irgendwo lange Gesichter beim Blick auf den Kontoauszug. Und das wird sogar mit Erfolgsmeldungen gefeiert, die man wahlweise als Konjunktur oder Wachstum bezeichnet.

Jo, ausgerechnet solchen Leuten vertraut man … und schüttelt verständnislos die Köpfe über jene Menschen, die sich lieber Gott anvertrauen.

Das falsche Vertrauen

Lange Rede, kurzer Sinn: Was spricht dagegen, sein Vertrauen (seinen Glauben) lieber dem zu schenken, der einem wenigstens nichts wegnimmt als jemandem, der sein Tagwerk mit Diebstahl fristet?

Und kommen Sie jetzt bitte nicht mit dem Argument, dass Geld existiert und Gott nicht. Das Finanzvolumen, das heute weltweit an den Börsen hin und her geschoben wird, ist definitiv nicht vorhanden. Im Gegensatz zur Nichtexistenz Gottes ist die Nichtexistenz der Börsengelder sogar wissenschaftlich bewiesen. Und trotzdem wird dran geglaubt. Kaum zu glauben.

Kaum zu glauben, was die glauben

Also gehen Sie ruhig mal wieder in die Kirche, auch wenn Sie glauben, dass Sie nicht glauben. Es lohnt sich trotzdem. Dort treffen Sie Leute, die genauso denken wie Sie. Können Sie glauben!

Die sitzen auf Bänken, nicht in Banken und zudem noch direkt neben Ihnen und nicht hinter einem Schalter. Auch spricht der Pfarrer direkt zu Ihnen und nicht anonym per automatischer Bandansage mit der Aufforderung „Zur Bestätigung Ihres Glaubens drücken Sie bitte die Raute-Taste“. Weil er Ihnen in die Augen schauen kann.

Es ist zutiefst menschlich, was da hinter den ehrwürdigen Mauern abgeht und übrigens auch davor. Und es werden da auch Dinge angesprochen, die man heute nur in sozialen Netzwerken erwarten würde. Allerdings werden die in der Kirche viel kultivierter diskutiert. Ja, da gibt es noch Begriffe wie Heimat, Solidarität, gesellschaftliche Werte und es weht kein Shitstorm durch die Halle, weil auf den Kirchenbänken keine gesonderten Sitzplätze für Diverse ausgewiesen sind.

Wird 500 Jahre alt und ist in vielerlei Hinsicht eine Schatzkiste: Die Markranstädter St. Laurentius-Kirche.

Ein Tipp noch für die Freunde des in feinsinnig geschliffene Satire gewobenen Wortes: Pfarrer Zemmrichs Andachten und Predigten sind ein Ohrenschmaus für all jene Menschen, die selbst in noch so ernsten Aussagen einen satirischen Kern zu finden in der Lage sind.

Also jetzt nicht solche Glaubensfragen, dass er beispielsweise glaubt, IKEA-Mitarbeiter seien nur Kunden, die den Ausgang nicht gefunden haben. Nein, er meint es schon ernst, wenn er Spaß macht.

Kannste glauben

Unvergessen sein flammendes Plädoyer im Vorjahr, als er auf die Bedeutung des Mutterleibes für die Entwicklung eines Fötus zu sprechen kam und es seinen Zuhörern überließ, ob oder wie sie die biologischen wie auch technischen Vorgänge des Werdens zumindest gedanklich in unsere gleichgeschlechtliche Gegenwart  hinüber retten.

Unvergessen auch deshalb, weil das Zeugnis dieser Andacht am Garderobenhaken der Markranstädter Nachtschichten noch heute allgegenwärtig ist. Der MN-Chefsatiriker hatte vor unterdrückter Heiterkeit ein Loch in seine Jacke gebissen.

Ja nee, es lohnt sich echt. Geh’nse mal wieder hin in die Kirche. Sie werden mit Sicherheit kein Gold finden, aber Sie werden etwas Wertvolles mit nach Hause nehmen. Das können Sie glauben.

3 Kommentare

  1. Glauben, Staunen, Freude und Dankbarkeit liegen eng beieinander.
    1.Staunen, dass solch ein Aprilscherz gelungen ist.
    2. Freude, dass es im Jahreslauf in Markranstädt ganz besondere Gottesdienste gibt wie z.B. den, den alljährlich die Konfirmanden selbst gemeinsam vorbereiten und durchführen.
    Was man in solch einer nicht vom Pfarrer, sondern tatsächlich von Konfirmanden(diesmal Kinfirmandinnen) gehaltenen Predigt zu hören bekommt, erfüllt Zuhörer mit Freude, Zuversicht und
    3.großer Dankbarkeit darüber, dass es in Markranstädt solche wachen, sich tiefgründig mit Gegenwartsproblemen beschäftigenden jungen Leute gibt.
    Fazit: Für das nächste Jahr unbedingt empfehlenswert!(denn es ist vorher kaum zu glauben!)

  2. Ein herzliches Dankeschön für diesen gelungenen Aprilscherz.Wie ich las ,war ich nicht der einzige der es ,zumindest für einen kurzen Moment,für möglich gehalten hat.

    1. Keine Scham. Es haben mehr dran geglaubt als man glauben möchte. Sogar ganze Familien standen vor dem Rathaus und wollten die Ausstellung sehen…

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