Sensationsfund in Kirchenmauer: Wie gewonnen, so zerronnen?

Helle Aufregung nicht nur in der Kirchgemeinde Markranstädter Land! Der alte Spruch „Die Sanierung eines Hauses ist wie eine Wundertüte“ hat sich in besonderer Weise erfüllt. Wie erst jetzt bekannt wurde, sind Bauarbeiter im Gemäuer der St. Laurentiuskirche bereits am 8. März auf einen regelrechten Schatz gestoßen. Wie das Sächsische Landesamt für sakrale Bauforschung gestern mitteilte, wurde er zunächst untersucht und soll heute ab 11 Uhr im Bürgerrathaus der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Rein optisch ist es nicht viel, was Stadtsprecherin Heike Helbig und Pfarrer Michael Zemmrich gestern in die Kameras der Pressevertreter hielten. Ein kleines Kästchen aus Holz und ein Stück altes Papier mit zwei Siegeln. Eigentlich genau der richtige Stoff für Satiriker, die ebenso wie die Qualitätspresse mit der Verheißung auf einen Goldschatz angelockt wurden.

Aber als Michael Zemmrich mit geheimnisvollem Lächeln die Schatulle öffnet, herrscht für einen Moment Ruhe in der Runde. Sogar den Kameras scheint angesichts der 62 Goldmünzen, die da aus dem Holzkästchen strahlen, erst mal das Klicken vergangen zu sein.

Es ist fast wie bei „Bares für Rares“, als Dr. Gerhard Putzer vom Landesamt kurz darauf die Expertise verliest. Demnach handelt es sich um 62 Goldmünzen – hauptsächlich Dukaten und Taler – mit einem Gewicht von insgesamt 637 Gramm. Macht einen Materialwert von rund 24.800 Euro.

Aber das dicke Ende kommt erst noch. Unter Sammlern hätten solche Münzen einen Marktwert von bis zu 10.000 Euro. Pro Stück! Mithin hielt Pfarrer Zemmrich gestern ein Kästchen im Wert von rund 620.000 Euro in die Kameras.

Entdeckt wurden die Fundstücke bereits am 8. März. Beim Lösen des schadhaften Außenputzes habe sich im Bereich des Fundamentes ein Stein gelockert. Als der herausgenommen wurde, stellten die Bauarbeiter fest, dass er künstlich ausgehöhlt war und sich in ihm eine versiegelte Kapsel aus Blei befand. Zunächst wurde vermutet, dass es sich um eine Kartusche mit Zeitdokumenten handeln würde, wie sie noch heute bei Grundsteinlegungen verwendet werden.

„Aber das war nicht schlüssig“, erklärt Dr. Putzer. „Bei Kirchen hat man sowas in der Kugel auf dem Turm deponiert.“ Die Gewissheit sei dann nach dem Öffnen des Kassibers in Dresden ans Licht gekommen und erklärt auch, warum Zemmrichs Lächeln angesichts des überraschenden Geldsegens dann doch nicht so glücklich ist.

Neben dem Holzkästchen enthielt die Bleikartusche ein Dokument aus dem Jahre 1512. Das Papier erklärt, was es mit dem Gold auf sich hat und ruft andre Menschen auf den Plan, die darauf Ansprüche geltend machen. Demnach wurde damals Geld zurückgelegt, um die Hinterbliebenen jener Bauarbeiter zu versorgen, die beim Bau der Kirche ums Leben kommen könnten.

Als wäre er bei den Markranstädter Nachtschichten angestellt, meint Landesarchäologe Putzer verschmitzt: „Wahrscheinlich war es im ausgehenden Mittelalter doch nicht so schlimm mit dem Arbeitsschutz auf Baustellen, denn was wir hier sehen, ist das Geld, was davon übrig geblieben ist.“

Von wegen der Sonntag ist heilig. Pfarrer Michael Zemmrich und Stadtsprecherin Heike Helbig hatten gestern den ganzen Tag alle Hände voll zu tun. Presseanfragen, Fototermine, Interviews…

Das Problem ist zugleich Ironie der Geschichte. Die entscheidende Auseinandersetzung um die weltweite Reformation des christlichen Abendlandes fand mit der Schlacht von Lützen quasi vor der Tür der Markranstädter Kirche statt. Allerdings erst im Jahre 1632. Anno 1512 war Markranstädt noch katholisch.

Die Freude über den ebenso plötzlichen wie vermeintlichen Reichtum zwischen Floßgraben und Zschampert ist deshalb inzwischen zu Eis erstarrt. Das Leipziger Erzbistum Pleißenaue habe am vergangenen Donnerstag seine Ansprüche auf den Fund geltend gemacht, heißt es in einer Pressemitteilung der katholischen Kirche.

Die beigelegte Urkunde erklärt, dass der Fund der Kirche gehört. Nur welcher?

Bis die Eigentumsfragen geklärt sind, soll der Fund im Asservatenkeller des Grünen Gewölbes in Dresden aufbewahrt werden. Die kurzfristig anberaumte Präsentation am heutigen Nachmittag zwischen 11 und 18 Uhr im Bürgerrathaus werde daher die vorläufig einzige Möglichkeit sein, die Exponate öffentlich sehen zu können.

Rathaus-Sprecherin Heike Helbig bat gestern bereits vorsorglich um Verständnis für die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen. „Es wird natürlich alles überwacht, der Marktplatz sogar per Video. Rucksäcke oder größere Taschen dürfen nicht mitgeführt werden, Handtaschen werden kontrolliert.“

Trotz aller Einschränkungen eine einmalige Chance, denn sollte die Eigentumsfrage zugunsten des Religionsanbieters der katholischen Konkurrenz entschieden werden, geht das Konvolut volley nach Rom. Das wäre für Markranstädt ungefähr so, als würde Eifel-Waldi bei ‚Bares für Rares‘ sagen: „Isch biete mal 80 Euro für dat Teil, damit is der Schrotthaufen jut bezahlt!“

 

2 Kommentare

  1. Ich hatte leider keine Zeit diesem Mega-Event in Markranst zu erleben, aber die Redakteure von MN bestimmt, und ihr habt gute Fotografen. Ich bin neugierig,

  2. Absolut super „Sachverhalt“! – Ob das ´ne Warteschlange vorm Rathaus ergibt? Und wer wird am Ende die Kosten der Sicherheitsmaßnahmen für die Zurschaustellung begleichen müssen? Das wir wieder ein fetter Auftrag für Juristen, die sich gewiss jetzt schon um den Auftrag streiten.
    1000 Dank der,dem oder denjenigen, die diesen Bericht bis ins kleinste Detail pingeligst ausgearbeitet haben. (Man beachte z.B. die Unterzeichner der Urkunde und was sonst noch darin verborgen ist!)

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