Hauptsache Hauptstraße

Hoppla, was ist denn hier in Lindennaundorf los? Weil wir es auch nicht wissen, haben wir mal Markranstädts beliebteste Fahrschullehrerin gefragt. Schließlich wird Annett Aukthun nachgesagt, dass sie selbst blutigen Anfängern die kompliziertesten Verkehrssituationen einfühlsam erklären kann. Aber auch sie war sprachlos und konnte sich bestenfalls vorstellen, dass die StVO über Nacht politisch korrigiert wurde. Rechts vor links oder „Führer“ von Kraftfahrzeugen – nach 70 Jahren sollte solch revanchistisches Wortgut endlich mal ausradiert werden. Klingt zwar logisch, allerdings gibt es auch noch drei andere Theorien. Wir haben die mal unter die Lupe genommen, damit Sie sich Ihre Lieblingsversion selber aussuchen können.

1. Demografische Entwicklung

Weil immer mehr einst jüngere Menschen immer mehr älter werden, müssen die völlig überforderten Renten- und Sozialkassen auf möglichst humane Weise nachhaltig entlastet werden.

Das geschieht am unauffälligsten durch eine Art verkehrsbehördliche Sofortsterbehilfe. Es ist zwar tragisch, wenn einem Rentner die vermeintliche Vorfahrt genommen wird, aber das muss man in solchen Fällen schon differenziert betrachten. Erstens ist an dieser Kreuzung die Vorfahrt eine Frage der Perspektive (also aus welcher Richtung man kommt) und zweitens wurde ja grade für die schwächeren Verkehrsteilnehmer das Gebot der Vorsicht und gegenseitigen Rücksichtnahme erfunden. Bei jüngeren Leuten ist die Vorfahrt schließlich bereits werksseitig im Auto eingebaut.

Heißt also: Freie Fahrt für freie Rentner. Mit jedem Vollkasko-Schaden werden unsere Straßen ein Stück sicherer. Irgendwie kommt das auch unserem Grundgesetz entgegen. Immer diese Willkür, nur weil man von einer Nebenstraße kommt. Ab jetzt fährt in Lindennaundorf der zuerst, der Lust dazu hat. Willkommen in der Spaßgesellschaft!

2. Soziales Engagement

Die zweite Theorie beschäftigt sich mit Fragen des sozialen Engagements. Dazu zählt nicht nur das Züchtigungsverbot für Ehefrauen, sondern auch Dinge wie die Altkleidersammlungen.

Wie siehts denn aus in der Realität? An jeder Ecke steht eine Klamottenbox für Slips, die zu waschen sich einfach nicht mehr lohnt. Hier steht ein Container vom DRK, da einer von den Maltesern und eine Straße weiter einer vom BVB oder auch schon mal einer von der Post. Weil der Deutsche Michel bei so viel Qual der Wahl normalerweise in LMAA-Stimmung verfällt und gar nichts mehr spendet, wird mit dieser Beschilderung zwar nicht seine Aufmerksamkeit, dafür aber sein Fahrzeug zum richtigen Bestimmungsort gelenkt. Da führt kein Weg dran vorbei.

Voilà – die Hauptstraße endet direkt am Kleidercontainer, der auf der vermeintlichen Hauptstraße wie ein Prellbock auf dem Abstellgleis thront. Resttextilien ausladen, wieder einsteigen und Türen schließen vor der Abfahrt zur Heimreise. Das ist moderne Wirtschaftsförderung durch intelligente Steuerung der Verkehrsströme!

3. Das Naddel-Labyrinth

Die dritte Möglichkeit zählt zwar eher zu den Verschwörungstheorien, aber sie hat was. Zumindest für Satiriker. Demnach handelt es sich um eine kommunalpolitische Finte, um ein Problem zu lösen.

Die aktuelle Bürgermeisterin ist bekanntlich nicht unumstritten in Markranstädt. Darüber kann auch die Tatsache nicht hinwegtäuschen, dass sie sich in 40 von 35 Pressemitteilungen mit den Worten „Ich freue mich…“ zitieren lässt und Adjektive wie „verschiedenste“ oder „unterschiedlichste“ zu den belastbarsten Fakten ihrer Aussagen zählen. Die Lage ist ernst, der Widerstand wächst. Auch im Landkreis. Das bei Wikipedia für die Aufnahme als „Naddel-Labyrinth“ beantragte Schilderkonvolut befindet sich nicht ohne Grund mitten auf Stitterichs Arbeitsweg zum Rathaus.

Die Straßenverkehrsbehörde will das Problem damit offenbar nach Leipzig delegieren, indem die Bürgermeisterin – gewohnt von daheim in die Kernstadt nur auf Hauptstraßen zu defilieren – ohne es zu merken nach Miltitz navigiert wird. Hat bislang nur noch nicht funktioniert. Offenbar stimmt da was mit der Wegstrecke nicht.

9 Kommentare

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  1. Nachdem der erste Kraftfahrer ins rechte Grundstück (Hauptstrasse) abgebogen war, ertönte es aus seinem Navi „Achtung, nichtbefestigte Strasse“. Der Weg nach Miltitz war nun kürzer, als sonst.
    Leider war das Amt schneller als die Polizei erlaubt und hat das Schild schon getauscht. Gut für die Verkehrsteilnehmer – zu schnell für die Nachtschichten.
    Was bleibt ist der lustige Schnappschuss.

    1. Wieso zu schnell? Ersten waren wir fürs Foto pünktlich zur Stelle und zweitens haben wir das Landratsamt durch unsere Anfrage erst auf den Trichter gebracht. Leider haben die statt zu antworten schnell die Schilder gewechselt. Das wird uns nicht noch mal passieren. Ab jetzt warten wir mit der Kamera ab, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Aber jetzt mal ganz im Ernst: Das war kein feiner Zug vom Landkreis. Sie hätten wenigstens antworten können. Es sind doch nur ein paar Schilder und keine Gemeinaschaftsunterkunft.

      1. Dann hätte da gestanden…. zigfach wiederholt:
        „Ich verweise auf das bauaufsichtrechtliche Verfahren“

  2. Aus Biker-Sicht betrachtet ist dies wohl eine Variante, die ungeliebten Einspurfahrer aus dem Straßenbild zu bekommen! Hilft nichts, wir wissen uns zu wehren!

    1. Genau! Wir lassen’s im Handgelenk zucken und drehen so weit auf, dass sich der Kleidercontainer durch den Fahrtwind von alleine leert!

    • Tilo Lehmann auf 6. Juli 2021 bei 9:34
    • Antworten

    Problem erkannt: Sprachgebräuchlich heißt es ja Frankenheim-Lindennaundorf. Folglich hat ein Jeder das Recht auf SEINE Hauptstraße vom Heimatstammort kommend. Es sind also noch Deutungsvarianten offen. Nur muss man erstmal darauf kommen- MN tut“s“.

    1. Okay. Wo wir schon mal dabei sind: Was ist mit der männlichen Form der Hauptstraße?

    • Annett Aukthun auf 6. Juli 2021 bei 8:23
    • Antworten

    Es ist immer wieder erstaunlich, was man in so ein paar Schilder hinein lesen kann. Aber wieder vom Feinsten. So bekommt man gleich einen ganzen anderen Blick auf die Straßenverkehrsordnung. Und ich dachte immer, es geht ums Autofahren?

    1. Darum gings noch nie. Es geht einzig darum, die Beifahrerin zu beeindrucken.

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