Das wahre Genie kennt keine Schranken

Warum auch sollte Markranstädt anders handeln als der Rest der Welt? Längst geht es nicht mehr darum, das Übel an der Wurzel zu packen, sondern es woandershin zu delegieren oder – wenn es schon woanders ist – dort zu lassen. So spielt sich also der Kampf gegen Ebola nicht in Afrika, sondern auf europäischen Flughäfen ab und in Kurdistan werden die letzten Verteidiger des Abendlandes aus der Luft von deutsch-amerikanischen Waffenlieferungen erschlagen. Hauptsache, der Krieg kommt nicht zu uns.

Ähnlich müssen auch die Gedanken derer gewesen sein, die für die Aufstellung einer Schranke mitten auf der Priesteblicher Straße in Frankenheim agitiert und dieses Vorhaben letztendlich auch durchgesetzt haben. Zur Erinnerung:

Polizeimeldung vom 24. September 2013: Bei einem Verkehrsunfall sind drei Menschen schwer verletzt worden. Wie die Polizei mitteilte, ignorierte ein 21-jähriger Pkw-Fahrer an der Kreuzung zwischen Priesteblicher und Markranstädter Straße die Vorfahrtsregelung.
Polizeimeldung vom 27. September 2014: An der Kreuzung Priesteblicher / Markranstädter Straße bog ein Fahrzeug verkehrswidrig nach links in Richtung Frankenheim ab. Dort kam es zum Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden PKW. Dabei wurde eine Person schwer verletzt.

Neben einigen kleineren Blechschäden, die auf Grund der umfassenden Zoo-Berichterstattung der Tageszeitung im Lokaldienst nicht einmal angemessen ignoriert wurden, waren es vor allem diese beiden Unfälle, die in den zuständigen Verkehrsgremien für das Zustandekommen eines gewissen geistigen Kreislaufs verantwortlich zeichneten. Freilich gibt es viele Lösungen für ein solches Problem. Die Billigste war ein einfaches Schild. Nachdem sich das als untauglich erwies, kann der Steuerzahler eigentlich froh sein, dass man für Frankenheim nicht gleich einen City-Tunnel zur Ausführung gebracht hat.

Unter all den mannigfaltigen Möglichkeiten zwischen Schild und Unterführung wählte man letztendlich jedoch eine, die offenbar so richtig ins Weltbild unserer heutigen Gesellschaft passt. Das Problem wurde dahin delegiert, wo es nicht auffällt. Wozu auch sich Gedanken machen über die Vermeidung von Unfällen, wenn die sowieso immer wieder passieren? Diese These ist sogar beweisbar! Obwohl deutschlandweit täglich tausende von Politessen ihren Dienst tun, gibt es trotzdem noch immer tausende Falschparker.

Innovationen in Sachen Beschränkung oder -theit gibt es, wie diese Aufnahme eindrucksvoll beweist, nicht nur in Markranstädt.

Innovationen in Sachen Beschränkung oder -theit gibt es, wie diese Aufnahme eindrucksvoll beweist, nicht nur in Markranstädt.

Also hat man das Problem einfach verlagert. Um von der Markranstädter Straße (oder, ganz wie man will: An den Windmühlen) aus eine Einfahrt in die Priesteblicher Straße oder eine Ausfahrt aus ihr zu verhindern, hätte es am Unfallschwerpunkt sicher auch eine Schranke oder ein anderes Hindernis getan. Das machen sogar Kinder so, wenn sie „Autofahrer & Politesse“ (früher: Räuber & Gendarm) spielen.

Nicht so in Markranstädt. Da haben findige Verkehrsexperten bereits vier Monate nach Ankündigung im Stadtjournal vom Juli 2014 eine nachhaltigere Lösung installiert und die Schranke einfach ans gegenüberliegende Ende der Gefahrenquelle gesetzt: Mitten in den Ort! Und damit sie ihre Wirkung auch gleich richtig entfaltet, wurde sie so gebaut, dass auch für Fußgänger und Radfahrer unmissverständlich das Ende der Welt angezeigt wurde. Natürlich könnte man sich angesichts dieser verkehrsstrategischen Vollbremsung fragen, warum der Weg ins Nirvana dahinter asphaltiert ist, aber das hat wohl was mit Religion zu tun und der Reformationstag ist vorbei. Also zurück zu den Fakten.

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Nicht auszudenken, wenn diese Schranke dort errichtet worden wäre, wo sie hingehört: Am Unfallschwerpunkt. Wenn dort jemand durch das Bollwerk bräche, hätte man schließlich wieder einen Unfall an der Unfallstelle und das würde nicht nur die Statistik versauen, sondern die Kompetenz der Erbauer jener Schranke in Zweifel ziehen.

So jedoch wurde das imposante Bauwerk am anderen Ende errichtet. Sollte dort jemand gegen den Schlagbaum fahren, würde der Unfall in Frankenheim registriert. Damit hätte der Ort zwar einen Unfall mehr in der Statistik, der Unfallschwerpunkt 800 Meter weiter vorn aber dadurch gleichzeitig einen weniger. Wer in Mathematik gut aufgepasst hat, der wird sicher noch wissen, dass eins minus eins gleich null ist und wo kein Unfall passiert, kann es auch keine Opfer geben.

So sterben wir früher oder später alle eines natürlichen Todes. Das ist wohl jener Aspekt, den unsere Religionsführer im Wort zum Sonntag immer mit „Bewahrung der Schöpfung“ meinen.

Nun ist gerade dieser Fall am letzten Samstag jedoch eingetreten. Allerdings war es wohl nicht die Macht des Herrn, sondern die der Gewohnheit, die das Lenkrad führte und den Fuß des Fahrers selbst in jenem Sekundenbruchteil auf dem Gaspedal ruhen ließ, als er des Schlagbaumes gewahr wurde. Jedenfalls wurde die nagelneue Schranke in Frankenheim von einem Fahrzeug auf Walmdach-Format gefaltet. Nicht schön für Frankenheim, das jetzt einen Unfall mehr in der Statistik hat, der nicht nötig gewesen wäre, aber schön für die Schöpfung, weil ja statistisch gesehen eigentlich gar nichts passiert ist.

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Obwohl: Gar nichts, das ist auch wieder nicht richtig. Durch den Knick im Schlagbaum ist dieser in seiner Längenausdehnung etwas kürzer geworden, was wiederum Radfahrer und Fußgänger befähigt, ihn jetzt seitlich zu passieren, ohne die anliegende landwirtschaftliche Nutzfläche frequentieren zu müssen. Natürlich wird dieser Zustand nur so lange andauern, bis die Schranke nach erfolgter Ausschreibung, VOB-Prüfung und entsprechender Vergabe wieder gerichtet ist. Anschließend wird dann wohl – und spätestens hier sollten ernsthafte Zweifel am tieferen Sinn der Schöpfung aufkommen – eine den geltenden EU-Vorschriften entsprechende Schranken-Umgehung für Fußgänger und Radfahrer auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche nebenan errichtet werden. Vielleicht jetzt endlich sogar die längst fällige Unterführung? Selbstverständlich mit entsprechenden Verkehrsleiteinrichtungen und Signalanlagen.

Zur Entlastung der Planer dieses Schlagbaumes sollte man allerdings das Argument gelten lassen, dass es Schranken nicht nur auf Verkehrswegen gibt. So gilt der Begriff „beschränkt“ im deutschen Wortschatz beispielsweise nicht nur für Bahnübergänge oder vergleichbare Anlagen. Und damit, liebe Leserinnen und Leser, ist jetzt wirklich nicht gemeint, dass die Schranken am Markranstädter Bahnübergang besser auf dem Marktplatz aufgestellt werden sollen.

 

 

2 Kommentare

    • Dieter Zechel auf 11. November 2014 bei 18:58
    • Antworten

    Mein Vorschlag: Schranke weg, Ausbau Priesteblicher Straße mit Kreisverkehr auf die Straße An den Windmühlen. Das würde eine Verkehrsberuhigung ergeben. Ansonsten müßten die Lindennaundorfer und Frankenheimer sich wieder Eigenständig machen denn diese Schranke trennt unsere Gemeinden.

    1. Oh ja! Pressekonferenz im Rathaus. Die Bauamts-Chefin informiert über die Öffnung des Frankenheimer Schlagbaums und auf Anfrage der LVZ holt sie irritiert einen Zettel aus dem Zalandoo-Stiefel und vermeldet: „Das tritt…also nach meiner Kenntnis ist das sofort, unverzüglich.“

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