Markranstädt sucht das „Unwort des Jahres 2015“

Was Deutschland kann, das kann Markranstädt schon lange! Wenn Silvester näher kommt, wird überall das „Unwort des Jahres“ gesucht. Also warum nicht auch bei uns? Potenzial gibt es hier genug und kreative Geister ebenso … könnte man unter Missachtung des Unterschieds zwischen Konstrukt- und Destruktion zumindest meinen. Also aufgestanden! Die Markranstädter Nachtschichten suchen das „Unwort des Jahres 2015“.

Zugegeben: Bei solchen „Mach mit“-Wettbewerben haben die Markranstädter Nachtschichten traditionell schlechte Karten. Wortmeldungen in Form von Kommentaren oder eMails von Lesern sind hier zu 95 Prozent politisch motiviert und selbst die stammen nahezu ausschließlich aus den Lagern links der CDU.

Warum auch immer. Manchmal braucht man möglicherweise ein ärztliches Attest, um seine kommunikativen Fähigkeiten therapeutisch anwenden zu dürfen. Leseraktivitäten außerhalb politischer Szenarien sind jedenfalls Mangelware.

Medial völlig übersättigt

Aber das ist auch verständlich. Markranstädt ist einfach übersättigt von der überdimensional starken Präsenz in den Medien. Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Stadt und ihre Ortschaften in den Print-Medien nicht mit mindestens einer Sonderseite gewürdigt werden und selbst Radio und Fernsehen haben die Stadt am See für sich entdeckt.

Medienpräsenz auf dem hauseigenen youtube-Kanal, der im DSL-Niemandsland am Zschampert nur in der Kernstadt empfangen wird. Wer auch immer dieser Mario Ohoven ist, er muss was zu melden haben und hat Markranstädt wohl für die nächste Runde bei „Deutschland sucht die Superstadt“ nominiert. Eine Minute reden ohne was zu sagen: Wenn er groß ist, wird er bestimmt mal Politiker, der Herr Ohoven.

Die lokale Tagespresse lässt ihre Berichterstattung sogar schon mal unter der Rubrik „Tierleben“ laufen, damit die mediale Überbeanspruchung nicht so auffällt.

Wahlbeteiligung wie in der Politik?

Machen wir uns also nichts vor: Die Beteiligung an der Umfrage zum Markranstädter „Unwort des Jahres 2015“ wird, wie man so schön sagt, unter aller Sau sein.

Die einen trauen sich nicht, andere dürfen nicht und die übergroße Mehrheit wird einfach keinen Bock drauf haben, sich da Gedanken zu machen.

Warum auch? Das ändert eh nichts an den großen Problemen unserer Tage. Und vielleicht würde uns die Antwort auf die Frage nach dem Unwort tatsächlich verunsichern?

Ohne Fragen an Arzt oder Apotheker

Trotzdem wollen wir mal einen Anfang wagen und Ihnen vier Vorschläge vorkauen. Sozusagen als Appetithäppchen. Wir sind davon überzeugt, dass Ihnen noch weitere Unworte einfallen.

Die fünf besten Ideen werden wir im Dezember zur Abstimmung stellen. Und keine Angst: Sowohl Ihre Vorschläge als auch Ihr Votum gehen hier anonym ein. Sie wissen ja, Schweigepflicht und so. Auch wenn Sie in der CDU sind: Ihr Arzt wird davon nichts erfahren.

1: Vernässungsfläche

Wer das Buch „Feuchtgebiete“ gelesen hat, kürzlich Nachwuchs bekam oder in seiner Verwandtschaft Menschen weiß, denen der Begriff „Inkontinenz“ nicht fremd ist, könnte damit sicher etwas anfangen. Aber einen See als Vernässungsfläche zu verniedlichen, um ihn einer Kommune als deren Eigentum unterjubeln zu können, das zeugt von Kreativität in politischer Vollendung.

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Leicht vernässt, aber ansonsten noch ganz in Ordnung. Allerdings landen viele Touristen auf der Suche nach der Vernässungsfläche in der nahegelegenen Gaststube.

Zum Glück funktioniert ein so kreatives Hirn nicht wie ein Anus, sonst würde sich unter ihm nach einem solchen geistigen Furz vielleicht auch die eine oder andere Vernässungsfläche bilden.

2: Klarstellungsbeschluss

Eigentlich stammt der Begriff ja aus dem Jahre 2014. Aber da er sich erst 2015 so richtig entfalten konnte, kommt er eben jetzt ins Votum. Ursprünglich dachte man in Markranstädt, dass der Klarstellungsbeschluss eine Erfindung unseres Bürgermeisters war, der einen bereits gefassten Beschluss noch einmal beschließen lassen wollte. Nur so zur Sicherheit, falls jemand vergessen haben sollte, seinen Arm nach der vorangegangenen Abstimmung rechtzeitig zu senken.

Ganz so verhält es sich aber nicht mit der Urheberschaft der Klarstellung. Unser Jens hat sich da nämlich eine Anleihe beim Sandmann genommen. Jawollja, einfach mal auf das Bild klicken und genau zuhören (30 Sekunden).

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Ähnlichkeiten zwischen lebenden und verstorbenen Personen wären rein zufällig, aber das mit der Klarstellung kriegt er hier ganz klar eingeflüstert!

Klar, Genosse Ulbricht! Is klar. Drum heißt es ja auch Klarstellungsbeschluss. Und darum wird der Begriff auch als „Unwort des Jahres 2015“ vorgeschlagen.

Denn auch beim Projekt für eine neue Kindertagesstätte handelt es sich nicht um Literatur oder höhere Philosophie, sondern um den Kampf zwischen zwei Systemen. Ist das klar, Genossen? Und klarer als ein leeres Blatt Planungspapier ging’s auch 50 Jahre nach dem legendären Kahlschlag-Plenum des ZK der SED nicht.

3: Toilettenschlösschen

Entgegen dem, was bei den Freien Wählern Markranstädt intern vorzugehen scheint, wirkt das, was in den Stadtratssitzungen nach außen dringt, geradezu geordnet. Wenn dort jemand den Mund aufmacht, dann meist ohne Aphorismen und Strapazierung der Rolle der Bedeutung. Sachlich nennt man das. Der promovierte Geist in deren Reihen konnte Anfang 2015 angesichts der avisierten Kosten für das Klo am Kulki-Parkplatz dennoch nicht widerstehen, dem Baukörper ein satirisch geprägtes Adelsprädikat zu verleihen.

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Es war nicht nur die Geburtsstunde des „Toilettenschlösschens“, sondern zugleich auch sein Todesstoß. Ein Schloss heißt Schloss, weil man sich da einschließen kann. Eigentlich ist der Ursprung des Begriffes aber der „Herrensitz“ und das geht ja nun gar nicht für eine gendergerechte Bedürfnisanstalt, auf der auch Damen mal müssen können dürfen. Also wurde dieses Relikt einer antifeministischen Epoche kurzerhand zum Einsturz gebracht.

4: Verkehrsbehinderungsbau

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Touristen aus aller Welt kennen die Konstruktion eigentlich als die „Lindennaundorfer Schranke“. Aber da es sich dabei um zwei Worte handelt, könnte die Pilgerstätte der Satiriker so nicht in die engere Wahl zum Unwort des Jahres kommen. Außerdem sind es mindestens schon fünf Schranken, die dort verbaut und unmittelbar nach ihrer Inbetriebnahme von PKW im Gegenlicht der Abendsonne wieder weggekickt wurden.

Schon bieten findige Autohändler und Reparaturwerkstätten in der Region statt Kuhfänger neuartige „Schlagbaumbrecher“ als Frontbügel für Klein- und Geländewagen an. Leider sind die Tage der Schranke scheinbar gezählt. Gemessen an der avisierten Bausumme wird gerade an einer zweistöckigen Kleeblatt-Kreuzung zur Straße an den Windmühlen geplant, welche die Schranke überflüssig macht. Da wärs doch schön, wenn wir uns ihrer wenigstens durch das Unwort des Jahres erinnern könnten?

So, liebe Leserinnen und Leser, jetzt sind Sie gefragt! Was ist Ihr „Unwort des Jahres 2015“? Es sollte ein Unwort mit lokalem Bezug sein (also bitte nicht Transit-Zone, Flüchtlings-Hot-Spot, Balkan-Route, Grexit oder sowas in der Richtung). Wem für seinen Vorschlag auch noch eine lustige bis witzig-satirische Begründung einfällt, der bekommt von uns ein kostenloses Jahres-Abo der Markranstädter Nachtschichten für 2016.

 

2 Kommentare

    • babaline auf 28. November 2015 bei 12:35
    • Antworten

    Sie müssen sich über Zurückhaltung bei Ihrer Umfrage nicht wundern. Sie haben ja die besten (und einfachsten) Vorschläge schon selbst gebracht. Uns Lesern jetzt den schwierigen Part zu lassen, ist bei solchen Vorgaben schon fast unfair. Mir fällt jedenfalls auch nicht viel dazu ein. Vielleicht bis auf den Begriff Transparenz, der ja in Markranstädt schon seit Jahren von allen Seiten strapaziert wird ohne dass es dabei eine einheitliche Definition zu geben scheint. Sind die einen der Meinung, transparent genug zu sein, finden andere immer noch Reserven bei der Ausfüllung der Begrifflichkeit.
    Ich bin gespannt, ob und was es da noch so an Ideen gibt. Aber wie eingangs gesagt, da Sie den Lesern den schweren Part überlassen haben und Ihre Vorschläge eigentlich nicht zu toppen sind, wird Sie das Ergebnis sicher enttäuschen. Falls es so kommt: Kopf hoch und weitermachen.

    • Bärbel auf 28. November 2015 bei 10:19
    • Antworten

    Wirklich ein Super-Artikel. Vor allem der Rückblick ins 11. Plenum war sehr amüsant. Ich hätte auch einen Vorschlag für das Unwort des Jahres. „Straßensperrung“. Ich meine damit nicht, dass der Begriff sehr originell wäre, aber wenn man sich die Mitteilungen der Stadtverwaltung aus den zurückliegenden 12 Monaten so durchliest, war das wohl das am häufigsten verwendete Wort.
    LG und eine gesegnete Adventszeit
    B.

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