Ja ist denn heut schon Weihnachten?

Wenn man der eigenen nostalgischen Erinnerung oder wenigstens den Erzählungen unserer Ahnen Glauben schenken darf, hat Weihnachten seit Menschengedenken immer irgendwas mit Schnee zu tun. Nicht umsonst kommt der alte Zausel in den einschlägigen Liedern stets im Schlitten angeheizt. Vor diesem Hintergrund und den frühsommerlichen Temperaturen jenseits des Wohnzimmerfensters muss die folgende Frage einfach erlaubt sein: Ja ist denn heut‘ schon Weihnachten?

So ein Kalender, das haben schon der alte Julius und der noch nicht ganz so alte Gregor gewusst, ist nicht statisch. Und er beruht nicht nur auf astronomischen Kenntnissen, sondern auf mathematischen Grundlagen. Mengenlehre, Algebra, Gleichungen und so weiter…

Gehen wir also das vor der Tür stehende Fest einmal mathematisch an. Weihnachten ist am 24. Dezember. Lassen Sie uns dieses Datum als y bezeichnen. Weil nun Weihnachten ohne Schnee nicht geht, ist die weiße Pracht unser x und da Schnee als feste Größe für Weihnachten vorausgesetzt werden muss, kann er keine Variable sein, sondern ist eine feste Größe. Also x=1.

Weihnachten (z) ist also, wenn am 24. 12. Schnee liegt, oder mathematisch ausgedrückt, Schnee plus 24. Dezember gleich Weihnachten. Noch mathematischer ausgedrückt: x+y=z.

Wenn x (also Schnee) eine feste Größe (also 1) ist und am 24. Dezember (y) trotzdem Null davon vor der Tür liegt, kann an der Gleichung etwas nicht stimmen, weil z damit nicht erreicht wird. Zwei Werte stehen dabei nicht in Frage: Niemand wird daran zweifeln, dass am 24. Dezember der 24. Dezember ist und wie wir einleitend festgestellt haben, besteht auch kein Zweifel am Vorhandenseinmüssen von Schnee zu Weihnachten.

Mithin gilt also: an x und z gibt’s nichts zu rütteln. Demnach ist die Gleichung nur gültig, wenn y eine Variable ist. Das wiederum bedeutet, dass Weihnachten nicht am 24. Dezember gefeiert werden muss, sondern nur dann, wenn x=1 ist, also Schnee liegt. Wir könnten demnach getrost noch etwas warten mit der Bescherung. Vielleicht schneits ja im März?

Sie werden sich jetzt sicher fragen, wo es das Zeug gibt, das einen Menschen auf solche Gedanken bringt und wieviel davon man sich einwerfen muss? Die Antwort ist einfach, wird die Jüngeren und Wessis allerdings tief erschüttern.

santaEs gab da nämlich mal eine Zeit (und die ist noch gar nicht so lange her), in der wurde Weihnachten ganz anders gefeiert. Nix mit LED’s an der Tanne und Santa Claus im Smartphone.

Da kam der Weihnachtsmann noch schwarz-weiß, es brannten richtig Kerzen am Baum und die hellsten davon waren wir! Jawollja, wir, die Generation vor Robäärrt und Carmen Geissen. Das war eine Zeit, die war echt mega-unglaublich. Da gab es in den Betrieben sogar noch Weihnachtsfeiern für die Kinder der Betriebsangehörigen. Glaub Ihr nicht, liebe Kinder?

Weihnachtsfeiern für Betriebskinder

Doch, doch! In einem dieser Betriebe sitzt Ihr fast jeden Tag drin. Wo Euer neues Schulschiff jetzt durch die Ozeane des Wissens pflügt, befand sich früher die Rothe & Benkmann KG und da habe ich, Euer Märchenonkel, 1969 noch eigenfüßig stramm gestanden vorm Weihnachtsmann.

So richtig mit zwei Zentimeter Kackstift in der Hose und gestottert habe ich auch beim Aufsingen meines Liedes. Aber ich habs zusammengekriegt, ohne heimlich auf meinen eBook-Reader zu illern.

Wollmütze statt Triola

Gut, ungerecht war er damals schon, der Weihnachtsmann. Der Rotzer vom Parteisekretär bekam eine Triola und ich nur eine Wollmütze. Aber die Triola hat dem nichts genützt, als wir dann alle zusammen zum O-Bus gegangen sind.

Meine Wollmütze allerdings hat mir gleich gute Dienste geleistet. Warum? Ihr ahnt es sicher schon: Damals lag zu Weihnachten noch Schnee. Da kannste auf einem Plasteklavier blasen bis du schwarz wirst, das Hirn wird davon nicht wärmer. Von einer Mütze schon.

eisenbahnDie Bescherung zu Hause verlief ähnlich. Es gab zu jener Zeit oft nur ein Geschenk. Gerade deshalb haben wir uns aber darüber gefreut und es ist uns auch bis heute in Erinnerung geblieben.

Basteln unter Drogen

Bei den Jungs war es oftmals ein Accessoire für die elektrische Eisenbahn, die sich unsere Väter schon Anfang Dezember für uns aufgebaut haben. Und so saßen wir dann alle gemeinsam während der Feiertage am Tisch und haben Wohnhäuser, Windmühlen. Kirchen oder Bahnhöfe zusammengeklebt. Womit? Mit Duosan natürlich oder mit Kittifix.

Die ganze Wohnung roch danach. Heute schnüffeln Teenager sowas aus Plastiktüten, um danach ein paar Stunden high zu sein. Und da fragt Ihr noch, warum wir vor 40 Jahren so fröhlich waren, obwohl wir nur ein Geschenk bekamen und das auch noch selber zusammenbauen mussten? Wir waren quasi bis zur Schädeldecke zugedröhnt mit Lösungsmitteln.

Schnüffeln für gute Laune

Aber zumindest wisst Ihr jetzt, wie man auf solche Gedanken mit mathematischen Gleichungen kommt. Euer Märchenonkel bastelt nämlich auch heute noch gerne während der Feiertage und er hat auch ein paar Tuben von den klebenden Halluzinaten über die Zeit gerettet.

kitifixAuf seiner Eisenbahnplatte wollte er in den letzten Tagen direkt neben Stadtbad und Fußballstadion eine Kita bauen. Nicht zu fassen, wieviel Klebstoff dabei draufgegangen ist. Schon beim Erdgeschoss haben ihn die Kleber-Dämpfe auf den Trip seines Lebens gebracht.

Auf Trip mit Marilyn und Einstein

Dabei traf er den Weihnachtsmann, der ihm Marilyn Monroe schenkte, dann hat er mit Elvis noch einmal den Standort diskutiert und kurz bevor der Bau fertig war, kam der Rote Baron angeflogen und hat das ganze Ding weggebombt. Albert Einstein hat ihn schließlich getröstet und gemeint, das wäre alles nur relativ.

Als er am nächsten Morgen aufgewacht ist, konnte er erleichtert feststellen, dass er in Wahrheit noch gar nicht angefangen hatte mit dem Bau. Die offene Leimtube lag ausgehärtet auf dem Fußboden, die Werkstatt roch nach Lösungsmitteln und sein Spiegelbild zeigte das Gesicht von Horst Tappert. Okay, jetzt ist erstmal Weihnachten. Geht auch ohne Schnee, denkt er, während sein Blick auf die Leimtube fällt.

Das Team der Markranstädter Nachtschichten wünscht allen Leserinnen und Lesern frohe und gesegnete Weihnachten. Bleiben Sie uns gewogen. Und wenn Ihnen auf Ihrem Weinachtsspaziergang draußen ein paar Frühblüher begegnen, sehen Sie es doch einfach als Botschaft. Auch die Natur nimmt nicht alles so tierisch ernst.

 

2 Kommentare

    • dertho auf 24. Dezember 2015 bei 14:07
    • Antworten

    „Es ist sehr fraglich, ob Gänse, Karpfen und Truthähne das Weihnachtsfest als Erlösung betrachten.“(Verfasser mir leider unbekannt)
    Ich stimme den Worten des „Heimatlosen“ zu und wünsche ihm,dem Team der MN, und allen anderen ,ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest.

    • Heimatloser auf 23. Dezember 2015 bei 21:33
    • Antworten

    Früher hat man den Älteren immer zugehört, wie alles anders und vor allem besser war. Ich glaube heute sind wir die Alten. Mein Gott, wie schnell die Zeit doch vergeht. Ist morgen wirklich schon wieder Weihnachten?
    Ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest dem Team der Markranstädter- Nachtschichten

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