Raus aus dem Buddelkasten

Wenn Kinder beim Buddeln im Sandkasten ihren Kumpel verarschen, kann der sagen: „Ich spiele nicht mehr mit!“ Eine Stadt kann das nicht. Wahrscheinlich spricht man deshalb im Umgang zwischen Landkreisen und Kommunen nicht von Freunden, sondern eher von kommunalpolitischen Bedarfsgemeinschaften. Gestern wurde Markranstädt aus dem Buddelkasten des Landkreises geschmissen. Das Hotel Gutenberg wird Flüchtlingsunterkunft und im Rathaus gibt’s verkniffene Gesichter dazu.

Noch am 17. Dezember frohlockte die PR-Stabsstelle im Rathaus mit der Titelzeile „Hotel Gutenberg als Standort einer Asylbewerber-Unterkunft zunächst nicht mehr im Gespräch – Prüfung von Alternativen“. Das war sozusagen die kommunale Beruhigungspille für die Sicherung des Weihnachtsfriedens.

Dem im Lesen zwischen den Zeilen geschulten Ossi ist die in der Überschrift verwendete Terminologie „zunächst“ ganz sicher nicht entgangen. Liest sich ungefähr so wie die Formulierung „Frau im ersten Monat schwanger – Entbindung zunächst nicht vorgesehen“. Kommt aber ganz sicher – wenn man Mutti schont und ihre Trächtigkeit nur ausreichend zelebriert.

Die erwähnte „Prüfung von Alternativen“ ließ am 22. Dezember aber schon ahnen, dass seitens des Landkreises kein sonderlich großes Interesse besteht, die Entbindung hinauszuzögern. An jeder von der Stadt vorgeschlagenen Alternative hatte der Landkreis etwas auszusetzen.

Zwischen Einwänden und Vorwänden

Sogar die Fehrer-Immobilie, bis vor kurzem für traditionell anspruchsvolle und gewerkschaftlich wie gewerbeaufsichtlich betreute deutsche Angestellte als Arbeitsplatz noch gut genug, hatte für Asylbewerber plötzlich unannehmbare Schwächen, die von schlechten Lichtverhältnissen und ungünstigen Raumschnitten bis hin zu „na jaaaah“-Toiletten reichten. Die Nußbaum-Villa in der Nordstraße wollte sich der Beigeordnete des Landkreises danach schon am liebsten gar nicht mehr reinziehen.

Nach dem Prüfungsakt war im Rathaus so gut wie klar, dass es eine Entbindung geben wird. Aber es heißt ja nicht umsonst, dass man in anderen Umständen „guter Hoffnung“ ist und so hatte sich auch Bürgermeister Jens Spiske auf eine Art behördlichen Weihnachtsfrieden verlassen. Der läuft traditionell nach dem Dreikönigstag ab. Also nochmal Weihnachten im Kreißsaal inklusive Hechelkurs, Ultraschall und ständiger Kontrolle der Herztöne des Volkes.

Nach der Lektüre der heutigen LVZ-Ausgabe wird „uns Jens“ wohl einmal mehr die Erfahrung gemacht haben, dass ungeschriebene Gesetze oder Vereinbarungen nur unter Matrosen auf friesischen Kuttern als Worte unter Männern gelten, denn just am 6. Januar bekam er die Nachricht vom überhasteten Kaiserschnitt kursächsischer Staatsbedenkenträger.

Im Nachrichten-Ticker der Markranstädter Nachtschichten wurde schon am 23. Dezember vermeldet, dass die ersten internationalen Gäste bereits Ende Januar für touristischen Aufschwung in Markranstädt sorgen werden. Gut: Satire sollte man nicht sofort ernst nehmen. Sie wird immer erst später wahr. Aber auch diese Erkenntnis ist Folge eines Lernprozesses. Auch für die, die sich entgegen der publizierten Geschlossenheit des Stadtrats der Leistung ihrer Unterschrift unter ein entsprechendes Statement entzogen haben. Warum auch immer.

Städtische Enklave?

Offiziell insgesamt 160 (inoffiziell bis zu 180) Flüchtlinge sollen in das für 90 Personen und gegenwärtig auf Grund gewisser Mängel angeblich sogar nur für 72 Personen zugelassene Haus einquartiert werden. Die ersten Ankömmlinge von der Balkan-Route würden Ende Januar einziehen.

Da darf man gespannt sein, wie der Landkreis der Markranstädter Bürgerschaft die diesen Merkmalen zugrunde liegende Entscheidung  verkaufen will. Inklusive Zaun und Spielplatz am Krakauer Teich.

Klar schaffen wir das! Müssen wir auch, denn schließlich wollten wir alle das totale Asylrecht. So stehts im Grundgesetz und daran ist nicht zu rütteln. Nur das Finanzministerium darf rückwirkend Gesetze ändern.

Die Sache mit dem Asyl wäre auch zu schaffen, wenn das mit der Integration funktionieren würde. Die kann aber nicht funktionieren, wenn man eine Stadt in der Stadt errichtet und damit lediglich die Entwicklung einer Parallelgesellschaft zulässt.

Allerdings muss sich der Landkreis nach all dem Primborium einige Fragen gefallen lassen, die ihn in arge Bedrängnis bringen können. So ist man in Borna diversen Bekundungen zufolge bereits seit September vorigen Jahres in Verhandlung mit einem potenziellen Käufer des Hotels. Kein Unbekannter in diesem Marktsegment internationaler Gastronomie, wie die Markranstädter Nachtschichten bereits berichteten. Stasi hin oder her: Mit der Option einer mehrjährigen Mietgarantie durch die Öffentliche Hand ausgestattet, sollte selbst der Bewohner eines finanziellen Sauerstoffzeltes mit geschwellter Brust von einem Besuch bei seinem Banker zurückkehren können. Baulöwe Schneider hat’s einst vorgemacht.

Vor diesem Hintergrund darf die Frage nach Begünstigung privatwirtschaftlicher Unternehmungen durch die Öffentliche Hand oder wenigstens nach einer rechtswirksamen Ausschreibung des Ansinnens erlaubt sein. Das wird ganz sicher noch geklärt werden müssen, denn koscher riecht das bei weitem nicht. Abseits juristischer Fragestellungen sollten zwar auch noch ethische Bedenken zu dem Vorgang gelten dürfen, doch dieser Moralbegriff scheint angesichts der Kaltschnäuzigkeit, mit der die Meinung des Markranstädter Bürgertums und deren gewählter Vertreter ignoriert wurde, bereits an den Klippen der neuzeitlichen Finanzdemokratie zerschellt zu sein. Weit vor den Küsten von Lesbos oder Lambedusa.

Der Vorgang hat aber auch sein Gutes. Es wird selbst den Dümmsten und Braunsten unter uns immer klarer, dass nicht die Flüchtlinge das Problem des Flüchtlingsproblems sind, sondern die Welcome-Organisatoren. Die endlich mal zu integrieren, das ist die eigentliche Herausforderung, vor der unser Abendland steht. Wir sollten sie unterschreiben lassen, dass sie unser Grundgesetz gelesen haben und es anerkennen. Mit allen Konsequenzen, die auch für Asylbewerber immer wieder gefordert werden. In unserer demokratischen Gesellschaft ist einfach kein Platz für Monarchen.

 

10 Kommentare

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  1. Zum einen würde meine Meinung zu diesem Thema die leser nur verunsichern, und zum anderen „Dann ist dies nicht mehr mein Deutschland“. Aber keine Angst Markranstädt, „Ihr schafft das“

    1. Wieso „Ihr“? Zählen Sie nicht mehr dazu???

  2. Hohen Zaun darum herum 24 h Wachdienst, der Taschen kontrolliert und keine jungen Männer, dann wäre es auszuhalten.

    1. Hmmm … jeder Lösung, die nur aus einem Satz besteht, fehlen die Ö-Striche.

    • Klaus Schuster auf 6. Januar 2016 bei 19:32
    • Antworten

    Alle macht geht vom Volke aus, nur bei uns nicht. Wie zu DDR Zeiten bloß noch schlimmer, mich kotzt das alles so an

    1. Nicht Macht mit Freiheit verwechseln! Wir haben jetzt die Freiheit, unsere Macht nicht zu nutzen. Das ist doch auch was, oder?

  3. Diese Regierung entmündigt nicht nur die Volksvertreter unserer Stadt-sie entmündigt auch alle Wähler,die unsere Abgeordneten gewählt haben. Das Schlimme ist ,es betrifft jede Stadt ,jedes Bundesland und das Ganze ungestraft. Sie wurden von nur 50% der Menschen gewählt.Ich wünsche mir diese 50 % vergessen niemals bis zur nächsten Bundestagswahl, was jetzt geschieht.Und dann sollten die restlichen 50 % wieder zur Wahl gehen.Wir können uns hier die Finger wund schreiben-das findet noch kein Gehör. Das Kreuz 2017 entscheidet über Deutschland.

    1. Tja – und genau dieses Kreuz sollte gut überlegt und nicht aus Frust an anderer, aber trotzdem falscher Stelle gesetzt werden. Man darf gespannt sein, was bis dahin noch passiert. Gestatten Sie eine andere Frage: Woher haben Sie die 50 Prozent? Das sind ja Werte … da wäre sogar die Duma stolz!

    • Bernd Schumann auf 6. Januar 2016 bei 11:50
    • Antworten

    Ich möchte mich für den herzerfrischenden Artikel jenseits der gleichgeschalteten Mainstreampresse und der Schwarzmalerei bedanken! Die Behandlung der Entscheidungsträger in den Kommunen durch die jeweils übergeordneten „Organe“ übertrifft mittlerweile das mir aus 40 Jahren DDR bekannte behördliche Verhalten. Willkommen in der DDR 2.0! Wenn weder der BM noch die Stadträte in solche, direkt die Kommune betreffende Entscheidungen stimmberechtigt mit einbezogen werden, braucht man sich im Nachgang über den Unmut der Bürger nicht zu wundern! Aber vermutlich sind auch schon die in Teilen der bundesrepublikanischen Wirklichkeit bereits bestehenden Parallelgesellschaften hier mit einkalkuliert.

    1. Für solche Ehrenbezeugungen ind wir immer zu haben. Vielen Dank! Ihre Gedanken sind ja absolut nachvollziehbar, dennoch die Frage: Haben Sie etwas Anderes erwartet? Im demokratischen Zentralismus sollten die Entscheidungen von unten nach oben zur Reife gebracht werden. In Wahrheit war es genau umgekehrt. Heute gehts zwar auch noch von oben nach unten, aber da wird wenigstens nicht das Gegenteil behauptet. Fazit: Wir werden zwar nach wie vor verarscht, aber jetzt eben ehrlicher 😉

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