Während sich draußen auf dem Marktplatz rund 20 „Markranser mit Herz und Verstand“ zu ihrer zweiwöchentlichen Kundgebung mit anschließendem Spaziergang trafen, nahmen in der vierten Etage ebenso viele Stadträte und sicher noch einmal rund 20 interessierte Bürger Platz. Die 18. Sitzung des Stadtrates stand auf dem Programm.
Nach dem üblichen Vorspiel mit Eröffnung und allerlei protokollarischem Tamtam begann die Sitzung für einige der Anwesenden mit einem Paukenschlag. Der Bürgermeister informierte die Anwesenden darüber, dass der SSV Markranstädt einen neuen Vorstand gewählt hat.
Dass da beim SSV immer mal wieder was passiert, das die Öffentlichkeit überrascht, ist nicht neu. Nach außen präsentierte sich der Vorstand fast schon traditionell eher wie eine geheime Freimaurerloge als ein transparent arbeitenden Verein, der Publikum braucht. Da würde sogar die Nachricht über eine neue Türklinke am Stadion wie eine exklusive Schlagzeile wirken.
Wenigstens das Ergebnis dieser Wahl ist aber zu sehen. Auf der Vorstandsseite wurden die Fotos von Holger Nußbaum und Andreas Stammkötter entfernt und das Konterfei von Diethelm Franz als neuem Vorsitzenden und Finanzminister gezeigt.
So konnte der Bürgermeister auch Fragen, ob der alte Vorstand entlastet sei, nicht beantworten. Muss er auch nicht, denn ob, wann und wen man da wählt, ist allein Vereinssache. Dass es bei anderen Clubs usus ist, die Öffentlichkeit und damit vor allem die eigene Fangemeinde zu informieren, ist keine Pflicht. Wohl aber eine Kür, die zum guten Ton gehört. Da man schon in der Vergangenheit etwas verkniffen mit diesen fakultativen Aufgaben umgegangen ist, kann man seine Fans heute allerdings gut und gerne in persönlichen Einzelgesprächen informieren. Deren Zahl ist wahrscheinlich nicht einmal mehr dreistellig. Sicher auch eine Folge der von einer Überdosis Imodium akut geprägten Außendarstellung.
Stauffenbergstraße
In der Bürgerfragestunde fiel dann bei den Antworten des Bürgermeisters des öfteren der Begriff „Stauffenbergstraße“. Ganz gleich, ob es um Fragen zur Frankenheimer Schranke ging, um eine zeitweise über die Priesteblicher Straße zu führende Umleitung oder um eine vom Technischen Ausschuss abgelehnte Kaminholz-Trocknungsanlage in Quesitz: Die Zuständigkeit für die Beantwortung der gestellten Fragen liegt beim Landkreis in Borna. Dass man nun dahin Briefe schreiben oder sich gar persönlich nach Borna begeben muss, ist dann wohl eine der Folgen vielgepriesener Effizienz moderner Verwaltungsstrukturen und leistungsfähigerem Bürgerservice.
Im Anschluss wurde Gerhild Landeck das Wort erteilt. In einer für Markranstädter Verhältnisse ungewöhnlich offenen und eloquenten Art beschrieb sie, was Ehrenamtler in Markranstädt gegenwärtig so alles leisten und verwies auch ausdrücklich darauf, dass bei aller Hilfe für Asylbewerber nicht die hilfebedürftigen Einheimischen vergessen werden dürfen. Für Ihre Ausführungen erhielt Gerhild Landeck starken Applaus und von Stadträtin Dr. Barche kam schlussendlich die Idee, diesen Bericht im Amtsblatt allen Markranstädter Einwohnern zugänglich zu machen.
Keine Wahlanfechtungsklage
Unmittelbar danach hat der Stadtrat Siegward Vitz als stellvertretenden Stadtwehrleiter inthronisiert. Spiske hatte zuvor dargestellt, dass die Wahl geprüft wurde und man zu dem Fazit kam, dass das Ergebnis des Urnengangs unstrittig sei.
Schade eigentlich. Nach vier langweiligen Jahren hätte Markranstädt eine Wahlanfechtungsklage mal wieder gut zu Gesicht gestanden. Einfach nur der Unterhaltung wegen. So aber verliert die Stadt am See mehr und mehr ihren Ruf als Hort streitbarer Geister, weil sich die verbalen Gemetzel ausschließlich in sozialen Netzwerken abspielen, in denen ohnehin niemand mehr so richtig ernst genommen wird.
Geld umschaufeln
Ja, was gabs sonst noch? Die Sanierung des Sportcenters geht weiter, wird aber auch noch ein Stück teurer. Im Zuge der Errichtung der Drainage stieß man auf alte Fundamente, die zumindest partiell zu beseitigen waren. Da musste wieder mal Geld umgeschaufelt werden.
Zum Glück für den Sporttempel und zum Unglück für die Anwohner der Karlstraße wird die Sanierung Letzterer frühestens im kommenden Jahr beginnen, so dass das dafür eingestellte Geld dem Sportcenter zugute kommen kann. So jedenfalls war die finanzielle Transaktion für die Laien auf den Zuschauersitzen zu verstehen.
Da kann man eigentlich wieder einmal nur froh sein, dass es in Markranstädt während des Dritten Reiches keine Nazis gab. Wären die jetzt im Umfeld des Sportcenters gefundenen Fundamente Reste einer Bunkeranlage gewesen und nicht eines maroden Industriegebäudes, dann hätten dafür wohl nicht einmal die für das Klo an der Oststraße eingestellten 0,15 Millionen Euro gereicht.
Genau dieses Toilettenprojekt bediente dann auch die satirische Seite der Stadtratssitzung. Hier hatte der zuständige LVZ-Redakteur unter der Woche nachhaltig seine Ambitionen unterstrichen, später mal seine Rente bei den Markranstädter Nachtschichten aufbessern zu können. Die Ausführungen zum Quasi-Baustopp wegen fehlender Finanzierung waren mit satirischem Biss par excellence garniert. Da hatte das MN-Team gar nicht erst den Versuch unternommen, das zu toppen, sondern konnte sich nur ehrfurchtsvoll verneigen.
Beschluss im Klo runtergespült
Ganz so lustig fanden die Abgeordneten diese Entwicklung jedoch nicht. Immerhin hat die Landesdirektion den Beschluss der Stadträte durch einen Pfropfen in der Fördermittelleitung einfach vom Tisch gewischt. Dabei hatten sie sich doch so viel Mühe gegeben, unsere Stadträte und das Bauamt. Varianten wurden erarbeitet, schon ordentlich Geld in die Erschließung versenkt und sogar für den Rückbau des Altbaubestandes hatte man eine ebenso kostengünstige wie schnelle Lösung ohne lange Antragswege und Formalien gefunden. Schlussendlich konnte man sich sogar auf einen stattlichen Einzylinder mit Dusche und ohne diskriminierende Trennung der Geschlechter einigen. Begriffe wurden geprägt, die vom „Toilettenschlösschen“ bis zu „Schloss Harnstein“ reichten und nun wurde all die Kreativität in die Baugrube gekippt.
Andererseits ist das auch verständlich. Es ist dem Steuerzahler sicher schwer zu vermitteln, dass er für Markranstädt einen Lokus bezahlt und die Stadt wiederum sämtliche Einnahmen aus der Vermarktung des Guinessbuch-Rekords für das teuerste Duschklo der Welt selbst einstreicht. Das ist ungerecht und musste deshalb verhindert werden.
Auf der Suche nach einer kostengünstigen Alternative wird man wohl nicht umhin kommen, sich eine gedankliche Anleihe bei der freien Wirtschaft zu nehmen. Dort muss man nämlich immer sparsam sein und hat dafür allerhand interessante Modelle gefunden. Warum also nicht mal in Panama bei der renommierten Anwaltskanzlei Mossack Fonseca nach einer Briefkastentoilette anfragen? Konstruktive Lösungen für die Damenwelt werden die da zwar auch nicht gleich aus der Schublade ziehen können, aber zumindest für die Herren sind die üblichen Modelle durchaus nutzbar. Man muss halt nur aufpassen, dass mitten beim Geschäft nicht die Klappe runterfällt…
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