Der Pfingstmontag musste verdaut werden wie ein Opernbesuch in Bayreuth. Leipzig hat mal wieder musikalisch Zeichen setzen wollen und irgendwie hat das sogar geklappt. RB hat eine neue Hymne, die Gruppe Silly eine neue Fangemeinde und die LVB verstießen gegen das Grundgesetz, weil nur rb-beschalte Menschen umsonst Straßenbahn fahren durften. Das muss man erst mal sacken lassen.
Sie traten in den falschen Uniformen auf, die Mitglieder von Silly. Statt RB-Trikots trugen sie Hemden von Dynamo Dresden, Leibchen von Union Berlin oder Shirts von Hansa Rostock. Das geht ja gar nicht aus Sicht der Roten Bullen und ist vergleichbar mit einem Fahrkartenkontrolleur, der in Post-Uniform Tomatensaft an Lufthansa-Passagiere ausschenkt.
Da konnte sie im Gleichschritt unverzüglich wieder von der Bühne treten, die Silly-Familie. Zugleich zeigt diese Tatsache aber auch, dass es weder um Musik noch Gesang oder sonstwie um Kunst ging, sondern um eine Art paramilitärische Vergatterung mit Gottesdienst-Charakter. Was da zum Besten gegeben werden sollte, war zweitrangig gegenüber dem, was man an Textilien trug.
Wie Blei in den Rahmen gegossen, erfüllt auch die neue Hymne des Brause-Vereins all diese Merkmale. Sebastian Krumbiegel präsentierte eine sehr, seeeehr getragene Weise, bei deren Abgesang man förmlich zu sehen glaubt, wie sich ein Promi-Team aus ehemaligen Politbüromitgliedern mit dem Aktionsradius eines Bierdeckels wieder und wieder den Angriffswellen des Gegners beugt.
Eine schier nicht enden wollende Sakral-Operette ist da entstanden, die nicht nur das Zeug zur Hymne hat, sondern auch als letzter Gruß beim Abschied von verdienstvollen Funktionären taugt. Okay, Siegerhymnen klingen meist etwas zackiger. Wenn Ferrari beispielsweise gewonnen hat und die italienische Hymne erklingt, dann zuckt’s automatisch im Fuß und folglich auch im Gaspedal.
Die neue RB-Weise hat als Tempoangabe dagegen eher ein Larghissimo oder wenigstens ein Grave verordnet bekommen. Der Vorteil: Man braucht bei der Darbietung kein Metronom. Es reicht, wenn man sich beim Takt nach dem Minutenzeiger der Stadionuhr richtet. Auch in gesanglicher Hinsicht ist das musikalische Meisterwerk eine Herausforderung, selbst für gregorianische Chöre. Man darf gespannt sein, wie es von einer Fangemeinde interpretiert wird, deren Mitglieder zumindest mehrheitlich noch in Besitz ihrer Hoden sind.
Außerordentlich variantenreich, mit viel überraschendem Witz versehen und wirklich inspiriert in Verse gegossen, präsentiert sich nicht zuletzt auch der Text des gewaltigen Poems.
In seinen 24 Zeilen kommt 12 mal der Begriff „RB“ vor. In Waldorf-Schulen wird sowas schon ganz gerne mal als „lernfreundlicher Text“ bezeichnet. Male grünen Rasen und tanze den Namen von Ralf Rangnick dazu.
Und mittendrin die entscheidenden Zeilen:
Für Stil bekannt nicht nur in diesem Land
Natürlich außer Konkurrenz
Wegen Intelligenz
Wir woll`n uns nicht loben
Sie wollen sich nicht loben. Nein, wirklich nicht. Die Anspielung auf konkurrenzlosen Stil und ebensolche Intelligenz ist wahrscheinlich nur der intellektuellen Unterforderung beim Schmieden der Verse zuzuschreiben. Sozusagen rein zufällig aus der Feder gehuscht und auf die Schnelle nicht mehr wegzuradieren.
Wie dem auch sei: Die Roten Bullen haben ihre neue Hymne. Nicht auszuschließen, dass sie auch die im Markranstädter Stadtpark heimische Vogelwelt demnächst vom Nestbau im Lautsprecher abhalten wird.
Jetzt wirds hymnisch
Da wird’s doch Zeit, dass wir uns auch mal eine eigene Hymne gönnen, oder nicht? Immerhin befindet sich in unserem Stadion am Bad der Uterus der Roten Bullen, auch wenn der über das Stadium akuten Kindbettfiebers nie hinausgekommen ist.
Also hier mal ein erster Versuch. Zur Erklärung: Texte von Hymnen sind in der Regel austauschbar.
Unser einstiges „Auferstanden aus Ruinen“ passt beispielsweise haargenau zur Melodie unseres heutigen „Einigkeit und Recht und Freiheit“ und umgekehrt ist das natürlich auch der Fall. Probieren Sie es ruhig mal, Sie müssen es ja nicht gleich lauthals versuchen und erst recht nicht im Büro.
Jedenfalls passt unser Textvorschlag zu beiden Hymnen.
Ode an das Leder
Prall gefüllt und rund, aus Leder,
stellt man sich einen Fußball vor.
Und in Markranstädt holt jeder
Gegner ihn aus seinem Tor.
Prall gefüllt und rund, aus Leder,
so war früher, ganz genau,
jeder kleine Zentimeter
der Mutterkuh des SSV.
Prall gefüllt und rund, aus Leder,
war’n die Bullen, die sie warf
und die heute wirklich jeder
in allen Höh’n besingen darf.
Prall gefüllt und rund, aus Leder,
war die Börse dann recht fett,
nach der Geburt der Torejäger,
dieser Bullen, ach so red.
Prall gefüllt und rund, aus Leder,
war’s Euter einst der Mutterkuh.
Aber heute weiß ein jeder:
Ein leerer Beutel macht nicht „Muh“!
Lang gesogen, leer und faltig,
baumelt nun am Stadiontor,
was früher einmal so gewaltig
prall gefüllt aus Leder war.
Na ja, so ungefähr jedenfalls könnte es klingen. Mit einer finanziellen Motivationsspritze aus Österreich wäre sicher mehr dabei rumgekommen. Irgendein rhetorisch sinnstiftendes SSV, SSV, SSV, SSV, SSV, SSV, genau, genau, genau! Oder sowas in der Art eben.
Kunst ist Waffe und je teurer, desto schießt sie … wenn man die richtige Uniform trägt.
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