Neues aus der vierten Etage (21)

Schlechtes Timing von der UEFA, ausgerechnet an einem ersten Donnerstag im Monat das Halbfinale der EM als Kontrastprogramm zur vierten Etage anzusetzen. Eine Tagesordnung mit 17 Punkten, im Schweinsgalopp durchritten, dass es einem im Urlaub befindlichen Stadtoberhaupt mit uniformierter Eilmarsch-Erfahrung zu allen Ehren gereicht hätte. Immerhin gab es aber nach jeder Zustimmung der 16 oder sagen wir 17 Stadträte ein Dankeschön der Beigeordneten.

Aber zurück zum Anfang. Mit Überraschung stellten die trotz der am Abend angesagten volkeseinigenden Fußballübertragung aus dem Nachbarland erstaunlich zahlreich erschienen Bürger fest, dass da wohl jemand eine Regeländerung veranlasst hatte. Die Saaltür blieb verschlossen, da der nichtöffentliche Teil der Sitzung vorverlegt wurde. Die Verlängerung vor dem Anpfiff sozusagen.

Ob des lauten Getrampels auf der hölzernen Treppe wurde diese jedoch unterbrochen, um dem gemeinen Volke Einlass zu gewähren. Und los ging die stabsmäßige Abarbeitung der Tagesordnung. Da wurden dann auch mal die Nummern vertauscht oder am Ende gar nicht mehr vorgetragen, um Zeit zu sparen.

Im Ergebnis schaffte der Markranstädter Stadtrat etwas, das ihn von den 22 Rasenakteuren plus Referees in Marseille unterscheiden dürfte – eine Spielzeit von weniger als 90 Minuten.

Ganz ohne Diskussionen ging es dann aber doch nicht. Schon die monatlich wiederkehrende Wortmeldung eines besonders energischen Bürgers brachte eine Spielunterbrechung ohne größeren Erkenntnisgewinn. In gewohnt scharfzüngiger Eloquenz wandte er sich an den urlaubsbedingt verhinderten Bürgermeister.

Dessen Vertretung konnte jedoch auch keine belastbaren Aussagen bezüglich der Notdurft-Frage am Kulkwitzer Gestade oder der Verkehrsbarriere in Frankenheim machen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, da diese Themen später auch teilweise von den Stadträten aufgegriffen wurden.

Der geneigte Zuhörer konnte da schon gewisse Untertöne öffentlichkeitswirksamer Profilierung heraushören. Immer diese Schiedsrichter.

Dann wurden flugs ein paar Satzungsänderungen für die Straßenreinigung in Großlehna und selbstverständlich auch in Altranstädt sowie für deren Gebühren beschlossen. Nun herrscht wieder sauberer Friede in der Ortschaft.

Ein privater Investor will die alte Kita im Hinterland des Handwerkerhofes dem Erdboden gleichmachen und Neues schaffen, wofür der Bebauungsplan geändert werden musste. Da gab es keinen Disput und keine Gegenstimmen.

Zeitspiel der Fußball-Muffel

Fragen kamen dann schon eher bei der Beschlussfassung zur Vermarktung der Grundstücke im Gewerbegebiet „Ranstädter Mark“ durch die stadteigene MBWV auf. Und Sorgen um künftige Erschließungskosten oder die Ausgewogenheit von nachbarschaftsverträglichem Gewerbe und sozialem Wohnungsbau.

Stolz verkündete die sitzungsleitende 1. Beigeordnete schließlich die Leistungen der Kämmerei bei der Aufstellung der Eröffnungsbilanz 2013, soll heißen die Sisyphusarbeit beim Zählen und Bewerten all der im Besitz der Stadt befindlichen Grundstücke, Gebäude, Bushäuschen, Straßenlaternen und –schilder und und und.

Die interne Rechnungsprüfung ergab: Alles im Lot und im gesetzlichen Rahmen. Da ist man als Bürger doch beruhigt

Also Friede, Freude, Eierkuchen im Städtchen? Nicht wirklich. Schnell wurden noch ein paar Mehrausgaben für Kita-Betriebskosten und die Kreisumlage beschlossen. Und schon wurde einer Stadträtin, die sich offen dazu bekannte, kein Fußballfan zu sein, die gelbe Karte vor die Nase gehalten. Der Anpfiff des Halbfinales war in Gefahr und deshalb wurde von der gegenüberliegenden Fraktion, die teilweise sogar im Nationaltrikot aufgelaufen war, wegen reichlicher Nachfragen Zeitspiel reklamiert.

Viele kleine Nickligkeiten und taktische Fouls prägten die letzten Minuten der Begegnung. Beim Blick auf die Stadionuhr wurde der Ton aber letztlich wieder sachlich. Schließlich ging es erst auf halb acht zu, ein gewisses Füßescharren unter dem Ratstisch war trotzdem nicht mehr zu überhören.

So wurde auch gar nicht mehr allzu lange über das neue Lieblingsthema – das unglaublich liebreizende, ganz leicht baufällige Denkmal an der zentralen Kreuzung der Kernstadt – debattiert. Im August wollen sich die Denkmalschützer des Landes und Landkreises ein Bild von selbigem machen. Ach wie schön wäre es doch, diese Ecke stadtplanerisch neu entwickeln zu können. Schon kamen ganz erstaunliche Visionen von etwaigen LKW-Unfällen oder Feuerwehreinsätzen zutage.

Gut, dass die meisten Anwesenden an diesem Abend noch etwas anderes vorhatten. Wer weiß, welche Kreativität sich sonst noch entfaltet hätte? Und so schloss um kurz vor acht Uhr der öffentliche und keine 10 Minuten später auch der nicht öffentliche Teil der 21. Show in der vierten Etage. Rechtzeitig für alle, die es dringend zum single, family oder public viewing zog.

 

3 Kommentare

  1. Auch ich gehöre zu jenen Leserinnen, die nur einmal oder zwei- bis maximal dreimal pro Monat die Nachtschichten lesen. Dann aber ausführlich und lange und mit viel Vergnügen. Der Artikel zum Stadtrat ist von seiner Aussage her fast deckungsgleich mit dem der LVZ und das stimmt mich nachdenklich. Auch wenn bei Euch wieder mal herrliche Assoziationen dabei sind, war es doch wohl so, dass König Fußball den Rhythmus diktiert hat und das kein satirisches Stilmittel ist, sondern pure Realität. Da kann man von Glück sagen, dass es nur um bauliche Anlagen ging, aber es kommt vielleicht der Tag, da es um Menschenschicksale geht und gerade ein WM-Finale ansteht? Na gut – bis dahin eine schöne Zeit und danke für den wieder mal erfrischend-erleuchtenden Bericht aus der 4. Etage.

    1. Danke für den Kommentar. Wir haben uns erlaubt, ihn zu korrigieren und aus unserem „erfrischend-erlauchtenden Beitrag“ einen „erfrischend-erleuchtenden“ zu machen. Das war doch so gemeint, oder?

    • Manfred Schwung auf 9. Juli 2016 bei 9:57
    • Antworten

    Ein „goldenes Klo“ für über 150.000,00 Euro was Keiner braucht

    Als aufmerksamer Leser und Fan der „Markranstädter Nachtschichten“ möchte ich heute zu dem nicht wahrgenommenen „größeren Erkenntnisgewinn für die so liebevoll bezeichnete Spielunterbrechung“ ein paar Worte verlieren!

    Sicher war es schon früh am Morgen im „Redaktionsbunker der MN“, sodass die umfangreiche Bürgerfrage/Diskussionsbeitrag mit vier erläuternden und beweisenden Anlagen im Schein des Dämmerlichts der Nacht unter den Tisch gefallen sind!
    Diese Dokumente liegen der regionalen Presse und Medien vor, also auch den MN!

    Aber nun zu dem ersten Teil des nicht wahrgenommenen „Erkenntnisgewinns“!
    Am 22.06.16 fand ein Bürgerdialog beim Chef der Regierungsbehörde/Landesdirektion Leipzig mit zwei Bürgern aus Markranstädt zu der mit Fördermittel geplanten Errichtung des „goldenen Einzylinder Klos“ für über 150.000,00 Euro, statt. Dieses Projekt wurde nachvollziehbarerweise abgelehnt! Nun brauchen wir aber öffentliche Toiletten die seit sechs Jahren im B-Plan und im Grünen Leitbild der Stadt für das Westufer am Kulki geplant und vorgesehen sind und die es bis heute immer noch nicht gibt.
    Erst kürzlich hat unser “Stadtoberhaupt“ offiziell erneut verkündet, dass es dazu keinerlei Aktivitäten/Maßnahmen und Aufträge für die zwei dringend benötigten öffentlichen Toiletten (eine am Strand und eine an der behinderten Badestelle) gibt!

    Und nun kommt der 1.NICHT WAHRGENOMMENE ERKENNTNISGEWINN!
    Nach Aussagen am 22.06.16 in der Landesdirektion Leipzig kann der Bürgermeister, die Stadt oder das Bauamt JEDERZEIT für die „Touristische Erschließung“ einen gut begründeten Fördermittelantrag mit Konzept und Planungsunterlagen für die Errichtung der zwei benötigten öffentlichen Toiletten, einreichen und bestätigt bekommen!
    MAN MUSS ES NUR WOLLEN UND MAN MUSS ES NUR TUN, DANN GIBT ES AUCH ENDLICH ÖFFENTLICHE TOILETTEN 2017 AM KULKI!!!!!

    Und nun zum 2. NICHT WAHRGENOMMENEN ERKENNTNISGEWINN!
    Im auch übergebenen „100 Tage Programm des Bürgermeisters Spiske von 2012“ gibt es das Versprechen, das ein „Tragfähiges Verkehrskonzept für Markranstädt“ erarbeitet wird!
    Jetzt nach fast 1000 Tagen im Amt liegt dieses Konzept immer noch nicht vor! Es gibt u.a. keine Lösung des Schrankenproblems in Frankenheim, es gibt die seit über einem Jahr versprochene Bürgerbefragung dazu nicht und die geforderte und versprochene kostengünstige, öffentliche Anbindung der Priesteblicher Straße an die Straße An den Windmühlen liegt auch noch nicht vor!
    DER BÜRGERMEISTER MUSS ENDLICH AUCH DIE SEIT JAHREN VERSPROCHENEN VERKEHRSPROJEKTE REALISIEREN!
    NICHTS TUN BRINGT KEIN ERGEBNIS, WEDER FÜR DIE BÜRGER NOCH FÜR DIE STADT!

    Manfred Schwung

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.