Potz tausend: er hat’s geschafft!

„Tausendmal berührt, tausendmal ist nix passiert…“ Kaum eine Zahl steht mehr für Superlative als die Eins mit den drei Nullen. Die Winchester-Büchse „Eins von Tausend“ ist ebenso berühmt wie die Märchen aus „1000 und einer Nacht“ und Leipzig feierte erst jüngst sein 1000-jähriges Bestehen. Nun hat auch Markranstädt endlich seine Tausend. Sozusagen das 1000-tägige Reich. Bürgermeister Jens Spiske hat doch tatsächlich das erste Tages-Kilo auf dem Lallendorfer Thron überstanden.

Ob man heute bei der Bundeswehr, ebenso wie damals bei der NVA, noch ein Bandmaß abschneidet, um die verbleibenden Tage zu zählen, sei dahingestellt. Auch die Tatsache, dass er normalerweise schon runde 1500 Tage im Amt gewesen sein müsste, soll an einem Tag wie diesem hinter dem Vorhang der Barmherzigkeit bleiben.

Fakt ist: Jens Reiner Spiske ist genau heute 1000 Tage im Amt. Da kann man schon mal einen kleinen Rückblick zelebrieren. Gerade satirisch haben diese tausend Tage einiges an Inhalt geboten und ein paar passende Fotos haben wir auch noch im MN-Archiv gefunden.

In den weit zurückliegenden, amtsfernen Zeiten fuhr der Mann noch standesgemäß mit einem Fahrzeug zur Stadtratssitzung vor, das wie eine Blase auf dem Asphalt daher kam. Wollte er etwa auf der Mitleidsschiene Wählerstimmen haschen? Wenn ein Mann mit breitem Kreuz (das ein Bürgermeister haben sollte) so eine Gehhilfe fährt, kann es schon mal aussehen, als würde er nicht einsteigen, sondern es anziehen.

maf

Als Bürgermeister darf man sich schon mal im MAF fahren lassen. Aber standesgemäß auf der Rückbank.

Und weil es passieren kann, dass man damit in der Dresdener Staatskanzlei zum Lieferanteneingang gewunken wird, steht heute ein schmucker Audi auf dem Parkplatz, dessen Kennzeichen an Dienstagabend 21:45 Uhr in den 80-er Jahren erinnert.

Alles beim Alten

Ansonsten ist, wie man im Rathaus immer mal wieder hört, „alles beim Alten“. Auch die vorübergehend geschaffene Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit ist wieder verwaist, das PR-Aquarium im ersten Stock steht leer. Das unterdrückte Lachen der Stadträte bei Bekanntgabe der Initiativbewerbung ist ebenfalls längst verhallt.

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Stippvisite auf der Berufsorientierungsmesse „MUM“. Es muss ja auch danach irgendwie weitergehen.

Überhaupt stellt sich in der öffentlichen Wahrnehmung die Personalsituation als ergiebigster Quell satirischen Gedankenguts dar. Hier fährt das Stadtoberhaupt konsequent die Linie seiner Vorgängerin weiter. Was haben die einst neue Kämmerin, die jetzt neu-neue Kämmerin und die einstige Sprecherin gemeinsam? Genau! Allerdings stellen die aus dem Radonschen Beutegut übernommenen Mitarbeiterinnen nachhaltig unter Beweis, dass blondes Haar nicht das ausschließliche Einstellungskriterium darstellt und erst recht nicht ein Garant für Scheitern ist.

Scheitern kann man auch als akademisch geadelte Dunkelhaarige, was nicht heißen muss, dass sie auch von der Gehaltsliste oder zumindest von der Soll-Seite des städtischen Kontos verschwinden muss. Auch werden sich deren Spuren im städtebaulichen Ensemble sicher noch eine Weile halten, ohne freilich je Denkmalcharakter zu erlangen. Andere Humanressourcen sind „plötzlich und unerwartet“ von selbst gegangen. Klingt nach einem traurigen Anlass, aber das scheint nur so. Sie leben heute besser als damals.

Ja, was gab es da nicht alles in den letzten tausend Tagen? Einen Klarstellungsbeschluss zum Beispiel. Kein Duden oder Lexikon, in dem dieser Begriff zu finden ist. Immerhin hat er schon mal ein paar Bäume gekostet, die eine Rückkehr zu eventuellen Alternativen wie ein kommunalpolitisches Bollwerk verhindern.

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Einfach mal draufklicken und genießen. Der Kaiser singt für den König.

Und nimmer müde wurden aufmerksame Geister der Stadt, ihren neuen König nahezu tagtäglich und gebetsmühlenartig an seine einstigen Versprechen zu erinnern. Als da wäre beispielsweise die Mär von der mangelnden Transparenz. Das ist wirklich sehr oberflächlich und geradezu populistisch gedacht. Man muss sich nur mal an einem Sommertag in die vierte Etage begeben und der Zusammenkunft unserer örtlichen Duma beiwohnen.

Da merkt man schnell, dass der Plan von der Transparenz längst übererfüllt ist. Transparenz ist die substantivierte Form des Verbs transpirieren und wahrlich: Wer nur eine halbe Stunde da oben verbracht hat und sich danach das Hemd unter seinen Achselhöhlen betrachtet, wird nie wieder was von mangelnder Transparenz faseln! Man ist hinterher wie frisch geduscht und selbst die Abgase der mautflüchtigen LKW auf der Leipziger Straße nehmen die Lungen wie eine Prise reinster friesischer Seeluft auf.

Apropos vierte Etage: In der Anfangszeit gab es immer mal wieder Bitten aus dem Auditorium, dass der König seine letzten Silben wiederholen möge, da sie entweder nicht zu verstehen waren oder ohrentechnisch gar nicht ausgesprochen wurden. Hier hat sich gezeigt, dass sächsische Volksvertreter einen friesischen Häuptling durchaus erziehen können. Zwar spricht er noch immer nicht unsere Sprache, aber zumindest „gammer das, wassor da ohm in dor Hornzsche so alles lallen dud, heide viel bessor vorschdehn.“

Verständnisprobleme gab es trotzdem zur Genüge in den ersten tausend Tagen. Am deutlichsten spürbar war das im interkommunikativen Verhältnis zur lokalen Tagespresse. Zumindest war es für den Leser unterhaltsam, wenn sich der Fokus des investigativen Journalismus explizit auf Markranstädt zu richten schien. Das führte bisweilen auch zu einer Art Sprachlosigkeit, deren ohrenbetäubende Stille dann urplötzlich mit einem bis dato in Deutschland nahezu einzigartigen Selbstinterview des Stadtoberhauptes durchbrochen wurde. Die Sprecherin interviewte ihre Stimme. Ein unvergesslicher satirischer Meilenstein in der Stadtgeschichte, aber auch schon wieder 500 Tage her.

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Und jetzt mal völlig satirefrei: Dieser Mann versteht Spaß und hat auch für Satire ein Herz. Wer weiß, wie oft er sich in den letzten tausend Tagen trotz allen Gegenwinds schon ins Fäustchen gelacht hat?

Wieso eigentlich fallen einem im Gedenken an die letzten tausend Tage vor allem Dinge wie ein eingestürztes Klo, eine nicht enden wollende Kita-Standortdiskussion oder ein ebenso fraktionsübergreifender wie misslungener Putschversuch ein? Es mag wohl daran liegen, dass man als Markranstädter eben in erster Linie Deutscher ist und damit immer erst an die Probleme und negativen Dinge denkt.

Es ist ja nicht so, dass es in der Spiske-Ära nicht auch überragende Erfolge gegeben hätte. Denken wir nur an die Frankenheimer Schranke. Das Bauwerk hat inzwischen deutschlandweite Bekanntheit erlangt. Schon erheben sich ganze Zweige der Tourismus-Industrie wie Phönix aus der Asche des neuen Frankenheimer Backofens. Die Folge: Erstmals seit seinem Bestehen ist das gelbe Hotel in der Krakauer Straße zu 100 Prozent ausgelastet. Sogar auf die nächsten acht Jahre hinaus und selbst dann, wenn niemand drin wohnt. Markranstädt boomt!

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Auch das Sportcenter ist wieder dicht. Okay, das gilt zwar nur, so lange es nicht regnet, aber im Zuge des Klimawandels sind Niederschläge ohnehin kaum noch zu erwarten. Man kann gewisse Dinge auch dem Lauf der Natur überlassen und muss nicht auf jede Kritik gleich mit purem Aktionismus reagieren.

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Schon der alte Goethe schrieb in der Bürgschaft: „Ich sei, gewährt mir die Bitte, in euerm Bunde der Dritte.“ Die Heilige Dreifaltigkeit Markranstädts.

Ebenfalls im Nachgang richtig schlecht gemacht wurde der neue Anbau der Grundschule. Dabei ist dieses Projekt eine einzige Erfolgsgeschichte.

Gut, ein wenig teurer als erwartet war es schon, aber es ist fertig geworden. Schauen wir mal nach Hamburg auf die Elbphilharmonie, auf den Stuttgarter U-Bahnhof 21 oder den Berliner Flughafen: Dort wissen sie nach Jahren und einigen Millionen Euro noch nicht mal, ob sie richtig angefangen haben. WIR sind fertig geworden und das allein ist schon Grund genug, uns voller Ehrfurcht zu verneigen!

betroffenraute

Politik ist ein Lernprozess: Die Kanzlerraute ist noch etwas missglückt, aber der betroffene Gesichtsausdruck taugt zumindest schon mal für eine Kranzniederlegung.

Wenn uns Sachsen die Geschichte etwas gelehrt hat, dann die Reaktion eines missverstandenen und ständig wegen Banalitäten kritisierten Königs. Friedrich August III. quittierte 1918 seinen Dienst nur wegen eines verlorenen Weltkrieges mit den Worten: „Dann macht doch eiern Dreck alleene!“.

Nicht auszudenken, wenn es lediglich wegen einer Kita, einer Klo-Ruine, einer Schranke, einem undichten Dach, einer Leck gelaufenen Schulfregatte oder einem unzufriedenen Hofstaat plötzlich heißt: „Min Sünning, dä Kudder liecht jetz uffm Trockendock. Sieh zu, wie du den widdä flott kriechst. Ich guck so lange schon ma nach die Wattwürmers.“

 

4 Kommentare

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  1. Wie geil ist das denn? Den Artikl ist schon gut, aber die Bilder und die Bildbeschreibungen sind ja der Mega-Hammer! Danke für den schönen Start in den Tag.

    1. Auf die Bildtexte kommts ja auch an, Rita. Der Rest ist doch nur schmückendes Beiwerk.

  2. Meckern kann jeder, mit dem „besser machen“ haben aber die allermeisten ein Problem! Insofern sind mir eine Kloruine oder ein KiTa-Standort (der mir auch nicht gefällt) allemal lieber als eine Diktatorin aus Großlehna!

    1. So isses aber überall, Biker. Auch wir denken manchmal: Verbissen lesen kann jeder, aber viele haben ein Problem, einfach mal so zu lachen.

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