Musikladen Markranstädt: Der mit dem Volk tanzt

Vor einigen Wochen fand in der Stadthalle die Second DanceNight statt. Nach dem Einsturz der geplanten Toilette am Kulki, der ausgetrockneten Vernässungsfläche in Seebenisch, der Talfahrt des SSV und dem Krankenstand im Rathaus hat dieses Event für die ersten positiven Schlagzeilen seit langem gesorgt. Volle Bude, beste Stimmung und zufriedene Veranstalter. Aber wer sind die eigentlich?

Nach der First DanceNight anno 2015 hat die Musikladen Markranstädt GbR das Zepter übernommen. Schon mal irgendwo gehört? Nicht schlimm. Die vier Köpfe, die hinter dieser Firmierung ihr Haupt gen Musikhimmel recken, sind jedenfalls in Lallendorf nicht unbekannt: Frank Stierke sowie Verena und Jürgen Wackwitz aus der Kernstadt und sozusagen für die Dorfquote Wolfgang Schmid aus Schkölen.

Diese Mannschaftsaufstellung macht neugierig und Satirikern ist diese Eigenschaft sowieso in die Wiege gelegt. Also auf in den Musikladen, der sich – und das ist besonders sympathisch – ebenso wie die Markranstädter Nachtschichten in einem Keller eingerichtet hat.

Quietschende Holztüren, rußende Fackeln, Spinnweben … aber kein Bier. Statt dessen Apfelsaft und andere weiche Drogen. So saßen die vier Macher im Schein eines niederbrennenden Talglichts um einen grob gehobelten Tisch und harrten der Fragen.

Lassen Sie uns mal beim „Auslöser“ dieses Interviews beginnen. Dass die Second DanceNight am 24. September ein voller Erfolg werden würde, konnte niemand voraus sehen. Was für Zeug muss man sich einwerfen, um auf so eine Idee zu kommen und ein solches Risiko einzugehen?

Wolfgang Schmid: Sie sehen es ja: Apfelsaft. Leider reicht das nicht ganz. (greift unter den Tisch und zaubert eine Flasche auf die Platte) Wir strecken den mit Rum. Wenn wir dann noch eine dicke Havanna kreisen lassen, können wir kein Risiko mehr erkennen. Bei uns geht’s also nur vorwärts.

Beim Begriff „Musikladen“ fällt einem zunächst Manfred Sexauer ein. Den wollten sie sicher nicht kopieren. Wann und mit welchem Ziel wurde die Musikladen GbR gegründet?

Verena Wackwitz: Sexauer? Na, zumindest nicht den letzten Teil des Namens. Was die erste Silbe angeht: Mit Leidenschaft und Liebe kann man viel bewegen und Spaß haben. Genau das ist unser Credo und das überträgt sich auf die Gäste. Man hat’s ja auch an der Stimmung in der Stadthalle erkannt. Zumindest war das mein Eindruck.

Wolfgang Schmid: Warum sagst du das so vorsichtig? Dein Eindruck war richtig!

Wenn man sich heute mal in der Stadthalle umschaut, fallen die Plakate früherer Veranstaltungen ins Auge. Darunter eins mit Helene Fischer, die damals noch am Beginn ihrer Karriere stand. Haben sie sowas wie einen Riecher für Künstler, aus denen später mal Stars werden?

Frank Stierke: Ein glückliches Händchen braucht man in dieser Branche immer und dazu einen guten Geschmack. Aber das ist kein Problem: Wir haben ja selbst Künstler unter uns. Jeder … irgendwie … ist bei uns künstlerisch angehaucht. Schon die Idee zur Second DanceNight war ein Kunstwerk. Sie müssten mal den ersten Entwurf sehen. Der sieht aus wie die Gedankenskizze zum impressionistischen Umbau des Wasserturms.

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Angesichts der eindrucksvollen Saal-Deko blieb so mancher Besucher erstmal im Eingang stehen und staunte ehrfurcvhtsvoll.

Die zweite Tanznacht wurde von mehreren hundert Gästen besucht, kurz davor gabs auch zum Open Air in Seebenisch volles Haus. Ein Markt für musikalische Events scheint also vorhanden. Trotzdem ist in den letzten Jahren viel auf der Strecke geblieben. Keine Irische Nacht mehr am Bad, die Große Raupe gestorben… Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass solche Veranstaltungen nicht mehr gegen den Unterhaltungswert kaputter Schranken, ausgetrockneter Vernässungsflächen oder umstrittener Kita-Neubauten anstinken können. Ist das so oder woran liegts wirklich?

Jürgen Wackwitz: Ohne Moos nichts los. Auch wir können sowas nur Dank unserer Sponsoren stemmen. Wenn die nicht wären, müssten die Gäste tiefer in die Tasche greifen und sie wissen ja: Hosen, mit denen man zum Tanz geht, haben gewöhnlich Löcher in den Taschen. Übrigens hat uns auch die unbürokratische Zusammenarbeit mit der Stadt und der MBWV sehr geholfen, das sollte mal gesagt werden.

Gemessen am Aufwand, den die Organisation und Durchführung einer solchen DanceNight erfordert, scheint der Markranstädter Musikladen personell ein bissl dünne aufgestellt. Fast könnte man glauben, dass da sogar das Sekretariat vom Bürgermeister zahlenmäßig besser besetzt ist. Also mal Butter bei die Fische: Das haben sie doch unmöglich alles alleine gestemmt?

Wolfgang Schmid: Dünne aufgestellt? Wir bringen zusammen 382 Kilo auf die Waage, die meisten davon wahrscheinlich ich selber. Also Vorsicht! Und wer hat schon vier Gesellschafter im Boot; darunter eine Buchhalterin, einen Bauunternehmer, einen Anwalt und einen Rentner, der in Sachen Fitness sogar so manchem Studenten was vormacht – nicht nur am Stammtisch.

Außerdem: Weil wir so nette Leute sind und es gut meinen, laufen wir auch meist in offene Arme, wenn wir wirklich mal ein paar Mann mehr brauchen.

Lassen sie uns nochmal auf die Sponsoren zu sprechen kommen. Ohne die kann man heute fast nichts mehr bewerkstelligen, doch trotz angeblich guter Wirtschaftslage in Deutschland sind die meisten von ihnen ziemlich hartleibig geworden, wenn’s um finanzielle Unterstützung geht. Wie ist das, wenn da plötzlich auch noch ein Musikladen anklopft?

Frank Stierke: (lacht) Ja, da gibt es fast nichts, was man nicht erlebt hat. Aber wir gehen ja nicht dahin, um einen G 8-Gipfel auszustatten. Auch kleinere Beträge sind willkommen. Viele ortsansässige Unternehmen haben wirklich regelrecht auf uns gewartet. Na ja, andere wiederum lernen uns erst noch kennen. Aber selbst Pfannenberg in Hamburg hat uns erhört und unterstützt. Sie sehen: Die Vernetzung reicht bei uns bis zum Fischernetz.

Die gastronomische Versorgung hat nahezu reibungslos funktioniert. Das war ja richtig beeindruckend, was da so an Kellnern und anderem Personal rumgeflitzt ist. Wieviele Servicekräfte waren denn da im Einsatz?

Verena Wackwitz: Manche sagen mehr, manche weniger. Leute wie sie wollen doch immer fette Zahlen für ihre Schlagzeilen, nicht wahr? Okay, also ich habe an diesem Abend 66 Beine addiert, die für die Gäste unterwegs waren. Es war nicht einfach, die zu zählen, weil jedes einzelne davon in der Regel als rotierender Kreis durch den Saal propellert ist. Die waren echt gut drauf und wir haben viel Lob über sie gehört.

Vor allem mit der Bar konnte das Catering-Team beim Publikum punkten. Das Teil sah ja aus wie ein Cockpit aus dem Foyer des Hilton. Wie kommt man an sowas?

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Die Bar war das Glanzstück im Saal. So ein Geschoss hat die ehrwürdige Stadthalle noch nicht gesehen. Die Radeberger schicken dafür sogar eigens ein Team für den Auf- und Abbau.

Wolfgang Schmid: Ja, das war ganz einfach so, dass…

Frank Stierke: … Wolfgang, schenk bitte noch mal Apfelsaft nach, ich weiß wie’s wirklich war. Also Beziehungen sind nach wie vor das halbe Leben und was diese Bar angeht, die haben wir unserem gastronomischen Partner, dem „Goldenen Hirsch“ aus Dölzig, zu verdanken. Diese Anlage ist wirklich ein tolles Geschoss, da kommt extra ein Team von der Brauerei zum Auf- und Abbau. Meister Röhrich würde sagen: Da kann nich jeder mid üm!

Als GbR ist ihnen der Griff in die Taschen der Bürger verwehrt. Von wegen: „Oh, wir haben uns verkalkuliert. Lassen wir mal den Stadtrat einer überplanmäßigen Auszahlung zustimmen“. Geht so eine DanceNight für einen Veranstalter auf, der auf Gedeih und Verderb wirtschaftlich kalkulieren muss und das ganze Risiko trägt?

Jürgen Wackwitz: Das Thema „Risiko“ hatten wir doch schon, oder? Wolfgang, schenk ihm auch mal was ein, der Mann wird vergesslich. (kurze Gesprächspause … gluck-gluck) Also, gute Kontakte braucht man und eine gehörige Portion Optimismus. Manche halten uns sicher für verrückt. Das hat aber auch Vorteile. Vielleicht haben wir den einen oder anderen Euro von unseren Sponsoren auch aus Mitleid bekommen? (grinst)

Herr Wackwitz, mit ihrer Antwort können sie in die Politik gehen. Wir sind hier aber nicht in der vierten Etage und ich habe schon ganz andere Kaliber ausgequetscht. Also nochmal: Hat sich das Event gerechnet?

Jürgen Wackwitz: Bis jetzt ja. Aber es kommen noch ein paar Rechnungen, da kann aus der schwarzen noch eine rosa Null werden.

Das Markranstädter Publikum ist, abgesehen von ein paar satirischen Momenten auf einer seltsamen Internet-Präsenz, in den letzten Jahren nicht gerade verwöhnt mit kulturellen Unterhaltungsprogrammen. Was sagen sie zur Stimmung im Saal und welche Feedbacks gab es von den Gästen?

Frank Stierke: Die Stimmung war hervorragend, das …

Wolfgang Schmid: … Frank, die Bockwürste platzen. Stell bitte mal den Herd ab, ich weiß, wie’s wirklich war. Also wie Frank schon sagen wollte: Die Stimmung war wirklich großartig und auch die Feedbacks haben uns überwältigt. Einer hat sogar seine Schuhe durchgetanzt. Der hat sich im wahrsten Sinne auf die Socken machen müssen, um zu Hause andere anzuziehen. Zum Glück wohnt er in der Nähe der Stadthalle. Ich denke, der Begriff „fußläufig“ trifft’s in diesem Fall wirklich. Aber Ihre Frage kommt dem Kern unseres Anliegens nahe. Wir wollten ja eine Veränderung. Sozusagen eine Alternative zwischen Sport und Karneval. Ein Event für Jung und Alt. Toll, wie das angenommen wurde.

Das klingt nach mehr. Kommt da noch was oder bleibt es erstmal bei einer DanceNight pro Jahr?

Verena Wackwitz: Keine Angst, in Rente gehen wir noch lange nicht. Die DanceNight ist ein Event von Markranstädtern für Markranstädter und es wird sie auch im nächsten Jahr wieder geben. Es soll ein Highlight bleiben und deshalb sind weitere Veranstaltungen zwischendurch nicht geplant.

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Live-Musik für Auge und Ohr.

Nach Adam Ries und der englischen Sprache käme nach der First DanceNight und der Second DanceNight dann die Third DanceNight. Da ist dieses hässliche th drin, das man in der Schule nur mit Zahnspange aussprechen konnte und dabei trotzdem auf die Bank gespuckt hat. Sie wissen schon, wie sich sowas in Markranstädt anhört? Tssfhörd Dänsneid oder bestenfalls Dirty DanceNight. Nicht gerade werbewirksam…

Verena Wackwitz: … oder gerade? Na ja, egal wie – wir werden uns da in der Tat was einfallen lassen müssen. Hätten sie einen Vorschlag?

DanceNight 3.0?

Frank Stierke: Klingt gut. Noch einen Schuss Rum? Vielleicht kommt da noch besseres…

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Der Hauch von Nichts eines Models bei der Modenschau. Ab nächstes Jahr zwingend vorgeschrieben als Abendrobe weiblicher Gäste.

Nein, weiter im Text! Dann wäre noch das Problem mit den Künstlern, die man auf die Bühne holen könnte. Achim Mentzel ist tot und für eine Helene Fischer müsste man heutzutage wahrscheinlich ein Grundstück am Westufer versilbern. Womit kann man Markranstädt heutzutage hinter dem Ofen vorlocken?

Wolfgang Schmid: Sie haben Herbert Roth vergessen und wenn wir mal richtig nachdenken, fallen uns sicher noch weitere Stars ein, wegen deren Ableben wir keine DanceNight mehr veranstalten können. Also konzentrieren wir uns auf einen guten Mix aus DJ’s und Live-Bands mit einer attraktiven Musikauswahl. Nicht alles ist dabei immer jedermanns Geschmack, aber mit Rock, HipHop, Schlager und Pop liegt man immer in der Spur. Die Tanzfläche war jedenfalls stets gut gefüllt.

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Die Bude war rappelvoll bei der Second DanceNight.

In den Kulturhäusern der näheren Umgebung setzt man inzwischen vermehrt auf Comedians und Kabarett. In Weißenfels musste Elsterglanz zuletzt nach drei ausverkauften Auftritten in Folge sogar zwei Zusatzveranstaltungen geben, obwohl das Publikum dort durch Olaf Schubert, Heinz Becker oder die Academixer schon hinreichend versorgt schien. Das schreit doch geradezu nach einer Option für Markranstädt, oder könnte es doch sein, dass das hiesige Bürgertum durch den Alltag an den Ufern des Zschampert kabarettistisch übersättigt ist?

Frank Stierke: Kann sein. Wenn ich so die Markranstädter Nachtschichten lese, könnte sich dieser Eindruck sogar verfestigen. Sehen wir es mal so: Leben und leben lassen. Ihr bringt die Leute zum Lachen und wir sorgen dafür, dass sie das Tanzbein schwingen und in Bewegung bleiben.

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Das war ein gutes Schlusswort. Wenn jetzt endlich mal jemand wirklich einen Schuss Rum in meinen Apfelsaft gießen würde, könnten wir als Freunde auseinandergehen. … Na also, es geht doch!

Vielen Dank und recht viel Erfolg für die Tssfhörd Dänsneid am 23. September 2017!!! (Titelbild: Markranstädter Nachtschichten, Fotos: Marc Opre)

 

 

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