Neues aus der vierten Etage: Die Teletubbies im Legoland

Sonderstadtrat in der vierten Etage. Das ist in letzter Zeit fast schon eine normale Erscheinung im Zschampertgau. Aber wenn ein Akteneinsichtsausschuss (AEA) Rede und Antwort steht, sollte man sich sowas durchaus mal reinziehen. Am Ende war der Zuschauer aus dem Bürgertum zwar nicht schlauer als vorher und die Kriegsberichterstatter verließen die Arena mangels Kampfhandlungen auch mit leeren Blöcken, aber wenigstens Satiriker kamen auf ihre Kosten.

Respekt muss schon sein vor so einem Gremium. Dafür sorgte bei minus 5 Grad ein Minifahrrad, das in klirrender Kälte zwischen den Abgeordneten-Limousinen auf dem Parkplatz vorm Senatsgebäude auftauchte.

Alle Achtung! Aber lange konnte man über die Courage des Polarforschers nicht staunen, denn pünktlich um 18:30 Uhr rief die Erste Beigeordnete im Ratssaal zur Eröffnung der Zusammenkunft.

Es lag wohl nicht nur an der ungewöhnlich deutlichen Aussprache, die man sonst über das Mikrophon in der Mitte des Ratstisches so oft vermisst, dass sowohl das Publikum als auch die Senatoren augenblicklich gehorchten. Auch sonst gab es allerhand Merkmale, die Respekt forderten.

Es war auch nicht allein die Ausstrahlung der Ersten Beigeordneten in schwarzem Anzug, weißer Bluse und passendem Halstuch, die der Ouvertüre etwas Besonderes verlieh.

Nein, es war wohl vor allem die Tatsache, dass sie allein auf der Kommandobrücke saß, die Respekt verlangte. Jeder Andere und vor allem der, auf dessen Stuhl die Frau saß, hätte sich dem drohenden Gefecht wahrscheinlich nie und nimmer ohne Sekundanten gestellt.

Helm ab zum Gebet

In der Kirche fällt sowas unter den Sammelbegriff Liturgie, in der Kunstszene sagt man Neorealismus dazu und in der Kommunalpolitik gab es bislang gar keinen Ausdruck dafür. Nennen wir es einfach Offenheit und erkennen an, dass dieser Stil einen tiefen Eindruck hinterlassen hat. Chapeau!

Was bisher geschah: Der neue Anbau der Grundschule war mit 1,36 Millionen Euro ein wenig teurer geworden als geplant.

Und genau bei dieser Aussage schieden sich für den neutralen Beobachter am Ende der Veranstaltung auch die Geister. Denn wenn etwas teurer als geplant sein soll, müsste man zumindest wissen, wie teuer oder billig es ursprünglich eigentlich hätte sein sollen.

Billige Ausreden sind teuer

Allein an dieser Grundlage, so war den abendlichen Diskussionen über den Dächern der Stadt gestern zu entnehmen, schien es aber von Beginn an zu fehlen. Da fragt man sich als Außenstehender im Nachgang schon, wie der Begriff Mehrkosten überhaupt definiert ist.

Zu viel – ja, das kann man sagen. Zu viel ist es aber immer, egal ob man der Frau die Geldkarte fürs Shopping überlässt oder der Mann versehentlich bei Shell getankt hat.

Drehbuch und Dramaturgie

Aber der Reihe nach. Der AEA bemängelte in seinem Abschlussbericht unter anderem, dass ihm keine Entwurfsplanung vorgelegen habe. Gestern wurde nun offenbart, dass es eine solche gibt.

Nun gut, davon war auch auszugehen, weil ohne ein solches Dokument nie und nimmer auch nur ein Euro Fördermittel geflossen wäre. Allerdings sei es eben eine reine Entwurfsplanung, die keine Kostenplanung enthalte. Die Kosten seien seinerzeit geschätzt worden, was für die Beantragung der Fördermittel ausgereicht habe.

Schön und gut, aber beim Spiel „Schätzen Sie mal…“ ist die Stadt Markranstädt traditionell deutlich schlechter aufgestellt als bei der Variante „Wünsch Dir was…

Zuletzt lag man beim Tipp für die Errichtung eines Regenwasser-Rückhaltebeckens und den Neubau eines Mischwasserkanals für die Kita am Bad mit 20.000 Euro trotz Telefonjoker und Publikum um runde 195.000 Euro daneben. Aber wenigstens kam das schon bei der 50-Euro-Frage auf den Tisch.

Zurück zum Schulanbau. Nachdem der Spaten zum ersten Stich in den (was auch erst später festgestellt wurde) kontaminierten Boden gerammt wurde, erfolgte die weitere Planung „baubegleitend“. Das klingt zunächst unheimlich beeindruckend.

Auf der Suche nach der Rolle der Bedeutung dieses Begriffs wird der Satiriker allerdings schlagartig in seine Kindheit zurückversetzt. Die Häuser, die wir damals mit Holzbausteinen oder der DDR-Variante von Lego errichtet hatten, entstanden auch durch baubegleitende Planung.

Baubegleitend oder mit Plan?

Nie wusste man vorher, was es wird. Ein Wohnhaus erst, dann hier noch ein Fenster, da noch ein Türmchen, weshalb dann rote Steine fürs Dach fehlten (Nachtrag!) und plötzlich wars dann eine Kirche oder ein Bahnhof. Unsere ersten Erfahrungen mit baubegleitender Planung.

Wieder angekommen in der Realität der vierten Etage, füllt sich einem dann das Herz mit lauter Dankbarkeit, dass aus der Schule am Ende überhaupt auch eine Schule geworden ist. Warum dieses Glück nicht einfach mal demütig annehmen, sondern hinterher noch über die nachträglich berechneten Kosten für einen Baukran diskutieren, den man bei Planung und Ausführung angeblich nicht auf dem Schirm hatte?

Vielleicht war ja der Anbau ursprünglich nicht als Schiff, sondern als U-Boot gedacht und man hat ganz bewusst auf Equipment für den Hochbau verzichtet? Die Damen und Herren Räte taten grade so, als hätten sie nie mit Bausteinen gespielt und unter Zeitdruck (Mutti ruft gleich zum Mittagessen) Entscheidungen treffen müssen. Solche Spaßbremsen aber auch.

Mike Schärschmidt (CDU) bemängelte dann, dass Dinge wie Brandschutz, Bodenkontaminierung, Handläufe oder Fassade bei Planungen vorher berücksichtigt werden müssen und es nicht sein kann, dass diese nachträglich hinzu kommen. In Bezug auf den Brandschutz ergänzte AEA-Mitglied Jens Schwertfeger (CDU), dass integrierte Bestandsgebäude bei solchen Projekten stets berücksichtigt werden müssten, was ein Architekt ebenfalls wissen müsse.

Anfänglich beschlich den Zuschauer das Gefühl, dass man sich im Senat auf gerade diesen Architekten einzuschießen gedachte. Vor allem Winfried Busch (SPD) hakte hier immer wieder nach.

Ausgerechnet Dr. Volker Kirschner (CDU) stellte seine im SPIEGEL geadelte Wilfried-Kretzschmann-Statur dann aber zwischen Wind und Segel. Er fragte den Ausschuss, dessen Vorsitzender er ist, nach seinen Erkenntnissen zu Zusammenhängen zwischen den Aufträgen und deren Erteilung.

Damit lag der Schwarze Peter wieder bei den Personen, die gar nicht da waren. Die damals verantwortliche Fachbereichsleiterin wurde inzwischen mit goldenem Handschlag verabschiedet und der Bürgermeister kuriert grade wieder mal eine Krankheit aus. Patt-Situation in der vierten Etage.

Ja nun! Wie jetzt?

Auf Schärschmidts Frage an den Ausschuss, ob denn der Bürgermeister auf die Kostensteigerungen mit stärkerer Kontrolltätigkeit oder sogar mal einem persönlichen Besuch auf der Baustelle reagiert habe, fühlte sich Nicht-AEA-Mitglied Kirsten Geppert (FWM) berufen, ihrerseits zwischen Gegenwind und Segel zu treten. Spiske hätte gar nicht früher reagieren können, weil die Rechnungen schließlich erst nach Fertigstellung des Anbaus eintrafen.

Erstaunlich, dass sich die Gegenseite mit diesem Argument zufrieden gab. Da hatten sie nun eine halbe Stunde lang das Eisen geschmiedet, schließlich sogar die Klinge geschliffen … und dann kurz vor der Halsschlagader so eine bedingungslose Kapitulation.

Elfmeter kläglich versemmelt

Niemand kam scheinbar auf die Idee, dass man den Preis nicht erst bei Vorlage der Rechnung vor Augen haben sollte, sondern bereits bei Erteilung des Auftrages. Und das kann ja nun beim besten Willen nicht nach der feierlichen Fertigstellung gewesen sein. Wie auch immer: Dieser Elfmeter ist nicht im Tor gelandet, sondern hat hoch droben die Stadionuhr samt Anzeigetafel zertrümmert. Peinlich für die angetretenen Schützen, ein goldener Moment für die Satire.

Satirische Sternchen flackerten dann noch einmal auf, als Monika Rau (FWM) auf die gleiche Frage Schärschmidts ihrem Bürgermeister zur Seite sprang und davon ausging, dass „er sich bestimmt gekümmert“ habe. Mit Blick auf Mike Schärschmidts unternehmerische Tätigkeit führte sie strafmildernd ins Feld, dass „Produzierende schneller reagieren können als ein Verwaltungsmensch“.

Wenigstens diese Erkenntnis brachte die Akteneinsicht: Es gibt nicht nur Frauen und Männer, sondern auch Produzierende und Verwaltungsmenschen. Mit diesem biologischen Exkurs in die evolutionären Differenzen des homo sapiens wollen wir den Sonderstadtrat in der vierten Etage in Erinnerung behalten.

Trost ist (mehr)kostenlos

Trösten wir uns mit der Gewissheit, dass der Schulanbau auch ohne Kosten oder Mehrkosten 1,36 Millionen Euro gekostet hätte, dass von der Idee bis zur Fertigstellung nur zwei Jahre vergangen sind und die Bauzeit lediglich 9 Monate betragen hat.

Immerhin kann Markranstädt jetzt im Konzert der großen Metropolen mitreden. Es ist vielleicht keine Hamburger Elbphilharmonie geworden und auch gegen den Leipziger City-Tunnel mit Mehrkosten von rund 500 Millionen Euro können wir nicht anstinken. Aber wir sind mit unserem Projekt fertig geworden und die Schüler freuen sich. Das allein stellt uns über Stuttgart 21 oder die Berliner mit ihrem lächerlichen Flugplatz.

 

1 Kommentar

    • Bernd Hollwitz auf 8. Februar 2017 bei 18:07
    • Antworten

    Der folgende Satz ist köstlich: „Ausgerechnet Dr. Volker Kirschner (CDU) stellte seine im SPIEGEL geadelte Wilfried-Kretzschmann-Statur dann aber zwischen Wind und Segel. Er fragte den Ausschuss, dessen Vorsitzender er ist, nach seinen Erkenntnissen zu Zusammenhängen zwischen den Aufträgen und deren Erteilung.“

    zuvor ebenso: „Nun gut, davon war auch auszugehen, weil ohne ein solches Dokument nie und nimmer auch nur ein Euro Fördermittel geflossen wäre. Allerdings sei es eben eine reine Entwurfsplanung, die keine Kostenplanung enthalte. Die Kosten seien seinerzeit geschätzt worden, was für die Beantragung der Fördermittel ausgereicht habe.“

    Eine Entwurfsplanung muss eine Kostenberechnung enthalten, weil sie sonst keine wäre!

    Teletubbies im Legoland!! herrlich!

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