Markranstädter Posaunenchor erhält große Auszeichnung

Mit den Musikinstrumenten ist das so eine Sache. Manch einer meint, eine Zauberflöte gäb’s bei Beate Uhse, andere wiederum schreiben sie einem gewissen Mozart zu. Ähnlich verhält es sich auch mit den Posaunen. Derer sieben Stück sollen einst die Mauern von Jericho zum Einsturz gebracht haben. In Markranstädt erklingen sie hingegen schon seit 110 Jahren allein zur Freude und Erbauung des Volkes. Jetzt gibt’s dafür eine Auszeichnung besonderer Art.

Etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts durchzog eine regelrechte Posaunenbewegung die deutschen Lande. Heute würde man das wahrscheinlich einen Hype nennen, damals war es mangels Pokémons und „Bauer sucht Frau“ einfach nur eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung.

Im Jahre 1907 kam diese auch in Markranstädt an. Dass der hiesige Posaunenchor von einem Gastwirt gegründet wurde, ist aus historischer Sicht kaum verwunderlich. Kneipen gab es zu jener Zeit in Markranstädt genauso häufig wie heute Unterkünfte für betreutes Wohnen.

Die von Pfarrer Johannes Kuhlo aus Bethel initiierte Posaunenchor-Bewegung wurde in der Heimat des Brauhauses Markranstädt also folgerichtig von einem Kneiper aufgegriffen. Richard Heerde war sein Name. Und so wird seit 1907 in Markranstädt kaum ein Ereignis ausgelassen, auf dem kultiviert geblasen wird.

Das ist kein Publikum, sondern das Orchester. Landesposaunentag in Ulm!

Ein seltsam anmutendes Instrument ist sie schon, die Posaune. Ihre Urform bestand aus Widder- oder Kuduhorn und wird als Schofar oder Hallposaune bezeichnet. Laut Altem Testament reichen sieben dieser Instrumente aus, um eine Stadtmauer wegzuputzen. Ganz ohne Bulldozer und Abrissbirne. Schwer vorstellbar. Aber wahrscheinlich war der Bauzustand der Mauern von Jericho nicht viel besser als jener der Markranstädter Zuckerfabrik in heutigen Tagen.

Die bei uns heute bekannte Posaune entstand vermutlich im 15. Jahrhundert. Sie zählt als Blechblasinstrument zur Gruppe der Trompeten. Weil so eine Posaune für die Wiedergabe des Grundtons „b“ eine Länge von fast drei Metern haben müsste, ließen sich die Instrumentenbauer des Mittelalters was einfallen und bogen das Rohr einfach so lange zusammen, bis sich eine vernünftige S-Form ergeben und das Gerät eine halbwegs handliche Größe hatte.

Wären unsere Altvorderen nicht so schlau gewesen, müssten unsere Markranstädter Posaunisten heute wahrscheinlich eher sowas wie Alphörner durch die Gegend schleppen und ein Jodel-Diplom in der Tasche haben.

Da sich die um die Jahrhundertwende geradezu zahllos gegründeten Posaunenchöre vorwiegend geistlicher Musik verschrieben hatten, ließ vor allem bei Jugendlichen das Interesse bald nach.

Die Renaissance der Posaune

Bis im Jahre 1937 ein bis heute unverwechselbarer Sound die Welt eroberte, den ausgerechnet ein Posaunist erfand. Der „Glenn-Miller-Sound“ besticht nicht nur durch den Klang der Klarinetten, die den Saxophon-Satz führen, sondern auch durch den harmonischen Einsatz von Trompeten und Posaunen.

Nicht nur kirchliches Liedgut, weltliche Volkslieder oder Glenn-Miller-Sound ist mit Posaune möglich. Auch die Pop-Musik kommt nicht ohne aus. In „All you need is love“ der Beatles erklingen gleich zwei Posaunen.

Erreicht hat er das durch Dämpfer. Die sehen manchmal aus wie Kaffeebecher, andere erinnern eher an stiellose Gummiprömpel aus der Toilette.

Wie auch immer: Die Posaune war in der Unterhaltungsmusik wieder gesellschaftsfähig geworden. Und sie ist es bis heute geblieben, auch wenn das Repertoire der traditionellen Posaunenchöre mit dem Glenn-Miller-Sound nicht vergleichbar ist.

Man kann sogar mitsingen

Der Markranstädter Posaunenchor wird heute von Bernd Meißner geleitet. Besetzt ist der Klangkörper mit Oberstimme (Piccolo Trompete); 1. und 2. Stimme/ Sopran /Alt (Trompeten, Flügelhörner) sowie Tenor und Bass (Zugposaunen, Waldhorn, Tenorhörner,Tuba & Helikon).

Seit seiner Gründung besteht das Repertoire neben geistlicher Musik und Klassik sowie Spirituals auch aus weltlichem Liedgut und Volksmusik. Auch deshalb ist die Bezeichnung Chor gerechtfertigt: Man kann mitsingen, sofern man die Texte kennt.

Natürlich ist der Posaunenchor Markranstädt neben seinem regelmäßigem Wirken in kirchlichen Veranstaltungen auch mit zahlreichen Auftritten zu verschiedensten Anlässen in Markranstädt und Umgebung präsent.

In einer Stadt, in der so manches mit Pauken und Trompeten untergeht, sind Posaunenklänge umso wichtiger und tragen zur kulturellen Vielfalt bei.

Stilleben mit den Werkzeugen des Posaunenchors in der Laurentiuskirche. (Foto: Miersch)

Der Posaunenchor zählt zu den ältesten noch aktiven Kulturträgern der Stadt Markranstädt und auch deshalb ist es an der Zeit, das kontinuierliche, über mehrere Generationen aufrecht erhaltene Schaffen zu würdigen.

Selbstverständlich muss da mehr kommen als ein mit einem warmen Händedruck dotierter Ehrenamtspreis oder eine vorgedruckte Glückwunschkarte. Und wirklich, da kommt mehr. Das Ensemble erhält zum 110. Jubiläum seiner Gründung die PRO MUSICA-Plakette des Bundespräsidenten!

Verliehen wird die Auszeichnung im Rahmen eines Posaunengottesdienstes am 20. August 2017 um 10:30 Uhr in der St. Laurentiuskirche. Das ist ein Sonntag und weil der Bundespräsident sonntags immer sein Auto waschen muss, wird der Preis durch Vertreter des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus überreicht.

Bereits am Samstag, dem 19. August, findet um 16 Uhr in der St. Laurentiuskirche ein Festkonzert zum 110. Jubiläum statt. Der Posaunenchor Markranstädt lädt zu beiden Veranstaltungen herzlich ein.

Das wäre auch aus Sicht ansässiger Satiriker mal eine gute Gelegenheit, sich abseits der Markranstädter Nachtschichten davon überzeugen zu lassen, dass es in unserer Stadt mehr zu blasen gibt als nur Trübsal. Also markieren Sie die Termine schon mal ganz fett in Ihrem Kalender. Und von hier aus: Herzlichen Glückwunsch dem Markranstädter Posaunenchor!

 

5 Kommentare

Zum Kommentar-Formular springen

    • Jens Schwertfeger auf 17. Juli 2017 bei 15:40
    • Antworten

    Vielen Dank, dass das MN Team auch diesen Anlass aufgreift und über die Leistungen des Markranstädter Posaunenchors berichtet. Mir liegt in diesem Zusammenhang sehr daran, auch die Ausbildungsarbeit des heutigen Posaunenchores einmal anzusprechen. Seit einigen Jahren sind wieder Kinder und Jugendliche in der wöchentlichen Musikstunde zu sehen und zu hören, denen mit viel Einfühlungsvermögen das Instumentenspiel und die dazugehörigen Noten beigebracht werden. Allen voran ist hier Herr Meissner zu nennen, der mit Ruhe und Gelassenheit, aber auch mit viel Witz und dem Vermögen den Kindern auch einmal Zuzuhören die nächste „Posaunen-Generation“ heranbildet. Vor allem auch die Ausflüge zum Deutschen Posaunentag 2016 nach Dresden, wobei die Kinder im Kreis von 22500 Musikern mitspielen und anteil an einem „Welt- und Guinnesbuchrekord“ haben durften oder die Auftritte während der Festwoche anlässlich des 500. Refomationsjubiläums in diesem Jahr haben sicher Eindrücke bei den jungen Musikern hinterlassen, die man ein Leben lang nicht vergessen wird. Vielen Dank und hohe Anerkennung auch dafür!

    1. Natürlich hoffe ich weiterhin, dass den Alten nicht die Luft ausgeht. Ich freue mich aber, dass auch für Nachwuchs des Chors gesorgt wird – und wie.
      Danke für den Kommentar und natürlich danke auch an die MN; ich glaube ich hätte das sonst nie gehört (gelesen).

  1. Von der Wiege bis zur Bahre,
    dringt so mancher Ton ins Ohr,
    doch nur die Klänge der Posaunen sind das Wahre,
    es lebe hoch der Markranstädter Posaunenchor.

    Noch was. Es gibt zwar keine Gründungsmitglieder des Posaunenchors mehr, das Durchschnittsalter der Posaunisten liegt aber gefühlt bei knapp unter 110 Jahren. Ich kann die Truppe nur bewundern. Wollen wir hoffen, dass ihnen die Luft zum Blasen nicht ausgeht.
    Weiter so!

    • Burkhard SCHMIDT auf 13. Juli 2017 bei 14:02
    • Antworten

    Vielen Dank für die schöne Darstellung. Spitze !!

    Noch eine ulkige Sache : Der Gastwirt Richard Heerde verabreichte in seiner Wirtschaft vor allem Wasser, Säfte, Tee etc. , so dass er in Markranstädt „Himmbeerheiland“ genannt wurde.

    Viele Grüße Burkhard Schmidt

      • Der Chef auf 14. Juli 2017 bei 18:46
      • Antworten

      Keine Ursache, Herr Schmidt. Im Gegenteil: Der auszusprechende Dank liegt ganz bei uns. Super vorbereitet, professionell aufgebaute Pressemitteilung … da macht es Spass, die nur wenigen Handgriffe hin zu einer satirischen Darbietung zu erledigen. Das war geradezu beispielhaft … und … hach wie schön wärs, wenns immer so wäre.
      Deshalb an dieser Stelle ein Mini-Sonder-Hudel-Dudel für Sie und übrigens auch für den Heimatverein Räpitz. Sie wissen, wie’s geht!

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.