Neues aus der vierten Etage (31)

Es war angerichtet. Chefkoch Spiske wies seine Gäste und das Küchenteam eingangs sogar explizit darauf hin, dass die Klimaanlage eingeschaltet sei. Das war auch gut so, denn die Speisekarte enthielt nicht mehr und leider auch nicht weniger als 20 Gänge. Da kann man schon mal im Schweiße seines eigenen Angesichts verdauen müssen.

Gleich zu Beginn wurde ein aktuelles gesellschaftliches Problem offenbar. Der Fachkräftemangel hat wohl inzwischen auch die Stadt erreicht und so suchte sie nicht nur händeringend, sondern auch gefühlte Ewigkeiten nach einem neuen Chef fürs Bauamt.

Der ist nun gefunden und wurde … also gut … vorgestellt … kann man dazu jetzt nicht direkt sagen. Sein Name wurde erwähnt und die Tatsache, dass das Votum für seine Einstellung ziemlich deutlich gewesen sein soll. Muss reichen. Die lokale Tagesgazette hatte es ohnehin schon vermeldet.

Sven Pleße heißt er also, der Mann, der die fast seit einem Jahr verwaiste Küchenzeile mit Frisierspiegel im Bauamt übernommen hat.

Dass der 53jährige auch schon in Markkleeberg hier und da mal ein Essen versalzen haben soll, ist bekannt, kann daher im Nachhinein nicht mit Nichtwissen abgestritten werden und deshalb geht es wohl auch so in Ordnung, dass Küchenchef Spiske jetzt einen neuen Beikoch für die Kalte Platte hat.

Kaltmamsell drehte Däumchen

Mit Spannung wurde der Menüpunkt „Bürgerfragestunde“ erwartet. Die brachte aber erstmal lange Gesichter bei denen, die auf internationale Küche vorbereitet waren. Nachdem in sozialen Netzwerken unter der Woche bereits entsprechende Serviervorschläge unterbreitet wurden, hatte der Chefkoch sogar Vorbereitungen getroffen, um auf besondere Gästewünsche eingehen zu können.

Mit Carolin Weber wurde die für internationale Vorspeisen zuständige Kaltmansell strategisch gekonnt im hinteren Küchenbereich eingesetzt. Damit sollte wohl die Gewähr geboten werden, schnell und flexibel, vor allem aber dynamisch auf die unterschiedlichen kulinarischen Gaumenfreuden eingehen zu können.

Immerhin hatte sich das Küchenteam auf die Bestellung der ungewöhnlichen Komposition „Ureinwohner an Flüchtlingsunterkunft mit Dezibel-Sauce“ vorbereitet.

Dann also Kartoffeln statt Couscous

Schlussendlich fehlten allein die Gäste, deren Appetit dann wohl doch nicht so groß war. So konnte die Kaltmamsell dann beizeiten Feierabend machen und der Bürgermeister darf sich nun mit Fug und Recht im Gefühl sonnen, dass es ein Problem mit Fremdfood in seiner Großküche nicht wirklich gibt.

Also wird in der vierten Etage auch weiterhin nach dem deutschen Reinheitsgebot gegart und deftige Hausmannskost serviert. Kartoffeln statt Couscous. Wat mut, dat mut.

AUAAAG für Michelin nominiert

Allerdings wollte sich ein Gast nicht mit heimischem Schnitzel zufrieden geben und kritisierte das Verfallsdatum des Ergebnisses des Ausschusses auf Akteneinsicht für den Anbau der Grundschule. In den Gerüchteküchen der Stadt wird bekanntlich schon seit einigen Wochen die Rezeptur eines geheimen Gegenpapiers ausprobiert.

Also, das ist kein wirkliches Rezept, sondern mehr so eine Art Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zum Abschlussbericht des Akteneinsichtsausschusses zum Anbau der Grundschule (AUAAAG). Realsatire vom Feinsten. Hält man beide Dokumente nebeneinander, liest sich das wie ein Vergleich zwischen dem Kommunistischen Manifest und der Bibel.

Die ideale Urlaubslektüre für heiße Strandtage. Lassen wir aber den Vorhang der Barmherzigkeit noch eine Weile über den Akteuren herniedergehen. Wir kümmern uns bei einem späteren Geschäftsessen um den zugehörigen Verdauungsprozess.

Die Erlebnistoilette

Richtig lustig wurde es dann bei Gang Nummer 7. Weil der Maitre de Cuisine die Inkredenzien für die Toilette am Kulkwitzer See etwas lieblos auf den Teller geklatscht hatte, sah sich der Saucier Dr. Donat zum Eingreifen veranlasst und sortierte das Zeug erstmal neu. Immerhin ging es darum, wo die Gäste nach einem ausgiebigen Gelage ihre Notdurft verrichten können.

Der Küchenchef hatte dazu vorgeschlagen, die Fördermittel für das schon seit Gründung der Stadt in Planung befindliche Toilettenhäuschen zurückzugeben, jetzt eine noch viel größere (wörtlich: große barrierefreie Toilettenanlage) für rund 200.000 Euro zu planen und dafür 85 Prozent Fördermittel einzustreichen, die natürlich erst einmal beantragt und genehmigt werden müssen.

Geförderter Lieblingsplatz für alle

Dass die bereits zugestandenen Gelder für die Minimalvariante ausgerechnet aus dem Fördertopf „Lieblingsplätze für alle“ stammen, gibt einem Klo zusätzlich erheiternden Glanz. Donat bemühte denn auch seinerseits die Anknüpfung einer Bedürfnisanstalt an lokale Programmbegriffe, wie beispielsweise „Spuren lesen“.

Dabei hat er möglicherweise vernachlässigt, dass man das bei der gegenwärtigen Situation noch besser kann. Und nicht nur lesen, sondern auch riechen! „Es gibt mehrere Arten von Toiletten“, holte Donat dann sogar noch weiter aus und erwähnte dabei auch den Begriff der Erlebnistoilette.

Bei solch muttersprachlichen Exkursen geht natürlich auch gleich der satirische Geist mit auf Reisen. Was kann man nicht alles auf einem Klo so erleben? Mal abgesehen vom bösen Wunder, für das ein kleiner, völlig unsichtbarer Noro-Virus reicht.

Schau-Biogasanlage am Kulki?

Man könnte beispielsweise (bei 200 Mille muss das möglich sein) auf das eklige Edelstahl verzichten, die Schüsseln dort aus Glas bauen und im Kellergeschoss eine Biogasanlage installieren. Auf diese Weise kann man zusehen, wie die eigenen Exkremente ökologisch nachhaltig verwertet werden.

Aber das ist noch Zukunftsmusik. Seit gestern wissen wir, dass es ein feierliches Einkacken der Toilettenanlage samt obligatorischem Presserummel nicht vor 2019 gibt. Da bekommt der Begriff vom Aussitzen doch gleich eine vollkommen neue Bedeutung.

Wie man Protonen therapiert

Gut gerochen hat zunächst auch die Speise, die der Vertreter eines Planungsbüros hinsichtlich des Protonentherapiezentrums angerührt hatte. Am Ende aber hat das Fleisch wohl doch etwas zu lange in der Pfanne gebrutzelt und war für die Mehr- wie auch Allgemeinheit schwer zu kauen.

Im Rezept kommt es zudem oft auch auf kleine Details an. Eine Zahl, eine Einheit, ein Buchstabe. Und als der Mann dann eben sein Planungsgebiet statt einer Ranstädter Mark mit dem Ranstädter Markt betaufte, wurden in Gedanken schon die Lätzchen für den nächsten Gang umgebunden.

Trotzdem gab es noch ein Handzeichen dazu. Es ging um den Arbeitstitel des Bauvorhabens. Das Therapiezentrum soll, wie sich das für einen ordentlichen Tischwein gehört, auch eine geografische Herkunft nachweisen. Da ist der Begriff „Leipzig-Markranstädt“ im Gespräch und diese Lösung lässt ja nur gar keinen Platz mehr für Lokalpatriotismus oder heimische Küche.

Leipzig bei Markranstädt

Und so wurde ernsthaft darüber diskutiert, ob das wirklich sein muss, Leipzig im Namen überhaupt zu erwähnen und dann noch vor Markranstädt. Dem Planer hatte es geradezu die Sprache verschlagen ob dieses Vorstoßes.

Der Küchenchef sprang ihm jedoch zur Seite und versuchte, ohne Rezeptbuch eine Erklärung dazu aus dem Hut zu zaubern. Mit Leipzig-Markranstädt könne er leben, meinte der Maitre de Cuisine, und ergänzte: „Es sei denn, wir gemeinden Leipzig vorher noch ein.“

Vor dem Hintergrund, dass da in der Ranstädter Mark irgendwann einmal ein paar Protonen therapiert werden sollen, war die Portion Nummer 10 schon ziemlich heftig. Fast musste man sich das Rülpsen verkneifen.

Dann folgten alsbald die weiteren Gänge des Menüs. So richtig zäh entwickelte sich das Kauen bei vier geplanten Klassenräumen am Gymnasium. Da wurde gleich mal die August-Bebel-Halle runtergeschluckt und – noch im Transit gen Magen begriffen – als Kell-Gebäude am Schwarzen Weg wieder hochgewürgt.

Unversehens war aber mit dieser Bemerkung gleich die zweite Baustelle eröffnet worden, denn vom Verkauf des Kell-Latifundiums am Stadtpark zeigten sich einige Stadträte überrascht. Vor allem der Duft danach, warum die Stadt nicht von einem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht habe, lag über den Tellern am Ratstisch.

Das Scheitern der Sommeliers

Zwar konnte die Beigeordnete alles einleuchtend erklären, aber in den Gesichtern einiger Vorkoster war dennoch keine finale Befriedigung zu erkennen. Da wurde mit den Zungen geschnalzt, rumgegurgelt und geschmatzt auf der Suche nach einer Geschmacksrichtung, die wohl erst im Abgang ihr wahres Bouquet entfalten könnte. Manchem lags wohl schon auf der Zunge aber dann wars doch wieder weg.

Verdauungsspaziergang nach Hause

Schneller weg war nur die Zeit. Nach rund anderthalb Stunden war das Gelage in der vierten Etage beendet. Für die Köche gabs danach wie immer einen nichtöffentlichen Nachtisch, aber die auffallend wenigen Gäste konnten danach wenigstens noch mal kurz in den Kulki springen. Auch da hat sich in Sachen Radwegkennzeichnung, Hundestrand oder FKK-Bereich noch immer nichts getan, aber so lange man sein Auto vorschriftsmäßig parkt, herrscht dort wenigstens Ordnung.

 

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