u ist gleich pi mal d – der Runde Tisch wird größer

Lange wurde der Markranstädter „Runde Tisch für Soziales und Integration“ im Bürgertum eher wie die Loge eines Freimaurerzirkels wahrgenommen. Kaum etwas drang nach außen. Das hat sich in letzter Zeit allerdings geändert. Die Öffnung nach außen ist nicht nur in den Einladungen spürbar, sondern auch anhand der Themen. Was da besprochen wird, geht alle Markranstädter an. Unsere Korrespondentin Heidi vom Felde war diesmal dabei und gibt mit ihrem Bericht erstmals öffentliche Einblicke in die runde Institution.

Damit das Miteinander einer Stadtgesellschaft gut gelingt, ist es wichtig, dass man sich kennt und umeinander weiß. Denn Sorgen, Ängste und Lebenskrisen, um deren Lösung es bei der Veranstaltung ging, gibt es schon seit Menschengedenken.

Gut dran ist, wer das passende Handwerkszeug zur Bewältigung solcher Nöte hat und es für sich anzuwenden versteht. Schlechte Karten hat, wem es abhandengekommen ist, wer es nie besessen oder nicht wenigstens schon mal anderswo gesehen hat.

Deshalb gab Frau Dr. med. Mackrodt von der Tagesklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, der auch die Psychiatrische Institutsambulanz des Sächsischen Krankenhauses Altscherbitz / Außenstelle Markranstädt angegliedert ist, einen sehr anschaulichen Einblick in ihre Arbeit.

Einblicke in die Tagesklinik

Zwanzig Therapieplätze für Menschen, die Unterstützung und Begleitung in Notlagen benötigen, stehen dort zur Verfügung. Dazu gibt es die erfreuliche Information, dass die Wartezeiten sehr kurz sind, keine ärztliche Überweisung nötig und in akuten Krisen sofort ein kompetenter Ansprechpartner in der Einrichtung Tagesklinik Hordisstraße 15 erreichbar ist.

Das Ziel des Aufenthaltes in einer Tagesklinik ist, die stationäre Aufnahme in ein Krankenhaus zu vermeiden, um weiterhin eng mit der Familie leben zu können.

Vorteilhaft ist dabei, dass Therapieempfehlungen zeitnah im realen Leben probeweise umgesetzt und deren Wirksamkeit erlebt werden kann. So entsteht die erforderliche Motivation für die oft bis zu 12 Wochen dauernde Therapie.

Es liegt in der Natur dieser Therapieform in einer Tagesklinik, dass den Betroffenen hohe Motivation zu eigener Mitarbeit abverlangt wird. Denn neben der aktiven Teilnahme am Tagestherapieprogramm von Montag bis Freitag 8:00 -15:30 Uhr (plus tägliche Wegzeiten) müssen sie weiterhin alle Pflichten ihres normalen Lebens erfüllen.

Aufrüttelnde Ursachen

Das Ziel der Therapie psychischer Erkrankungen ist die Hilfe zu selbständigem Leben. Eine große Herausforderung in Markranstädt, wo das psychische Hier und Jetzt selbst für gesunde Menschen schon so manche Hürde zeigt.

Menschen, die In Lebenskrisen Hilfe suchen, werden mit bewährtem Handwerkszeug zur Problembewältigung ausgerüstet. Dessen Handhabung wird trainiert und in der Anwendung die Stabilisierung der Persönlichkeit durch von gegenseitigem Vertrauen geprägte Wegbegleitung erreicht.

Aufrüttelnd sollten die Ursachen für den Bedarf sein, denn es könnte jeden von uns treffen. Leben wir einen gut strukturierten Tageslauf? Gehen wir achtsam und auch gefühlvoll mit uns selbst und unseren Mitmenschen um?

Wie können wir stabil bleiben in einer Arbeitswelt, in der Effektivität vor menschlichen Bedürfnissen steht? Welche Ersatzstabilisatoren haben wir und wie hilfreich sind diese, wenn uns ein persönlicher Glauben nicht wichtig ist?

Diese Fragen werden in Gesprächs-Gruppentherapien gemeinsam bearbeitet, die wiederum durch Sport-, Ergotherapie-, Entspannungs- bis hin sogar zu Kochgruppen ergänzt werden.

Nachdenklich macht die Erwartung, dass Persönlichkeitsstörungen, deren Ursachen oft im Fehlen eines frühkindlichen Fundamentes begründet sind, zunehmen könnten.

Plädoyer fürs Zusammenrücken

Dass dies eintritt, kann von Mitmenschen, also auch Nachbarn und Freunden nicht nur erkannt, sondern oft auch verhindert oder wenigstens gemildert werden. Deshalb ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu deren Umsetzung Politiker aller Parteien (die bisweilen selbst nach Behandlung lechzende Symptome zeigen) die Rahmenbedingungen verbessern müssen. Aber auch ein Jeder von uns wird gebraucht.

Deshalb sollten wir – egal ob Ureinwohner oder Zugezogene, ob deutscher oder nichtdeutscher Herkunft, in der Kernstadt, einer suburbanen Känguruhsiedlung oder einem eingemeindeten Dorf wohnend – näher zusammenrücken, gut aufeinander achten, uns füreinander interessieren und verantwortlich fühlen. Jeder so, wie es ihm möglich ist.

 

9 Kommentare

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    • Heidi vom Felde auf 25. September 2019 bei 10:07
    • Antworten

    Am Runden Tisch nahmen 12 Interessierte teil und wer nicht da war, weiß jetzt, was in der Luft liegt. Einfach mal in Ruhe sacken lasse, falls Facebook dafür Lücken lässt…

    • Wiki1302 auf 24. September 2019 bei 22:14
    • Antworten

    Ich finde es gut, das auch mal ernste Themen in den Nachtschichten behandelt werden.
    Das Zusammenrücken und auf einander acht geben ist, meiner Meinung nach, wichtiger den je. Das Fehlen des frühkindlichen Fundaments ist ein Problem, welches mit Fortschreiten der elektronischen Medien mehr und mehr zunimmt. Es wird immer wieder beobachtet, das Kinder in ihren Prägejahren vor Fernseher, Play- Station, Wii, X-Box usw. allein gelassen werden, weil es so schön bequem ist die Kinder davor zu beschäftigen und seine „Ruhe“ zu haben.
    Wobei ich nicht weiß wie das gehen soll, Kinder haben und Ruhe haben.
    Solche Kinder werden irgendwann erwachsene Menschen und haben dann 197 „Freunde“ auf Facebook und keinen in der Nachbarschaft, dem sie sich mal im Notfall anvertrauen können.
    Ich denke das Zusammenrücken beginnt schon im Elternhaus, in der Erziehung. Raus auf die Straße, spielen mit anderen. Sie müssen wissen , das es richtige Freunde gibt aus Fleisch und Blut und nicht nur aus Lichtpunkten auf Bildschirmen.
    Menschen , die alleingelassen aufgewachsen sind und nun in der Welt umherirren und Anschluss suchen an richtiges Leben, diese Menschen an die Hand nehmen und mitnehmen, das verstehe ich unter anderem unter Zusammenrücken.
    Sorgen und Nöte eines Mitmenschen zu erkennen und sich trauen ihm zu helfen

    1. Ihre Aussagen lassen vermuten, dass Ihre Kinder schon lange raus sind. Mit nur 197 Freunden bei Facebook ist man heutzutage nämlich sowas von am Arsch … ein einsames Opfer, das sich nicht mal aufhängen kann, weil es im Zeitalter der Klettverschlüsse nie einen Knoten gelernt hat. Außerdem ist Facebook bei dieser Generation sowas wie für die Rentner das Sandmännchen. Heute influenct man bei Instagramm, die Freunde nennen sich Follower und wir reden nicht von 197, sondern von mindestens 19700. Aber in allen anderen Punkten haben Sie mit Ihrem Kommentar sowas wie die Genesis der Bibel unserer Tage niedergeschrieben. Wie nur kann man das zum Leitbild erheben?

        • Teilnehmerin auf 25. September 2019 bei 10:46
        • Antworten

        Vielleicht sollten wir alle diesbezüglichen Fragen sammeln und Frau Dr. Mackenrodt oder einen anderen kompetenten Menschen ihrer Zunft nochmal einladen?

        Vielleicht brauchen wir in Markranstädt eine offizielle Vermittlungsstelle, die es in anderen Städten längst schon gibt, in der z.B.im gegenseitigen Einvernehmen vereinbarte Zeiten mit „Leihomas“ für einzelne Kinder überbelasteter Eltern oder Alleinerziehender vermittelt werden?(falls dazu in Markranstädt jemand Zeit und Lust hätte)

        Brauchen wir evtl. auch eine bessere Öffentlichkeitsarbeit für alle bereits bestehende Angebote der Kinder- und Jugendhilfe, die sich um Schulkinder und Jugendliche kümmern?

        • Wiki1302 auf 25. September 2019 bei 19:57
        • Antworten

        50% der Kinder sind außer Haus. 50% noch integriert. Die jüngsten (19 und 20). Aber alle haben noch ihre Freunde aus der Kinderzeit und die Freunde in den sozialen Medien belaufen sich auf weit unter 197. Das ist eben der Vorteil von Dorf. Wir Dörfler sind eben doch noch etwas althergebracht in unserer Denk- und Handlungsweise. Manche sagen auch ewig gestrich.
        Und ich muß, mit Hinblick auf die heutige Moderne, sagen: Wir sind es gern

    • Bernd Hollwitz auf 24. September 2019 bei 13:16
    • Antworten

    Wieviele Leute waren denn da, zum Runden Tisch?

    • Bekannt auf 24. September 2019 bei 10:33
    • Antworten

    Ein ernstes und wichtiges Thema, bei dem das Lachen nicht so richtig gelingen will.
    Um so wichtiger, dass Eure Korrespondentin Heidi vom Felde sich diesem Thema für die Nachtschichten gewidmet hat! Schon für den Fall, dass die wöchentlichen Therapiesitzungen im Nachtschichten-Keller mal nicht mehr ausreichen … 🙂

    • Bentin auf 24. September 2019 bei 9:07
    • Antworten

    Mal ehrlich, das als notwendig für Zusammenhalt von Markranstädt zu erklären, klingt ja nett. Aber nicht, wenn das geforderte Zusammenrücken real bedeutet – dass gegenüber jemand mit nem Teleobjektiv in mein Bad zielt und ich das toll finden muss. Rollos runter statt Gardinen! Sorry, da gehört jemand anderes auf die Besetzungscouch.

      • Nachbar auf 25. September 2019 bei 13:47
      • Antworten

      Sehe ich auch so.
      Meine Erfahrungen mit zu viel Nähe sind überreichlich. Ich hätte darauf gerne verzichtet.

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