Die Markranstädter Wochenschau (34)

„Hätte ich mehr Zeit gehabt, hätte ich einen kürzeren Brief geschrieben“, soll Goethe einst geschrieben haben, als er sich für ein ellenlanges Poem entschuldigen wollte. Will heißen: Je mehr Mühe man sich gibt, desto kürzer wird der Schinken. Wir haben uns diesmal ganz große Mühe gegeben und trotzdem platzt die Wochenschau aus allen Nähten. Also: Holen Sie sich einen Kaffee, schicken Sie Ihre Kinder an die Konsole und den Rest der Familie zum Teufel, bis Ruhe herrscht. Dann – und erst dann – sollten Sie weiterlesen.

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Eigentlich wollten wir an dieser Stelle die Abstimmung starten, welcher Kandidat mit seinem Interview am meisten überzeugt hat.

Wird eher nix. Wir hatten unsere Leser aufgefordert, uns mitzuteilen, ob das gewünscht ist. Ganze 18 zustimmende Zusendungen kamen per E-Mail, Kommentar oder bei Facebook an. Anders gesagt: 98,5 Prozent der Leser (Stand Freitagabend) haben von einem solchen Wunsche Abstand genommen.

Ja, dann beugen auch wir uns ganz demokratisch der Mehrheit jener rund 1300 Leser. Auf das Wunder, dass bis Sonntagabend wenigstens 50 Wünsche zum Start einer Abstimmung eingehen, glauben wir kaum noch.

Nichtwähler verhindern Abstimmung

Schade nur um die Ouvertüre, die bereits entbunden wurde. Da sie nun aber schon mal fertig ist, wollen wir sie Ihnen auch vorwerfen. Kommt ja nun eh nicht mehr drauf an.

Der Kurzdurchlauf in umgekehrter Reihenfolge sollte so beginnen:

Also liebe Leser, wer soll unser satirisches Stadtoberhaupt sein?

Kandidatin Stitterich, die Schwarze Witwe, die auf dem roten Sofa ihre verblichenen Verehrer zählt und ihren jetzigen Mann nur deshalb am Leben ließ, weil er weiß, wo das Kochbuch steht?

Oder Kandidat Bär, der mit einer Bonpflicht für Drogen zurück in die Zukunft will, weil er in der Gegenwart wegen des geschlossenen Stadtbades keine Kinder mehr zeugen kann?

Oder Kandidat Spiske, der seiner Schwiegermutter aus dem Weg geht, weil „treu dienen“ nichts mit „fleißig arbeiten“ zu tun hat und der seiner Frau deshalb Fraktionszwang bei der Wahl auferlegt?

Okay, hätte sein können, muss aber nicht. Ohnehin gab es am Freitagvormittag vorm MGH ausreichend Gelegenheit, alle drei Bewerber direkt miteinander zu vergleichen, ganz ohne satirische Verbrämung (siehe Titelfoto).

Allerdings richtete sich dieses Angebot nur an die domestizierten Teilnehmer unserer Gesellschaft. Eigentlich eine faire Sache. Das derweil arbeitende Volk hat schließlich genügend Geld, sich den Nachruf auf diese Veranstaltung via Tageszeitung kaufen zu können ohne selbst auf den nötigen Abstand achten zu müssen. Ist auch gut so, da können wir wertvolle Zeilen sparen.

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Kommen wir also zur eigentlichen Wochenschau und beginnen sie mit einem Blick auf den Kulki. Speziell auf diesen Ort hatte der Bürgermeister unter der Woche seinen Fokus gerichtet, als er eine Art Sicherheitskonferenz ankündigte.

Natürlich wurde das hier und da gleich wieder als Wahlkampf gewertet, aber irgendwo macht es auch Sinn, die paar Tage bis zum Saisonschluss noch abzuwarten, um auch die Arbeit des neuen Securitydienstes beurteilen zu können. Dann lassen sich die Stellschrauben vielleicht besser justieren.

Die Polizei war da wesentlich ungeduldiger. Kaum war die Druckerschwärze des LVZ-Berichtes getrocknet, waren die Freunde und Helfer überraschend an der Uferpromenade präsent und kümmerten sich um zwei Motorräder samt Fahrer.

Da es wie immer keine Meldung aus der Polizeipressestelle gab (wisse: der Begriff Markranstädt wird dort als Spam rausgefiltert), machten bald schon Gerüchte die Runde.

Demnach waren die Zweiräder ihren eigentlichen Besitzern irgendwann davongefahren. Wenns so war, ist das besonders lustig.

Mit Motorrädern mit fremdem Eigentumshintergrund geradezu aufreizend in einem Fußgängerbereich rumzuheizen, ist an Intelligenz kaum noch zu toppen. Da könnte man gleich die Stufen zur Polizeidirektion hochfahren und das Büro des Präsidenten mit einem Reifen-Burner vernebeln, bis die Sprinkleranlage absäuft.

Gebühreneinzugsarchitektur

Ebenfalls für Aufhorchen sorgte die Meldung über eine neuerliche Dienstaufsichtsbeschwerde. Darin wird dem Bürgermeister vorgeworfen, sich 900.000 Öcken durch die Lappen gehen zu lassen, weil er am Kulki keine Parkgebühren erhebt. Spiske quittierte die Info „mit Gelassenheit“.

Er hat auch allen Grund dazu. Was der Beschwerdeführer nämlich nicht weiß, wird ihm jetzt gleich die Lesebrille von der Nase wedeln: Die Stadt kassiert bereits feste – und zwar schon lange. Allerdings nicht so einfallslos, wie das andere Kommunen tun, in denen hässliche Parkscheinautomaten das Landschaftsbild verschandeln.

In Markranstädt hat still und leise eine völlig neue Form origineller Gebührenarchitektur Einzug gehalten. Ähnlich wie in Südafrika, wo Mobilfunktürme wie Palmen aussehen, werden bei uns die unästhetischen Automaten hinter den Fassaden symathisch-unauffälliger Stadtmöbel versteckt.

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Auf diese Weise fügt sich der technische Fremdkörper, als Mülleimer getarnt, plötzlich harmonisch ins gewohnte Ensemble des Stadt- und Landschaftsbildes ein. Weil so viel Kreativität selbst in Markranstädt kaum zu vermuten ist, wurde für Kulturbanausen eigens noch ein Hinweisschild über den Automaten gehängt.

Aber das ist wieder mal typisch Markranstädt: Statt diese kreative Lösung als Alleinstellungsmerkmal zu feiern und für touristischen Wirtschaftsaufschwung zu nutzen, wird dienstaufsichtsbeschwert, bis sich die Balken biegen.

Sehen aus wie normale Büsche

Übrigens, auch für die angeblich fehlenden Toiletten am Kulki wurde bereits eine ähnliche Lösung geschaffen. Passanten wollen beobachtet haben, wie sich Seebesucher in hochmoderne und zudem barrierefreie Toilettenanlagen begeben, die von außen wie ganz normale Büsche aussehen. Fazit: Es ist alles gut, man muss es nur sehen wollen.

Lassen wir aber nun den Vorhang der Barmherzigkeit über den Rest der Woche hernieder fallen und uns noch einigen seriösen Nachrichten widmen.

Der seriöse Rest

Die gemeinsame Stadtratsfraktion von SPD und Bündnis 90/Die Grünen will, dass die im Freistaat Sachsen anerkannten Naturschutzvereinigungen wie NABU oder BUND freiwillig bei Verfahren im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung, Ergänzungssatzungen oder Flächennutzungsplanungen beteiligt werden sollen.

Ja, und schlussendlich auch mal wieder ein kultureller Farbtupfer. Am Sonntag startet auf Schloss Altranstädt die Ausstellung „Der Wolf kommt nach Friedensdorf – Landschaften um Altranstädt“ mit einer Midisage (das ist eine Vernissage unter Corona-Bedingungen). Mehr dazu erfahren Sie hier per Mausklick.

 

12 Kommentare

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  1. Im Prinzip bin ich auch für eine Abstimmung, aber ich möchte zu Bedenken geben, dass der offizielle Wahlverlierer einen kompetenten Rechtsanwalt einschaltet und den Nachtschichten Wahlbeeinflussung unterstellt und schon haben wir das Dilemma wie vor Jahren.

    1. Na endlich mal jemand, der den richtigen Durchblick hat! Genauso isses nämlich. Hier gab es schon jede Menge (nicht freigeschaltete) Kommentare, aus denen klar hervorging, dass die Kommentatoren die Interviews gar nicht gelesen hatten und lediglich ihren Favoriten protegieren wollten. Man sollte das Mindestwahlalter auf 60 erhöhen…

      1. Das fände ich nicht gut, denn ich müsste dann am 20.Sept. zu Hause bleiben und womöglich fehlt meinem Liebling eine Stimme zum Sieg

        1. Damit haben Sie schon zu viel verraten. „Meinem Liebling“ [männlich]! Wenns am Ende die Frau wird, können Sie quasi wegziehen. Weit weg! Frauen sind sowas von nachtragend…

  2. Ich wünsch mir auch eine Abstimmung.

    1. Sie sind nun schon der 34., der mit dieser Nummer kommt. Verstehen Sie doch: Die heimlichen Händereiber, die zum Lachen in den Keller gehen, sind klar in der Überzahl!

  3. Ich wünsche auch eine Abstimmung! Wäre doch ganz interessant

    1. Das ist kein Wunschkonzert, sondern harter Klassenkampf! Da muss man entschieden für die gemeinsame Sache eintreten. Wo sind Ihre propagandistischen Argumente?

    • Bärbel auf 22. August 2020 bei 9:59
    • Antworten

    Ds war eine der unterhaltsamsten und spannendsten Wochen, für die Ihr gesorgt habt. Vieln Dank. Und sorry, dass ich die Abstimmung bisher nicht unterstützt habe. Lasst mich also Nummer 19 sein. Vielleicht klappts ja noch. Ich wusste nicht, dass die Zielestellung bei 50 liegt.
    Ungeachtet dessen ist der Alltag auch ohne das herrrlich genug. Die Sichtweise auf die Büsche am Seeufer haben mir völlig neue Perspektiven eröffnet. Ahch dafür herzlichen Dank.

    1. Echt jetzt, die unterhaltsamste Woche? Lassen Sie das Ihren Mann nicht lesen!

  4. Falls mein Kommentar von vorige Woche noch nicht als Wunsch zur Abstimmung interpretiert wurde und ich damit nicht schon einer einer der 18 bin, möchte ich das hiermit kundtun. Meine Frau auch (hoffentlich gilt das). Damit sind es schon 20 Abstimmungswillige und ich hoffe, dass die 50 bis Sonntag Abend noch zudammenkommen. Das wäre auch ein würdiges Finale der großartigen und einmaligen Aktion. Danke Euch, dass Ihr das auf Euch genommen habt.

    1. Nein, Ihre Frau gilt nicht! Wo leben wir denn?

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