Neues aus der vierten Etage (18)

Die 18. Sitzung in der aufs Erdgeschoss des KuK runtergekommenen vierten Etage drohte angesichts der 21 Punkte auf der Tagesordnung wieder mal zu einem abendfüllenden Programm zu werden. Aber dem war nicht ganz so. Trotzdem war auch für die Satiriker wieder was dabei, die sich bekanntlich voll auf ihr Genre konzentrieren können, weil die Beschlüsse nicht mehr erklärt werden müssen. Das macht die Bürgermeisterin neuerdings selber, was ihr in den diversen Artillerie-Gefechten zumindest ein paar Meter Landgewinn einbringt.

Wie immer, begann der unterhaltsame Teil mit der Bürgerfragestunde. Der Begriff sagts: Stunde! Das wollen einige Bürger dann auch mit allen Mitteln ausreizen.

Als sich nach dem Aufruf des Tagesordnungspunktes niemand zu melden schien (Stitterich hatte Gängels zaghaft gehobenes Händchen übersehen), wollte die Bürgermeisterin schon im Programm fortfahren. Da kam aus dem Barte des Mannes ein schüchternes „Uhu!“, was sich allerdings durchaus auch als ein um Aufmerksamkeit flehendes „Huhu“ interpretieren ließ.

Am Mikrofon angekommen, bat Gängel zunächst um Aufklärung über die Besetzung der Führungsriege des Gymnasiums. Hintergrund: Im Publikum hatte er zuvor Ex-Schulleiter René Schulz entdeckt und ihn freudig als regierenden Dumbledore an Markranstädts Elitecampus begrüßt. Dieser konnte die Ehrung selbstredend nicht annehmen und lehnte die Re-Inthronisierung zu Gängels Überraschung ab.

Wo ist eigentlich Dumbledore?

Also begann der Seebenischer seinen Akt am Mikro mit der Frage, was denn nun am Gymnasium gehauen und gestochen sei. Denn in der Tat gibt es bislang noch keine öffentliche Erklärung zu den geheimnisvollen Vorgängen an dieser Schule.

Im Gegenteil: Die verantwortlichen Organe, die unsere Kinder zu Ehrlichkeit erziehen und ihnen die Maßstäbe zwischenmenschlicher Konfliktlösung mit auf den Weg geben sollen, haben in dieser Causa offenbar selbst immense Reserven.

Und so wartet man in Markranstädt weiter mit Spannung darauf, wann und wie die Entwicklung nach fast zwei Jahren mal erklärt wird. Am vergangenen Donnerstag in der vierten Etage war es jedenfalls noch immer nicht so weit.

Zwei Fragen, zwei Neophyten!

Aber Gängel hatte noch mehr auf der Pfanne. Erst den Riesenbärenklau und danach, weil das Kraut unterhaltungstechnisch schon ziemlich abgedroschen ist, wollte er dem Staudenknöterich eine Bühne geben. Da war auch die Geduld der Bürgermeisterin aufgebraucht und sie wies ihn erneut darauf hin, dass nur zwei Fragen gestattet seien. Nach einem kurzen, heftigen Diskurs schlich der Geläuterte geschlagen an seinen Platz zurück. Er wird sich künftig aus der artenreichen Botanik also vorher sorgsam zwei Neophyten aussuchen müssen, die er im Stadtrat vorstellt.

 

Nicht viel anders erging es auch Rüdiger Kunzemann, der Gängels Mikro quasi im fliegenden Wechsel übernahm. Zum dritten Mal in Folge hatte er die gleichen Fragen, was darauf hindeutet, dass die bisherigen Antworten zumindest aus seiner Sicht wenig zielführend waren. Hier böte sich, zumindest auf dem Schirm des Satirikers, sicher mal ein klärendes Gespräch zwischen den Beteiligten an, um die Angelegenheiten endlich mal zum Abschluss zu bringen und Platz für neue Fragen zu schaffen.

Keine Hilfe für Hotel-Anrainer

Emotional wurde es bei Anfragen zweier Anwohner im Bereich der Gemeinschaftsunterkunft im gelben Hotel, die ihrem Anliegen mit Aussagen weiterer Anrainer Gewicht gaben. Kurz übersetzt: Die körperliche Auslastung der Hotelbewohner ist mangels Integration in den Arbeitsprozess so strukturiert, dass für sie das aktive gesellschaftliche Leben zu einer Zeit beginnt, in der die arbeitende Bevölkerung normalerweise ihre eigene Arbeitskraft regeneriert.

Die Folgen sind fatal. Ausgerechnet jene Menschen, die täglich das für den Aufenthalt der Hotelgäste erforderliche Geld verdienen, werden der biologischen Grundlagen beraubt, dies mit vollen Elan tun zu können. Und werden zudem nach Hilfeersuchen bei Ordnungsorganen auch noch mit Aussagen beschwichtigt, die der ärztlichen Diagnose „Hypochonder“ gleichkommen.

Als ein Bürger geradezu händeringend ganz konkret Bürgermeisterin und Stadtrat ansprach und um wenigstens einen Lichtblick bat („Sagen sie mir bitte, was man tun kann und wie uns geholfen werden kann“), erntete er … nichts! Blicke zu Boden (ob die Schnürsenkel richtig gebunden sind), betriebsames Blättern in den Unterlagen zum nächsten Tagesordnungspunkt und sicher auch stoßgebetähnliche Danksagungen gen Himmel, dass das alles so weit entfernt ist vom eigenen Wohnsitz. Eine nonverbale Kapitulationserklärung. Wenigstens wissen sie da jetzt Bescheid im Hotellerie-Viertel. Lediglich die AfD kündigte einen Antrag an.

Ein General ohne Armee

Zum Glück brachte Matthias Seidler mit dem Statement seiner Ein-Mann-Bürgerinitiative die Anwesenden dann auf andere Gedanken. Er will sich nicht mit der Bebauung der Grünanlage an der Ecke Zwenkauer-Lausner Straße abfinden. Seine Argumente haben durchaus Gewicht. Weil die Sache aber schon durch ist und es seitens der BI zudem keine zündende Alternative gibt, blieb es bei einer neuerlichen Anhörung, welche die Bürgerfragestunde dann wenigstens auf 20 Minuten auszudehnen vermochte.

 

Die weiteren satirischen Eckpunkte sind schnell erklärt. Das Gymnasium bekommt „zwei Klaviere für die Bläserklassen“. Allein der Gedanke an die Folgeinvestition dafür erforderlicher Mundstücke ist schon einen Comic wert.

Trompetensolo auf dem Klavier

Kein Wunder, dass man ständig neue Klassenräume braucht. Bei dem notwendigen Lungenvolumen, mit dem man die Saiten eines solchen Instrumentes gleich eines Hammers zum Klingen bringt, ist sogar die Hamburger Elbphilharmonie bestenfalls eine Abstellkammer. Freuen wir uns also im nächsten Schuljahr auf ein Trompetensolo am Klavier.

Die diesjährigen 70.000 Euro des Freistaates zu Förderung des ländlichen Raumes fließen zum dritten Mal in Folge in die Stadthalle. Zum Vergleich: In Markkleeberg wird das Geld auf die dort ansässigen Vereine aufgeteilt. In Markranstädt quasi auch, weil die Vereine ja die Stadthalle nutzen, indem sie diese mieten können. Man denke und rechne. Diesmal werden neue Tische und Stühle angeschafft und es gibt in der Tat einen Verein, der daran partizipiert. Also alles gut – dachten sich denn auch 13 der 19 Stimmberechtigten.

Für den lustigsten Programmpunkt sorgte ein orientierungsloser Handwerker, der mitten in der Diskussion um die Schulbezirke, die schon zu einer Art Schach mit Menschen ausartete, ins hohe Haus platzte. „Weiß jemand, wo die Bebelhalle ist“, fragte er verzweifelt und erntete Kopfnicken in südöstliche Richtung. „Okay, danke. Und viel Spaß noch“, ließ er die vierte Etage in ihrer selbstgewählten Endzeitstimmung zurück.

Es gibt viel zu verbessern

Ganz am Ende sorgte auch die Bürgermeisterin für eine köstliche Einlage, die für die Mehrheit der Anwesenden leider wohl etwas zu intelligent war und deshalb kaum wahrgenommen wurde. Die beiden Satiriker hingegen wollten sich kaum noch beruhigen. Auf die Inhalte eines ebenso ominösen wie geheimnisvollen „Bildungsgipfels“ angesprochen, erklärte die Juristin mit einer das Podium einladenden Geste dessen Zielstellung: „Was können wir im Hinblick auf unsere Bildung noch verbessern?“

Also, da fällt den Markranstädtern bis zur nächsten Bürgerfragestunde im September bestimmt was ein. Man könnte fast Wetten darauf abschließen.

 

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