„Sie mögen bitte mehr positive Dinge berichten, verlautbart aus dem Machtzentrum.“ Mit diesem flammenden Appell wider alle liebgewordenen Depressionen wandte sich kürzlich ein überzeugter MN-Leser an das weltweit größte Satireorgan Markranstädts. Leider mussten wir ihm antworten, dass wir das zwar gern tun würden, uns aber die Fachkräfte für solche Aufgaben fehlen. Kurzerhand erklärte sich der Leser bereit, seine neu gewonnene Freiheit künftig als Volkskorrespondent der Markranstädter Nachtschichten zu nutzen und seine Feder selbst in Weihrauch zu tauchen, um ein Optimismus ausstrahlendes Poem zu entbinden. Liebe Leser: Begrüßen Sie mit uns die neue MN-Edelfeder Raphael Beule und lassen Sie uns gemeinsam sein Erstlingswerk feiern!
Positive Dinge gibt es auch über Markranstädt zu berichten. Beispielsweise zur Förderung des Jugendsports.
Aktuell werden große technische Anstrengungen unternommen, um den hoffnungsvollen Nachwuchs im Rennsport, natürlich im Rahmen der Möglichkeiten, zu unterstützen. Auch steuerlich ist das zukunftsträchtiger als Investitionen in die vergleichsweise brotlose Kunst des Synchronschwimmens oder Federball.
Die Amsel muss weg!
Vom Startpunkt am Tierpark in Lützen aus können die jungen Racker über die lange Gerade in Richtung Markranstädt Anlauf nehmen. Ob man schon genug Geschwindigkeit aufgenommen hat, lässt sich auch ohne Blick auf den Tacho beim Passieren des Chauseehauses feststellen.
Kann man auf dem dort angebrachten Fan-Banner die Aufschrift „Die Ampel muss weg!“ erkennen, ist man noch zu langsam. Verschwimmen die Buchstaben allerdings zum Slogan „Die Amsel muss weg!“, hat man die für Markranstädt am besten geeignete Durchfahrtsgeschwindigkeit erreicht.
Wer bremst, verliert
Doch Vorsicht: Unmittelbar vor Erreichen des Stadtkurses lauert noch eine gefährliche Rechts-Links-Kombination, die gefürchtete „Georg-Frank-Schikane“. Klug angefahren, sollte man sie nahezu ungebremst nehmen. Etwa in Sichtweite des örtlichen Bestattungshauses lauert dann vor der Einfahrt ins städtische Motodrom jene Stelle, wo sich die Spreu vom Weizen trennt.
Am Scheitelpunkt der Ideallinie wird dann von der Boxengasse aus über eine vorbildlich ablesbare Info-Tafel die persönliche Bestzeit angezeigt.
Einziger Wehrmachtstropfen: Ohne Co-Piloten gestaltet es sich als Herausforderung, das Ergebnis per Fotobeweis der Nachwelt zu erhalten. Lenken, schalten, fotografieren: Hierbei wird die Fähigkeit multifunktioneller Körperbeherrschung trainiert.
Wie am Comuter, nur echt
Das Konzept ist pädagogisch durchaus wertvoll, kann man so doch auch ganz ohne natürliche Gegner üben. Etwas aus der Zeit gefallen erscheinen lediglich die nur zweieinhalbstelligen Siebensegmentanzeigen. Hier muss noch aufgerüstet werden!
Selbst die von weniger talentierten Hartgeldluden bevorzugten, schmalbrüstigen flotten Dreier aus bajuwarischer Vorwendeproduktion stoßen, von unnützem Ballast befreit, durchaus in Geschwindigkeitsregionen vor, die noch vor wenigen Jahrzehnten als imperialistischer Angriff auf die Grundfesten der sozialistischen Bewegung geächtet waren.
Aber es gibt auch bei diesem Konzept noch Luft nach oben. Im Rahmen der kommunalen Chronistenpflicht wäre möglicherweise ein dezenter Hinweis im Mängelmelder hilfreich. Bei der Gelegenheit könnte man auch gleich noch noch einige Zeilen für weitere Einträge anfügen. Zum Beispiel für die Rangliste der bisherigen Rekordhalter.
Noch Luft nach oben
Im Gegenzug könnte der physikalisch nicht immer korrekte Hinweis „Sie fahren“ um weitere Bewegungsformen wie Pirouetten, Sidewinder, Parabelflüge oder auch versehentliche Kaltumformungen ergänzt werden. In diesem Sinne: Wir trinken erst mal einen, gefahren ist dann schnell.
8 Kommentare
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Schön, dass sich neue talentierte Schreiberlinge finden, wo doch sonst alle den Fachkräftemangel beklagen.
Eigentlich ist das eine hochqualifizierte Fachkraft auf einem ganz anderen Gebiet, aber auf dem herrscht auf der Flüchtlingsstrecke von Markranstädt nach Leipzig aktuell mehr Betrieb als auf der Balkanroute.
Danke für diese Tipps und Tricks der Zeit(en)optimierung ! Das wird besonders uns Seebenischern helfen, die momentane aber ja nur bis Oktober andauernde kilometerweite Umleitung besser und vor allem schneller zu meistern. Apropos Rekorde und Mängelmelder: ja, auch da gibt es welche! Wie wäre es, wenn die MN zukünftig eine Hitparade der am längsten durch die Stadtverwaltung ignorierten Meldungen veröffentlichen würden?!
Wozu sollten wir die Markranstädter mit Fragen belasten, deren Antworten sie nur verunsichern würden? Wiedervereinigung, Verlust der D-Mark, eine FDJ-lerin als Kanzler – was da alles auf die zukommt …
„Zweieinhalbstellige Siebensegmentanzeige“ – darauf muss man erst mal kommen. Die halbe Stelle hat mich darüber nachdenken lassen, was passiert, wenn ich meinen Clio auf V-max beschleunige. Bei 225 Sachen müsste demnach ein ’25 und bei 330 zum Beispiel ein |30 angezeigt werden. Da bekommt die Theorie von einer Tempo 30-Zone doch gleich eine ganz neue Dimension. Leider schafft es mein kleiner Hopser nicht mehr auf 400, weil der Hitzeschild defekt ist.
Sie Ärmste, Sie. Treten Sie doch einfach dem Oldtimerverein bei und leihen zur Befriedigung Ihres Geschwindigkeitsrausches ab und zu mal einen MAF aus. Die müssen auch mal bewegt werden.
Sehr, sehr lehrreiche Geschichte. Hat eine Weile gedauert, bevor ich das mit der Amsel begriffen habe. Noch länger musste der Groschen allerdings wegen der Tafel mit den Rundenzeiten fallen. Bisher dachte ich immer, dass dies ein visueller Anreiz ist, um während der Fahrt seinen Tacho zu eichen. Denn eine der beiden Anzeigen geht immer falsch. Bin vorgestern laut Tacho mit 62 Sachen reingebrettert und die Tafel hat mich mit der Amgabe von lediglich 55 gedemütigt. Gestern, mit vorschriftsmäßigen 48 km/h laut Tacho, zeigte die Tafel stolze 53 an. Für mich gibt’s da nur eine Erklärung: Hinter dem Display arbeitet eine lernfähige KI.
Versuchen Sie’s mal mit 230 Sachen. Wenn da eine 287 erscheint, ist wohl versehentlich eine Software aus dem Finanzamt installiert worden. Deren Steuerschätzungen beruhen auch auf der progressiven Interpretation des unbefriedigenden Ist-Zustandes.