Der mit dem Holz spricht

Weihnachten rückt näher und mit dem Fest auch die Zeit finaler Hektik. Gefühlt ganz Markranstädt rückt dann wieder aus und überfällt das Nova Eventis. Was schenkt man Leuten, die scheinbar schon alles haben oder bei denen man nicht weiß, was ihnen außer einem Gewinn bei „Wer wird Millionär“ noch fehlt?
Für Stine und Frank Michael aus der Schkeuditzer Straße beginnt an diesem Punkt alljährlich die Zeit, da ihre „Markranstädter Werkstätten“ zum Zentrum für Seelsorge völlig verwirrter Kaufrausch-Opfer werden, die sich plötzlich am Ziel ihrer Wünsche sehen.

Es gibt viele Möglichkeiten, anderen Menschen mit Weihnachtsgeschenken eine Freude zu bereiten. Kerzenständer aus einem skandinavischen Einrichtungszentrum zum Beispiel wäre eine davon. Die tragen dann meist so lustige Namen wie vielleicht Erek Tion oder Lasse Leuchten. Aber mit dem Spaß ist es schnell vorbei, wenn man einen Blick auf die Bauanleitung wirft. „Nehme das Staender (3) und fuhre die Stift (8) durch den Loch von Bohrer (2) mit Drehung von links in Aussparung (4) von Halter (1) von Kerze.“ Da kann am Ende schon mal ein Dildo dabei herauskommen oder eine Fernbedienung für eine Abschussrampe interstellarer Trägerraketen.

Man kann auch direkt ins Nova Eventis gehen und dort raten, ob es bei GEOX Schoko-Weihnachtsmänner, bei BiBA Handschuhe oder bei zero MP4-Player gibt. Falls nicht, gibt’s da noch Roland, ara, Viba, Esprit, Whörl, nanu-nana oder idee. Die Auswahl ist groß, die Bezeichnung der Läden verrät halt nur nicht, woran. Und hat man dann doch mal ein Geschäft gefunden, das einen Traum von BH für die Frau verheißt, dann fällt dem Mann garantiert nicht die Größe ein. So kann Einkaufen in der Vorweihnachtszeit in der Tat zu einem unvergesslichen Nova-Event werden – inklusive Plattfuß, Rückenschmerzen und 220 Blutdruck.

Mit diesen körperlichen Leiden kann man dann auf dem Rückweg bei einem unserer Markranstädter Ärzte einkehren oder … tja … kaum zu glauben: Bei den Markranstädter Werkstätten in der Schkeuditzer Straße 25. Denn immer öfter geschah es in den letzten Jahren, dass völlig entnervte Kunden nach erfolgloser Safari durch die Günthersdorfer Konsumwüste oder anderen Handelstempeln bei Stine und Frank Michael einkehrten und hier genau das fanden, was sie eigentlich suchten: Attraktive Geschenke mit Gebrauchswert, Ästhetik, hoher handwerklicher Wertschöpfung und vor allem mit einzigartiger Geschichte!

Lebendige Gegenstände mit Geschichte

Jedes Teil ist ein Unikat und birgt sowohl in Material als auch Ausführung seinen eigenen, ebenso interessanten wie mitunter auch kuriosen Lebenslauf. Unter der erfahrenen Hand des Tischlermeisters Frank Michael erhalten die seltsamsten Hölzer eine völlig neue, attraktive Identität. Da ist zum Beispiel die eindrucksvolle Schale mitten im Entree. Die Esche wurde einst in Quesitz von der Straßenmeisterei gefällt. „Das Zopfende, wo am Stamm die Äste begannen, lag im Straßengraben“, erinnert sich Frank Michael. „Es sah interessant aus und ich dachte, dass sich daraus was machen ließe.“

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In Quesitz aufgewachsen, nach Borna gebracht und schließlich in Markranstädt zu einem stilvollen Wohn-Accessoire geworden: Eine Esche, deren Maserung sie zur „Sonnenschale“ werden ließ.

Zu Hause erzählte er es seiner Frau, die am nächsten Tag vorbei fuhr und sich das Stück ansah. Weil sie nicht wusste, wem es gehört, schrieb sie mit Kugelschreiber Namen und Telefonnummer auf eine Schnittstelle am Stamm. Es kam der Winter und das folgende Frühjahr ging ins Land. Die Michaels hatten das Gehölz schon vergessen.

In der Straßenmeisterei in Borna, in die das große Holzstück inzwischen transportiert wurde, entdeckte ein aufmerksamer Mitarbeiter unter dem schmelzenden Schnee einen Schriftzug auf dem Stamm. Kurzerhand rief er in Markranstädt an und einen Tag später lag das Esche-Stück im Hof der Michaels. Der Tischlermeister schuf daraus ein eindrucksvolles Unikat. Jetzt wartet die Schale auf einen Interessenten, der nicht nur die kreative Handwerkskunst zu schätzen weiß, sondern auch die ganz besondere Geschichte dazu.

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Im Nebenraum steht eine interessante Kugel in der Vitrine, die ihr Geheimnis zunächst nur dem Fachmann preisgibt. Sie beherbergt einen Glaszylinder, in den man eine Kerze oder Blumenschmuck stellen kann. Die Löcher in der Kugel hat die Natur gefertigt, aber das gleich in vielerlei Hinsicht. „Die großen Löcher sind Astlöcher“, weiß Stine Ose-Michael. „Aber das hier, das ist etwas ganz Besonderes. Es ist ein Specht-Loch!“ In der Tat sieht man ganz genau die Spuren, die der Schnabel des Spechts dort hinterließ.

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„Guck mal, wer da gehämmert hat.“ Deutlich sind die Spuren zu sehen, die der Specht mit seinem Schnabel hinterlassen und mit dem er der Kugel einen einzigartigen Wert verliehen hat.

Der eindrucksvolle Kerzenständer, den der Meister aus einem Balken der abgerissenen Markranstädter Brauerei gefertigt hat und der damit ein wirklich bedeutendes Stück Heimatgeschichte verkörpert, ist in der Schkeuditzer Straße leider nicht mehr zu bewundern. Er hatte schon kurz nach seiner Fertigstellung einen Liebhaber gefunden und erzählt seine Markranstädter Heimatgeschichte nun in der Weltstadt Berlin.

Eine Weltreise endet in Markranstädt

Dafür hat eine andere originelle Anekdote hier in der Stadt am See ihren wirklich würdigen Abschluss gefunden. Begonnen hatte sie am Nordkap in Norwegen. Dort fanden die Michaels vor ein paar Jahren ein markantes Stück Treibholz. Fachmann Frank Michael stellte bald fest, dass die auffälligen Löcher von einem Parasiten stammen, der als Schiffsbohrmuschel bekannt ist. Sie war in der Seefahrt einst gefürchtet, weil sie das Holz der Schiffe befallen und zerstören konnte.

Aber die Schiffsbohrmuschel kommt nur in tropischen Gebieten vor. „Das Holz wurde von den Tropen ans Nordkap geschwemmt, hatte also eine wahre Weltreise hinter sich“, weiß Meister Michael. Doch am Nordkap war die Reise für den Stamm noch nicht zu Ende. Die Handwerker- und Künstlerfamilie nahm das Holz mit nach Markranstädt. Hier wartet es auf Eingebungen des Meisters. Ein Stück davon wurde schon zu einem reizvollen Teelicht verarbeitet und fand sofort einen dankbaren Käufer. Es ziert jetzt als Accessoire ein namhaftes Autohaus.

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Dieses Stück Treibholz begann seine Reise in den Tropen und machte Station am Nordkap, bevor es die Michaels nach Markranstädt mitbrachten. Das von der Schiffsbohrmuschel gezeichnete Material hat hier schon erste Liebhaber gefunden.

Apropos Eingebungen des Meisters: Überall in der Werkstatt warten Baumstämme, Holzscheiben, Wurzeln und Astknollen auf die Ideen von Frank Michael. „Hundertmal gehe ich an solch einem Stück vorbei, manchmal jahrelang. Irgendwann bleibe ich dann davor stehen und weiß plötzlich, was ich zu tun habe.“ Es ist, als ob das Holz zu ihm spricht.

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Historische Möbel werden auf Kundenwunsch auch aufgearbeitet.

Stine Ose-Michael unterstützt ihren Mann derweil nicht nur im Geschäft, sondern auch mit kreativen Ideen rund um die Werkstatt. Neben den Produkten aus der Tischlerei verkauft sie in den reizvollen Gewölben des Anwesens historische Möbel und Antiquitäten, die auf Wunsch auch aufgearbeitet werden.

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messer2Seit einiger Zeit sind auch handgeschmiedete Messer im Angebot. Die Griffe dafür fertigt Frank Michael in seiner Werkstatt selbst und jedes der verwendeten Hölzer hat natürlich auch wieder eine eigene Geschichte. Da ist zum Beispiel die Aprikose, die gefällt wurde, weil sie nicht mehr trug und „hässlich“ aussah. Stine Ose-Michael rettete den Stamm vorm Schredder und siehe da: Der einst hässliche Baum gebar die schönsten Messergriffe mit stilvollen Maserungen in den harmonischsten Naturkontrasten.

made in markranstädt: Am 7. Dezember ab 14 Uhr hautnah zu erleben!

„handmade in markranstädt“ ist am 7. Dezember hautnah zu erleben. Dann nämlich, wenn die Markranstädter Werkstätten ab 14 Uhr zu „Kunst, Kultur und Krempel“ ins Kreuzgewölbe in der Schkeuditzer Straße 25 laden. Und spätestens dann, wenn der Meister höchstpersönlich den alten Ofen anheizt, damit es im historischen Ambiente gemütlich warm wird, werden die großen und kleinen Besucher wissen, was ein wirkliches nova event ist.

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