Vom 15. bis 17. Juni steppt in Kulkwitz die Kuh!

Großes Hibbeln in Kulkwitz,rnitz und Seebenisch (KuGäSe). Die verschlafenen Fischerdörfer an den Ufern der Vernässungsfläche gleichen in diesen Tagen einem Kreißsaal. Nach etwa 35 Jahren Kinderlosigkeit stehen die werdenden Eltern rund um den Geburtsstuhl des Heimatfest-Nachfolgers. Und was auf dem Ultraschallbild zu sehen ist, löst geradezu Begeisterung aus: Es wird ein/e KuGäSe!

Seit dem letzten Schul- und Heimatfest, das unterschiedlichen Quellen zufolge Anfang der 1980er Jahre stattfand, gab es immer mal wieder vereinzelte Versuche, einen Stammhalter zu zeugen. Sie scheiterten regelmäßig aus unterschiedlichsten Gründen. Mal waren die Väter impotent, dann die Mütter zu jung oder böse Schwiegereltern rieten zur rechtzeitigen Abtreibung schon in der ersten Woche.

Nun haben sich in Kulkwitz alle vier ansässigen Vereine mit dem Ortschaftsrat und der Stadt zu einer Art Selbsthilfegruppe zusammengeschlossen und die Sache nach zahllosen Einzelversuchen endlich mal gemeinsam angepackt. Und siehe da: Im Uterus wächst ein kerngesundes Etwas heran, das täglich größer wird und Mitte Juni das Licht der Welt erblicken soll: KuGäSe 2018!

Kann ja nicht schwer sein, sowas zu organisieren. Zu DDR-Zeiten haben das der Bürgermeister und der Schuldirektor alleine gemacht. Allerdings mit der Partei im Rücken und dem ABV auf der Schwalbe. Diese Zeiten haben sich geändert und das mussten die Organisatoren öfter erfahren als ihnen lieb war.

Festwochenende 15. bis 17. Juni

Was auf Kulkwitz und Markranstädt zwischen dem 15. und 17. Juni zukommt, wird sicher in der Qualitätspresse und in anderen Kanälen noch hinreichend gepriesen. Werfen wir also einen Blick hinter die Kulissen dieses Events. Da gibt’s eine ganze Menge Realsatire pur für jedes noch so humoristisch pochende Herz.

Für die traditionsbewussten Kulkser sei vorab schon gesagt, dass es diesmal (noch) keine Geschirrteile gibt. Früher wars ja so, dass man jeweils am Ende der ersten sechs Schuljahre eine Tasse samt Untertasse bekam, danach eine Zuckerdose, dann ein Milchkännchen und schlussendlich eine Kaffeekanne. So hatte man in der 10. Klasse normalerweise ein komplettes Service zusammen.

Normalerweise. Denn gerade auf dem Lande, wo so mancher Stammbaum nur einen Ast haben soll, waren schon damals die Torten nicht nur mit den hellsten Kerzen geschmückt. Nicht auszuschließen also, dass es Jugendliche gab, die ihren Start ins wahre Leben mit elf Kaffeetassen antreten mussten.

Auch diese Zeiten haben sich geändert. Heute würde man sicher sagen, dass die Schulkarriere für den ebenso hochbegabten wie chronisch unterforderten ADHS-Prinzen einfach zu kurz war, um mit einer Kaffeekanne gekrönt zu werden. Schon droht die Einberufung eines Elternabends, in dem beschlossen wird, dass es bereits zur Einschulung eine Suppenschüssel mit zwei blauen Schwertern geben muss.

Kuh-Bingo mit Fladen-Jackpot

Das will sich in KuGäSe niemand antun und so ersann man eine unterhaltsame Alternative als Höhepunkt für das Fest. Es gibt ein Kuh-Bingo! Dazu wird ein einheimisches Rind in eine überschaubare Zierweide gesteckt, die – ähnlich wie beim Schiffeversenken – in einzelne Quadrate unterteilt ist. Bis 14:30 Uhr kann der Festbesucher am Totalisator Wetten abschließen, auf welches Feld die Kuh in der Zeit zwischen 14:30 Uhr und 17:00 Uhr kackt.

Das Feld, auf das in dieser Zeit der erste Fladen fällt, hat gewonnen! Bliebe noch der Unsicherheitsfaktor, ob das Vieh überhaupt den Drang zur Entleerung verspürt. Gerade dann, wenn so viele Leute zugucken, haben ja manche Wesen unter Gottes Himmel so ihre Probleme mit dem Akt der Erleichterung.

Für tierisches Vergnügen waren die Kulkwitzer schon immer zu haben. Hier beim  legendären Schweinerennen 1987, das in der gesamten DDR durch die Presse ging.

Aber der Seebenischer Landwirt Erik Munkelt, Besitzer der Wiederkäuerin, versicherte bereits im Vorfeld, dass er es hinbekommt, das Milchvieh zum Auslassen eines Analseufzers zu bewegen. Wobei Abführmittel nicht in Frage kommen, weil da kein territorial begrenzter Fladen droht, sondern ein über mehrere Quadrate reichender Streuwurf, der wiederum die Identifizierung eines Siegerfeldes unmöglich macht. Es wird auf alle Fälle ein wahrhaft tierischer Spaß.

Weniger Spaß hatten die Veranstalter bei den organisatorischen Fragen. So muss der Feldscheunenweg – ein zum Sportplatz führendes Sackgässchen – auf einer Strecke von etwa 100 Metern gesperrt werden. Obwohl sich der Verkehr in dieser Straße – wenn überhaupt – eher in den dort befindlichen Wohnhäusern abspielt, entwickelte sich die Bürokratie der Anträge und Anordnungen zu einem Vorgang mit wahrhaft europäischen Dimensionen.

Die zwischenzeitlich entbundene Idee, auf die Anträge einfach zu verzichten und statt dessen zwischen Fischbude und Getränkestand einen Integrationspavillon zu schieben, wurde zwar nicht einmal anständig ignoriert, hatte aber durchaus satirisches Potenzial. Wer würde es in Zeiten wie diesen wagen, das ehrenamtliche Engagement für die Integration neuer Fachkräfte wegen eines fehlenden Antrages scheitern zu lassen? Eher noch würden die Grünen eine Delegation aus Berlin schicken, um das Festgelände per Menschenkette persönlich abzusichern.

Ging damals auch ohne europaweite Anträge oder Demonstration für ein weltoffenes Markranstädt: Umzug beim Kulkwitzer Heimatfest in den 50-er Jahren.

Und in der Tat hätten die Veranstalter auf den auch finanziell recht aufwändigen Antragsmarathon verzichten können. Die Rechtslage in Deutschland machts möglich: Einfach das Heimatfest als Demonstration für ein weltoffenes Markranstädt angemeldet und schon hätte es keines Formulars bedurft und Vater Staat hätte sich um alles gekümmert. Inklusive Sperrungen sowie Polizeiabsicherung rund um die Uhr. Nicht mal die GEMA hätte ihre Langfinger auf die Vereinskonten ausstrecken können.

Gut, andererseits machts aber auch keinen Sinn, ein Fest für nur eine handvoll Rastazottel aus Leipziger Wagenburgen zu organisieren. Also hat man in KuGäSe alles fleißig beantragt und geht sprichwörtlich in die Vollen. Aktionen für die ganze Familie stehen auf dem Programm und allein die Höhepunkte sind schon das Kommen wert.

KuGäSe: Ein Unwort macht Karriere

Da gibt es neben dem Kuh-Bingo auch ein LO-Ziehen, attraktive Feuerwehrübungen, Fußball-Turniere, einen Sommernachtsball beim Groitzscher oder Vorführungen alter Filme und Fotos früherer Heimatfeste bei Kaffee und Kuchen. Am Sonntag folgen dann ein Frühschoppen, der Abschluss der Punktspielsaison im Fußball mit dem prestigeträchtigen Derby zwischen Kulkwitz und Räpitz und am Ende dann das Public-Viewing mit der WM-Begegnung zwischen Deutschland und Mexico.

Wenn all das klappt, was sich die Veranstalter so ausgedacht haben, werden die sechs Buchstaben KuGäSe in den kommenden Jahren zu einem stabilen Begriff im Veranstaltungskalender der Stadt Markranstädt. Mal ehrlich: Wer denkt noch ans Münchner Oktoberfest oder will nach Wacken, während er sich fragt, was KuGäSe bedeutet?

 

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