Hatten Sie vor der großen Werbeaktion der deutschen Medien schon mal was von dem Lied „L’amour toujours“ gehört? Wir auch nicht, und Claus Narr gleich gar nicht. Der stand bisher mehr so auf alte Märsche. Doch seit dieser Woche ist auch der MN-Führer ein absoluter Fan heliumleichter Ballermann-Musik. Diese Abkehr von revanchistischem Liedgut, in dem es im wummernden Takt frisch geputzter Stiefel um Leute geht, die gen Engeland ziehen oder in fest geschlossenen Reihen ihre Fahnen hoch halten, hätte er ohne die meinungsbildende Unterstützung der deutschen Medien allerdings nie geschafft. Zeit für tief empfundene Zeilen eines aufrichtigen Dankes.
Vor einigen Jahren hatte ich mal einen Prozess gegen einen Politessrich gewonnen. Der hatte seelenruhig dabei zugesehen, wie ich mein Auto auf einem Behindertenparkplatz abgestellt habe und mir dann ein aufmunterndes Knöllchen an die Scheibe gespeichelt.
Das heißt: So richtig gewonnen habe ich leider nicht, aber der uniformierte Kommunalscherge hat auch ganz schön was auf den Deckel gekriegt. Er hätte nämlich schon bei meinem Versuch, das Fahrzeug falsch abzustellen, energisch einschreiten müssen. Neben der verpflichtenden Vereitlung von Untaten kam im Prozess auch die jedem Bürger obliegende „Schadensminderungspflicht“ zur Sprache.
Den Schaden multipliziert
Die hat jeder und immer, erfuhr ich aus dem berufenen Munde des Richters. Aus dem Juristendeutsch übersetzt heißt das, dass man die Pflicht hat, alles zu tun, damit ein entstandener Schaden nicht noch größer wird.
Wenn ich mir vor diesem Hintergrund anschaue, wie Deutschlands Qualitätsmedien in dieser Woche mit einem auf Sylt gedrehten Video umgegangen sind, beschleichen mich allerdings ernsthafte Zweifel an diesem hehren Grundsatz.
Vorm Gesetz gleicher?
Auf der Schwelle des 75. Lebensjahres unseres Grundgesetzes stehend, muss ich feststellen, dass nicht nur alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, sondern die Medien offenbar sogar noch ein ganzes Stück gleicher. In den Redaktionen wurden sämtliche Register gezogen, um die mutmaßlich verfassungsfeindlichen Inhalte des Videos allen Bürgern zugänglich zu machen.
Mit bemerkenswertem Erfolg allerdings, das muss ich zugeben. Hatte ich das Lied „L’amour toujours“ bis dato noch nicht einmal gehört, kenne ich jetzt sogar dessen Text. Binnen weniger Stunden konnte ich die Hymne fehlerfrei mitsingen. Zumindest die deutsche Version.
Im Hirnumdrehen ein Hit
Die Propagandamaschine der deutschen Medien hat mich und Millionen andere im Hirnumdrehen als Follower generiert und den Ohrwurm damit in die Charts katapultiert. Eine beachtliche Leistung.
Sorgen mache ich mir eigentlich nur darüber, dass mich mal jemand dabei filmt, wie ich meine Verwandtschaft nach einer Feier vom Balkon aus verabschiede und ihr nachwinke, während sie zurückwinkt.
Im richtigen Moment angehalten, lässt sich da bestimmt ein Standbild herauskopieren, auf dem mein Arm gerade zu einem veritablen deutschen Gruß erigiert ist. Ich lese schon die Schlagzeile: „So braun ist Markranstädt: Hofnarr hält Führeransprache vom Balkon aus – das Volk jubelt ihm zu!“
Ähnliche Erfahrungen hat wohl auch die neu entdeckte Syltkröte gemacht, die von Forschern der Politanthropologischen Unität Ostfriesland unmittelbar nach Verbreitung des Videos aufgespürt wurde und die mit ausgestrecktem Vorderlauf seither durch die sozialen Netzwerke geistert.
Auf der anderen Seite erübrigen sich damit auch die üblichen Floskeln. „Oh, ihr seid im Urlaub aber braun geworden, wo wart ihr denn?“ Die ehrliche Antwort auf das geheuchelte Interesse kann nur lauten: Auf Sylt!
Die Kernbotschaft der Woche lautet also: Wer was zu sagen hat, das den meinungsstalinistischen Grundsätzen unserer Gesellschaft entgegensteht, der weiß jetzt, wie man die Medien bei deren Verbreitung einspannen kann. Da behaupte noch einer, in den Schreibstuben und Sendestudios wäre man linientreu.
Die wahren Sorgen der Medien
Aber die Fernsehmacher haben aktuell sowieso ganz andere Probleme. Vor allem das ZDF, das soeben das „wokeste Jahr“ seiner Geschichte ausgerufen hat, blickt in eine spannende Zukunft. Stichworte wie kulturelle Aneignung, rassistische Stereotype, sexistische Inhalte, Diversität und so weiter lassen sich im Zeitalter der legislativen Monarchie zusammengefasst in die Rolle der Bedeutung orgastischer Verknispelung der Synapsen pressen.
Neger dürfen nur noch von Negern gespielt werden (kein Blackfacing), Chinesen von Chinesen (kein Yellowfacing) und Indianer von Indianern (kein Redfacing). Allein die Tatsache, dass einer wie Gojko Mitic für seine kulturell aneignenden und rassistische Stereotype bedienenden Darstellungen der DEFA-Vergangenheit heute auch noch eine Rente bekommt, ist vor diesem Hintergrund geradezu unerträglich. Howgh, ich habe gesprochen!
Aber so weit, so gut. Schwierig wird das Ansinnen des ZDF allerdings bei Filmen, in denen Nazis mitspielen sollen (Brownfacing).
Wo castet man Mörderinnen?
Reicht da beim Casting die Vorlage eines Parteiausweises oder sollte der Bewerber um die Rolle des Hauptsturmführers Fritz Müller wenigstens schon mal durch einen gepflegten Schusswechsel bei einer Demo in Leipzig polizeibekannt aktenkundig geworden sein? Und wo rekrutieren die Produzenten von Kriminalfilmen künftig eigentlich ihre Mörder oder Vergewaltiger?
Zum Glück ist das Problem aber nur halb so groß wie es scheint. Ebenso wie Nazis, Täter, Steuerhinterzieher oder Raser, gibt es auch Mörder und Vergewaltiger in den woken Medien nur in männlicher Ausführung. Die feminimöse Hälfte der Bevölkerung darf weiter nach Herzenslust gecastet werden, da sie ja per se ausschließlich sämtliche Charaktereigenschaften zwischen gut und unschuldig repräsentiert.
Ganz meiner Deinung
Und so bleiben uns nach dem Ende der vom deutschen Gesinnungsadel angezettelten Kulturrevolution, an dem die Meinung durch die Deinung ersetzt sein wird, wenigstens Filmfiguren wie Krankenschwesterin Agnes Kraus oder die Rüdin Lassie erhalten. Rüdiger wie Idefix oder Pluto müssen hingegen einer Geschlechtsumwandlung unterzogen werden, bevor sie wieder auf das Publikum losgelassen werden können.
Das Truthuhn und Put*in
Bei Neuverfilmungen werden wir uns beispielsweise in Dokus aus dem Tierreich allerdings an Spezies wie das Truthuhn oder die Dina-Saurierin „Rosalie“ (ein friedliches, sich vegan ernährendes T-Rex-Weibchen mit rosa Schuppen) gewöhnen müssen. Und in politischen Formaten an zurechtgegenderte Hauptdarsteller wie Put*in.
Impfstoff als letzte Chance für die Menschheit
Und dann kursieren ja auch immer noch die Verschwörungsgedanken, wonach der Corona-Impfstoff das Erbgut der Menschen verändern würde. Wie sehr wünsche ich mir an Tagen wie diesen, dass an der Theorie wirklich was dran wäre.
Wenigstens eine kleine Veränderung in irgendeiner Amino-Säure-Kette oder sowas. Es kann nur positive Auswirkungen auf den Fortbestand der Menschheit haben. Sozusagen die letzte Chance für die letzte Generation.
3 Kommentare
Ob Sylt oder anderswo: Jedenfalls ist schon der Schaden ziemlich kaputt!
Meinungsstalinismus ist ein interessantes Wort, ich glaub Ihr habt das grad erfunden, bei Google gibtˋs das noch nicht. Viele Grüße von Korsika
Diese verbale Spasme erkennt nur, wer Urlaub auf Napoleons Spuren macht. Gute Erholung!