Die zurückliegende Woche stand in Markranstädt ganz im Zeichen der Wohnungswirtschaft. Grundsteuern, Mieten, verfügbare Wohnungen … alles geht den Bach runter und wird damit teurer. Und selbst ein Auszug geht ins Geld. So musste jüngst ein Mieter nach Leipzig fahren, um sich dort im Zoohandel zehn Ratten zu kaufen. „Ich soll die Wohnung so verlassen, wie ich sie vorgefunden habe“, schimpft der jetzt Obdachlose. Aber es gibt auch noch andere Themen, die Markranstädt in der zurückliegenden Woche in Atem gehalten haben.
Die letzte Woche begann mit einem Schmankerl. Die Volkshochschule hatte zu einem Bürgerforum mit Vertretern des Stadtrates ins MGH geladen. Ein Format, das jetzt regelmäßig einmal im Quartal stattfinden soll. Sozusagen „Stadtrat in einfacher Sprache“.
Die Auftaktveranstaltung war dazu gedacht, die Erwartungen und Handlungsmöglichkeiten des Stadtrats auf der einen und die der Bürger auf der anderen Seite darzulegen. So sollte der Boden für ein grundlegendes Verständnis füreinander bereitet werden.
Lücken in der Front
Glaubt man den abschließenden Feedbacks, hat das geklappt. Anwesend waren Stadträte von Linken, Grünen und CDU, die Freien Wähler hatten sich entschuldigen lassen. Dass die AfD nicht dabei war und nicht einmal abgesagt hatte, kann allerdings auch dem Umstand geschuldet sein, dass sie die Einladung gar nicht erhalten hat. Und genau bei dem Thema begann beim Forum der Igel zu krähen.
Analoger Datenschutz
Denn während die Parteien beim Wahlkampf jeden Briefkasten der Bürger erreichen, ist es in Markranstädt längst nicht selbstverständlich, dass diese Bürger in umgekehrter Richtung ihre Abgeordneten kontaktieren können.
Selbst Google, ansonsten geradezu allwissend, kann für die meisten Stadtratsfraktionen keine Kontaktdaten liefern. In anderen Kommunen steht sowas auf der Webseite der Stadt, in Markranstädt gibt’s das nur analog als Briefkästen auf der Rathaustreppe.
Hausaufgaben für Stadträte
Das Internet ist dann halt doch für viele Menschen noch Neuland, diese Vision hatte Angela Merkel schon 2014 orakelt. Zumindest die anwesenden Stadträte haben sich diese Kritiken aber in ihren Hausaufgabenheften notiert.
Wahrer Bürgerservice
Ortswechsel: Im Rathaus hat man die Bedeutung des Internets nicht nur erkannt, sondern es in der zurückliegenden Woche auch richtig im Interesse des Bürgers genutzt. Der Hinweis zur künftigen Zahlung der Grundsteuer war mal wirklich eine Geste mit echtem Service-Charakter. Chapeau und: Wer jetzt bezahlt, ist selber schuld.
Allerdings profitieren davon nur Eigentümer. Mieter haben im Zuge der Grundsteuerreform definitiv die Arschkarte, was im Stadtrat bis dato nur Heike Kunzemann (Linke) aufgefallen ist. Denn wenn ein Eigentümer zu viel zahlen muss, kann er dagegen beim Finanzamt vorgehen.
Muss er aber vor allem dann nicht, wenn er nicht in dem Haus wohnt, sondern es nur vermietet. Da kann er sich den Aufwand des Widerspruchs sparen, weil er die Steuer ja sowieso auf die Mieter umlegt. Und die haben keine Chance, sich dagegen zu wehren. Willkommen im Sozialstaat oder was auch immer von Cum-Ex übriggeblieben ist.
Zwischen Zuzug und vögeln
Ist aber eh wurscht in einer Stadt, in deren Rathaus man zwar heute schon weiß, wieviele Kinder 2030 geboren werden und man deshalb fleißig Kitas baut, aber in den vergangenen Jahren offenbar keinen Schimmer davon hatte, dass eine wachsende Stadt auch Wohnungen braucht.
Grade mal 4 (in Worten: VIER) freie Bleiben gibts in Markranstädt aktuell, während ein Projekt für 60 Wohnungen seit Jahren auf Eis liegt. So kriegt man die Armen aus der Stadt gejagt oder in Ghettos wie die Leipziger Straße 2c oder das Räpitzer Obdachlosenheim deportiert und steigert mit zahlungskräftigen Mietern die Einnahmen aus der Einkommenssteuer. Kalte Vertreibung – klappt auch ohne kommunales Wärmekonzept.
Nicht nur Rufnummer, auch Postleitzahl kann bei Vertreibung mitgenommen werden
Wer sich Markranstädt nicht mehr leisten kann und in seinem neuen Zufluchtsort auf ein Stück alte Heimat nicht verzichten möchte, kann jetzt im Internet fündig werden.
Eine MN-Leserin hat das getan, weil sie in ihr neues Asyl im Ausland nicht nur ihre Telefonnummer, sondern auch die Postleitzahl mitnehmen will.
Die App bietet eine erstaunlich reichhaltige Auswahl. So kann man beispielsweise nach 04420 Mexiko-Stadt ziehen oder nach 04420 Järvenpää in Finnland, sich in 04420 Beaujeu künftig von Fröschen ernähren oder die Siesta seines Lebens im spanischen 04420 Santa Fe de Mondujar abfeiern.
Wir lernen: Niemand muss auf der Straße landen, wenn ihn die kalte Vertreibung aus Markranstädt ereilt – überall auf der Welt gibt es ein 04420.
Zum Glück nur Kauka
Apropos App und Markranstädt: Dem Klang nach wahrscheinlich ebenfalls im finnischen 04420 Järvenpää entwickelt, gibt es unter https://tjukanovt.github.io/notable-people ein Angebot, das in Lallendorf für tiefes Aufatmen sorgen sollte.
Auf dieser Seite werden für alle Käffer der Welt jene Namen von prominenten Personen aufgeführt, die im Zusammenhang mit dem jeweiligen Ort im Internet am häufigsten geklickt werden.
Weil Arbeit mehr Arbeit macht als Zeichensetzen
In einer Stadt wie Markranstädt, in der zwar regelmäßig Zeichen für Demokratie gesetzt werden, aber die Entfernung von Hitlers Steigbügelhalter Paul von Hindenburg aus der Liste der Ehrenbürger zu viel Arbeit ist, droht damit eigentlich eine ähnliche Reputation, wie sie auf der Karte beispielsweise der Stadt Braunau am Inn zuteil wird.
Welch ein Glück, dass wenigstens Rolf Kauka in Markranstädt geboren wurde. Dem wird allerdings auch eine rechtskräftige Verstrickung nachgesagt, weshalb in Markranstädt keine Straße nach ihm benannt wird. Selbst für Kitas müssen einfallsloseste Bezeichnungen kreiert werden, nur um sie nicht nach seinen Füchsen Fix und Foxi benennen zu müssen.
Es hätte schlimmer kommen können
Bedenkt man aber die Alternativen, hat Markranstädt mit dem Kauka noch einmal richtig Glück gehabt. Es gibt Käffer auf der Karte, die müssen sich mit Reinhard Heidrich, Walter Ulbricht oder Florian Silbereisen herumschlagen.
Aber selbst wenn unter Markranstädt Namen wie Freddy Krüger, Lord Voldemort oder die Teletubbies auftauchen würden, hätte man zumindest noch Alternativen. Man muss sich ja nicht damit abfinden und hier bleiben. Beispielsweise kann man nach Järvenpää umsiedeln. Tero Seppälä kennt im schneebefreiten Markranstädter Flachland eh keiner, die Mieten sind bezahlbar und die Postleitzahl 04420 zieht quasi mit um. Die Post kommt an.
8 Kommentare
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Hat man bei den freien Wohnungen die leeren Büroräume der Stadtverwaltung mitgezählt. Seit der letzten Kündigungswelle wird doch das ein oder andere möblierte 1-Zimmer-Appartment im kuschlig warmen Rathaus oder Verwaltungsgebäude bezugsfertig sein.
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Die sind schon weg. Da kommen jetzt Flüchtlinge rein.
Ihr Markranser Hofnarren habt ja wieder eine Menge herausgefunden. Die Postleitzahl 7101 bleibt wohl einmalig im deutschen Lande und die öffentliche Anbindung am Postvertrieb. Durch die Eröffnung des Personenhaltepunktes Seebenisch der Königlichen Eisenbahndirektion am 23.12.1897 auf der Bahnstrecke Lindenau – Lützen wuchs wahrscheinlich auch die Einwohnerzahl. Mit den Pflückern auf den Erdbeerfeldern stieg die Kinderzahl, wohlgemerkt, wer mit wem auch immer die Körbe füllte. Obdachlos war niemand und im Dorfgasthof „Zur Linde“ war der „Erdbeerball“ beliebt, über 60 Jahre her. Hier fehlt eigentlich die Erdbeerstrasse, um den jungen Leute diese Geschichte näher zu bringen. Habt einen fröhlichen 1. Advent.
Erdbeerstraße – das klingt nach Kultur und Heimatgeschichte. Beides gibt es in Markranstädt nicht, ist auch nicht gewollt und was davon noch übrig ist, verfällt.
Liebe Freunde der gepflegten Lokalsatire, heute ist Euch ein kleiner Denkfehler unterlaufen. Die Inhalte Eurer Botschaften sind für jene Menschen, die mit 04420 etwas anfangen können, kaum mehr verständlich. Die Zielgruppe, die mit Eurem Humor noch etwas anfangen kann, erreicht Ihr mit der Zahlenkombination 7153 oder übergangsweise wenigstens noch O-7153. Das nur als Tipp für die Zukunft, falls Ihr den Spaß mit dem Vermerk „unzustellbar“ oder „Annahme verweigert“ retour bekommt.
Okay, danke für den Hinweis. Und das Ganze senden wir dann wohin? In die Oswald-Jäckel-Straße?
In der DDR fand man leicht einen Arbeitsplatz. Man musste jedoch einen Wohnsitz nachweisen. Andersherum konnte man keine Wohnung bekommen, wenn man keinen Arbeitsplatz hatte. Der Vorteil ist heute, dass man sorglos überall leben kann, ohne arbeiten zu müssen, wenn man alles geerbt, viel in der Lotterie gewonnen hat oder eben einiges ergaunern konnte. Was interessiert da noch das Elend und die neue Armut anderer Leute. Unsere Abgeordneten müssen sich sich ja nur ihrem Gewissen verpflichtet fühlen und auf Gott vertrauen. Einige Problemunternehmen und – Institutionen unterliegen der Selbstkontrolle. Das kann die Demokratie mit der Vielfalt ihrer Angebote auch nicht mehr ändern!
Es gibt neben erben, gewinnen und ergaunern aber auch weitere Quellen eines sorglos-angenehmen Lebensunterhalts. Wenn man die ebenfalls berücksichtigt, bleiben nicht mehr viel Alternativen um arm zu werden. Vielleicht liegt es an der Definition des Begriffes Armut?