Melde gehorsamst: Der Markranstädter Mängelmelder

Ist das ein Grund zum Feiern oder zum Verzweifeln? Erfreulich ist auf jeden Fall schon mal, dass viele Markranstädter ihre Augen aufgemacht und den Mängelmelder der Stadt entdeckt haben. Es zeugt davon, dass sie die vermeintliche „Leck-mich-am-Arsch“-Haltung aufgegeben haben und auf Missstände hinweisen. Allerdings stellt sich nach nunmehr einem knappen Jahr die Frage nach der Wirksamkeit und den Folgen aller Mängelanzeigen. MN-Leser Jabadu hat sich dazu einmal Gedanken gemacht und das Jubiläum der 500. Mängelanzeige im Oktober zum Anlass genommen, eine populärwissenschaftliche Analyse aus Bügersicht zu entbinden. Hier sein Exposé.

Glaubt man dem Portal, wurden von den 500 Meldungen bis dahin 68 erledigt. Über den Daumen gepeilt ist das ein abgestellter Mangel pro Woche.

Würde die Stadt den Mängelmelder mit sofortiger Wirkung einstellen, hätte sie bei gleicher Arbeitsleistung noch rund sechs Jahre zu tun, um alle Mängel abzuarbeiten.

Arbeitsplatzsicherung

Zugute könnte man der Stadt vielleicht halten, dass sie schon mehr Mängel abgearbeitet hat, aber diese wegen ungeklärter struktureller Fragen noch nicht als erledigt markieren konnte. Umgekehrt ist es schon vorgekommen, dass Mängel als erledigt gemeldet wurden, aber immer noch bestehen.

Schöne Torte, aber die Kerzen darauf sind nicht die hellsten, was sich vor allem im Zustand der Straßenbeleuchtung zeigt.

Schöne Torte, aber die Kerzen darauf sind nicht die hellsten, was sich vor allem im Zustand der Straßenbeleuchtung zeigt.

Insgesamt verteilen sich die Mängel auf die ganze Palette aller möglichen Sachverhalte. Als Schwerpunkt kristallisiert sich jedoch ausgerechnet die Beleuchtung der Stadt heraus. Lampe an, Lampe aus. Gestern repariert, heute wieder kaputt.

Ein Helles bitte!

Mit anderen Worten, die Markranstädter sind wohl nicht mehr die Hellsten. Allen voran kann man dieses Merkmal zumindest den Verantwortlichen unterstellen. Denn denen müsste doch langsam mal ein Licht aufgehen.

Mängel aus der Antike

Die älteste in Bearbeitung befindliche Meldung über eine kaputte Laterne stammt vom 5. Januar 2024. Oder leuchtet die gar schon wieder und es fehlt nur das Häkchen? Die „älteste“ als NEU eingestufte Meldung datiert indes vom 4. November 2023.

Mit anderen Worten: Seit über einem Jahr hat sich niemand erfolgreich mit dem Hinweis über den Zustand des Grabenweges in Seebenisch befasst.

Nun ist der Grabenweg sicher nicht der Broadway von Markranstädt, aber die Mängelsammler der Stadt hätten inzwischen wenigstens mal aus dem „Neu“ ein „in Bearbeitung“ machen können. Das läge dann auch ganz auf der strategischen Linie der Mängelbearbeitung, in der es üblicherweise heißt: „Vielen Dank für den Hinweis…“

Schenke Freude, ernte Dank

Mängel unter der Kategorie „Anliegerpflicht“ entwickeln sich vor allem dann zum Dauerbrenner, wenn es um die Straßenreinigung an solchen Stellen geht, an denen die Stadt als Reinigungspflichtige agieren sollte. Also wo die Reinigung wöchentlich stattfinden soll.

Aber denkste. Hier hat die Stadt ein dickes Fell oder einfach keine Leute dafür eingeplant. Nur so ist es zu erklären, dass die Zwenkauer Straße über einen Zeitraum von mehreren Wochen sechsmal als nicht gereinigt gemeldet wurde.

Arbeitskräftemangel ist auch ein Mangel

An dem Gedanken, dass für die Reinigung keine Leute da sind, könnte etwas dran sein. Sieht man sich die letzte Stellenausschreibung für den Sachbearbeiter Straßenunterhaltung und Leiter/in Technischer Service (m/w/d) an, so muss man feststellen, dass die Problematik Straßenreinigung in dessen Arbeitsaufgaben keine Rolle spielt.

Straßenreinigung wird überbewertet, wenn man es nicht gerade als Einnahmequelle beim Verstoß gegen privatisierte Pflichten sieht.

Richtig schwierig wird es dann, wenn man versucht, den Ort zu finden, an dem der Mangel anzutreffen ist oder sein sollte. So ist eine Meldung über ein altes Fahrrad, das auf der Kippe nach Kulkwitz liegt, an die 350 Meter entfernte Zwenkauer Straße hinter dem Wald verortet worden. Die Meldung dazu stammt vom 25. April 2024 und ist natürlich „Neu“.

Vor dem Hintergrund der geografischen Ortungsprobleme könnte das allerdings auch heißen: Die Mängelabsteller der Stadt sind auf der Suche nach 187 Orten. Denn am Tag des Eingangs der 500. Mängelmeldung befanden sich immerhin schon genauso viele in Bearbeitung.

Die im Dunkeln tappen

Wie schwierig das mit der Ortung ist, zeigt sich auch bei der Beleuchtung. Am Tag sieht man zwar die Lampen, erkennt aber nicht, ob sie funktionieren. Und weil die kaputten Laternen im Dunkeln aus sind, kann man auch nachts nicht feststellen, wo sie sich befinden.

Das Verständnis der Bürger

Wir lernen: Es gibt für alles eine Erklärung. Besonders wohltuend ist übrigens das tiefe Verständnis, das die Bürger angesichts der Bearbeitungsdauer oder der fehlenden Erfolgsmeldungen aufbringen.

Schon gibt es die ersten Hinweise, in denen in einer Art vorauseilendem Verständnis sogar explizit darauf hingewiesen wird, dass sich die Stadt bei der Mängelbeseitigung durchaus Zeit nehmen soll.

So viel Großherzigkeit wünscht man sich nicht nur vor Halloween, sindern auch vor Weihnachten, Ostern und zu Hause.

So viel Großherzigkeit wünscht man sich nicht nur vor Halloween, sondern auch vor Weihnachten, Ostern und zu Hause.

Dieses Beispiel sollte auch in anderen Bereichen Schule machen. Kein Winterdienst auf den Straßen, damit der Weihnachtsmann mit dem Schlitten durchkommt, keine Grasmahd an den Straßenrändern, damit der Osterhase genügend Verstecke findet und auch kein Verbot häuslicher Gewalt mehr, damit man sich umso mehr auf die Versöhnung am Valentinstag freuen kann.

Eigentlich ist so ein Mängelmelder in Wahrheit ein Chancenverzeichnis. Und wenn man ihn so sieht, ist alles in Ordnung.

13 Kommentare

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    • Manfred auf 27. November 2024 bei 16:58
    • Antworten

    Richtig gemacht! Markranstädter brauchen viel Licht, Die Beamten sind keine Leuchten.

    1. Kommt auf die Stromstärke an, mit der man sie speist.

    • Stromer auf 25. November 2024 bei 11:40
    • Antworten

    Es scheint mir ja so, als würde es in Markranstädt ein Problem mit den Straßenlaternen geben. Es kann ja auch niemand ahnen, dass die Menschen in der dunklen Jahreszeit auf den Gehwegen etwas sehen wollen.
    Aktuell 95 Meldungen In Bearbeitung oder Neu zum Thema Straßenlaterne….

    1. Die durchschnittliche Leistung einer deutschen Straßenlaterne beträgt 100 Watt. Macht bei 95 Lampen zusammen 9.500 Watt, was 9,5 Kilowattstunden entspricht. Eine Kilowattstunde kostet aktuell durchschnittlich 27 Cent, was nach Adam Ries 2,57 Euro pro Stunde ergibt. Bei aktuell rund 12 Stunden Dunkelheit macht das 30,84 Euro pro Nacht. Von November bis April haben wir 180 Nächte, was insgesamt eine Ersparnis in Höhe von 5.551,20 Euro ergibt. Das Stadtbad kostet aktuell rund zwei Millionen Euro mehr als geplant. Nun rechnen Sie selber mal nach, wie lange die Straßenlaternen noch kaputt sein müssen, bis der Haushalt der Stadt wieder stimmt. Und da reden wir noch nicht mal über eine neue Kita am See, Abfindungen, Gerichtsprozesse und andere Peanuts. Na, ist Ihnen jetzt ein Licht aufgegangen?

        • simsalabim auf 26. November 2024 bei 22:44
        • Antworten

        Vielleicht nehmen wir Markranstädt einfach für einen Winterschlaf vom Netz. Aktuell passiert hier doch sowieso nichts und so können Kosten gespart werden. Die Weihnachtsgeschenke und das Feuerwerk lassen wir einfach mit aus.
        Wir treffen uns dann im Frühling zur Bestandaufnahme. Da gibt es dann vielleicht sogar schon ein paar amtliche Wahlergebnisse. Schauen wir mal, ob der Wiederaufbau Ost noch lohnt.

        1. Ein Winter ohne Strom? Die Planungen dafür laufen bereits. Im ersten Probelauf sind sogar bei der Berliner Ampel die Lichter ausgegangen und siehe: Es geht trotzdem weiter. Die Reibungshitze, die entsteht, wenn das Volk über den Tisch gezogen wird, erzeugt genug Energie.

    • Pieps auf 24. November 2024 bei 11:21
    • Antworten

    Hier gibt es wieder interessante Neuigkeiten öffentlicher Arbeit, danke für die Information. Mängelmelder – was für eine Online-Einrichtung, nicht jedermanns Sache. KI hat wohl bisher beim Stromversorger nicht Einzug gehalten, wo kaputte Lampen zu orten sind.
    Mir ist der persönliche Kontakt dieser Tage mit einem technischen Mitarbeiter gelungen, super Leistung. In kurzer Zeit wurden die vor Ort gezeigten Risse des Straßenbelages in Bad Seebenisch instand gesetzt. Nun können die Busfahrer wieder über die 30iger Zone „heizen“, die eh die Geschwindigkeit missachten. An Kindergarten und Schule – hier fehlt leider die Verkehrskontrolle, siehe auch Parkplatz an der Schule, Loch an Loch und erst in den Ferien verfüllt.
    Übrigens in unserem Ortsteil gibt es weitliegende alte Straßenlampen und damit viele dunkle Stellen zwischendurch. So können die Hundehalter getrost in den Abendstunden, ohne Blickkontakt, die Vierbeiner an private Hauswände und Säulen pinkeln lassen. Es ist kaum zu glauben.

    1. An Kindergarten und Schule – hier fehlt leider die Verkehrskontrolle, siehe auch Parkplatz an der Schule, Loch an Loch und erst in den Ferien verfüllt. Vielen Dank für die Situationsbeschreibung. In der Tat fehlt da die Verkehrskontrolle, wenn die Kids auf’m Dorf schon als Grundschüler mit dem Auto zur Schule fahren. Früher war für alles, was vor der Bahn wohnte, Fußmarsch angesagt, trotz fehlenden Fußweges. Höchstens im Herbst beim Kartoffelnlesen durfte man mal Traktor fahren (auf dem Feld). Wo sind wir nur hingekommen?

    • Ulrich Naser auf 23. November 2024 bei 10:52
    • Antworten

    Vor dem Ewigkeitssonntag und dem Ende des Kirchenjahres, gedenken Angehörige auf dem Friedhof ihrer Toten. Und weil noch keiner in Markranstädt die Kraft besaß, einen Toten zu erwecken, bleibt nur eine fahle Ahnung davon, wie sich der Weg zum Friedhof bei allen eingeprägt hat. Ganz besonders die circa einhundertfünfzig Meter Wegstrecke – nach der Einbiegung von der Lützner Straße in den Schwarzen Weg. Da sind Schlaglöcher in der Straße, einige meinen sogar, die seit Generationen bestehen. Ein unwürdiger Abschiedsgruß der Stadt Markranstädt.

    1. Oder einfach eine geniale Idee, weil der Friedhof doch eh aus allen Nähten platzt. Der Schwarze Weg (der Name passt schon mal zum alten Schnitter mit der Sense) wird künftig Teil der Erweiterung für preisgünstige Urnengräber(schon ab 9.999,99 Euro), da die Löcher schon da sind. Getreu dem Motto der Friedhofsmitarbeiter:
      „Grabe tief von früh bis spät,
      so kann das Werk geraten.
      Der Neid sieht nur das Grabesbeet,
      aber nie den Spaten.“

      • Samoht auf 24. November 2024 bei 10:40
      • Antworten

      Sicher hat es in Markranstädt noch niemand vermocht, einen Toten zum Leben zu erwecken und selbst an der Aufgabe, das Wasser zu teilen (getreu Luthers Bibelübersetzung: den Zweckverband aufzulösen), arbeitet man sich seit Jahren vergeblich ab. Dafür werden aber jetzt von allen Seiten wenigstens ernsthafte Versuche unternommen, wie man übers Wasser gehen kann. Ich bin mir sicher, dass es irgendjemand irgendwann zumindest mal schafft, Brot zu brechen und das dann unter den Armen der Bedürftigen zu verteilen.

    1. Der ist wahrscheinlich zu gut. Selbst wir haben uns gefragt: Wo ist die dritte offene Stelle?

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