Nicht dabei sein ist alles

Eigentlich hätten die Markranstädter wirklich allen Grund, die Olympischen Spiele zu boykottieren. Gemeint sind natürlich die Fernsehzuschauer, denn die Markranstädter Wintersportler haben sich bereits vor Monaten für einen Boykott entschieden. Weder ein Skispringer noch eine Biathletin oder gar ein Eisschnellläufer aus der Sportstadt am See wird in Peking antreten. Allerdings sind die Gründe dafür schwer nachvollziehbar und das sieht auch MOK-Präsident Ingo Knito so. Im MN-Interview spricht der Chef des Markranstädter Olympischen Komitees Klartext.

Herr Knito, am Freitag beginnen die Olympischen Spiele in einem Land, in dem Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind. Finden sie das gut?

Ja hören Sie mal, das ist doch Teil des Olympischen Gedankens: Ein Triumph des Willens! Bisher hat sich doch auch niemand darüber aufgeregt. Warum grade jetzt?

Weil inzwischen 85 Jahre vergangen sind?

Wenn Sie auf Olympia 1936 anspielen, also der Hitler – rein sportlich gesehen – war ein lupenreiner Demokrat. Was er politisch gemacht hat, das kann ich nicht beurteilen, denn wir von der olympischen Familie haben mit Politik nichts am Hut. Hier geht’s nur um den Sport und da war Garmisch ebenso wie Berlin ein voller Erfolg. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang erwähnen, dass 1936 mit Jesse Owens ein Neger zum Star der Spiele wurde. Na, was sagen sie jetzt?

Okay, aber es gibt in China beispielsweise Uiguren, Tibeter und Anhänger missgeliebter religiöser Richtungen. Die sind gerade in Lagern und werden umerzogen, während quasi nebenan die Jugend der Welt feiert.

Das ist erstens nicht neu und zweitens nicht schlecht. Schauen Sie mal: Als 1978 die Fußball-WM in Argentinien stattfand, hatten wir eine ähnliche Situation. Tausende schmorten zu der Zeit in den Folterkellern der Junta. Aber immer wenn Argentinien gespielt hat, haben die Folterknechte und -mädge Fußball geguckt. In der Zeit konnten sie nicht quälen und die Opfer hatten wenigstens mal 90 Minuten ihre Ruhe, im Finale sogar zwei Stunden. Mit diesem durch den ehrlichen Sport erzwungenen Folterstillstand wurde mehr erreicht, als die Diplomatie je vollbracht hat.

Wow, demnach hätten die Uiguren jetzt sogar 16 Tage Erholung, bevor sie wieder auf die Streckbank müssen oder zwangssterilisiert werden?

Genau. Wir vom MOK verschaffen der Politik damit ein wichtiges Zeitfenster, in dem die Diplomaten eine Lösung herbeiführen können. Mehr können wir wirklich nicht tun. Es liegt jetzt an den Politikern.

Aber muss man denn mit Kritikern so hart umgehen wie die Chinesen?

Na hören Sie mal: immerhin soll es sich dort um rund 17 Millionen Regimegegner handeln.

Na ja, ungefähr so viele sind’s bei uns auch und trotzdem …

… Darum wollen wir die Olympischen Winterspiele 2042 nach Markranstädt holen. Und ich sag’s nochmal: Es geht hier nur um den Sport!

Also es geht nicht um Politik, obwohl jedesmal bei einer Siegerehrung Landesfahnen gehisst werden und es geht nicht um Geld, obwohl in Peking allein die Bob-Bahn 2,5 Milliarden Euro gekostet hat?

Mein Gott, wo leben Sie denn? Sie wissen doch, dass die Chinesen sowas mit Raubkopien von Euro-Scheinen bezahlen. Niemand hat hier auch nur einen Cent investiert. Völlig neutrale Spiele.

Die Markranstädter Wintersportler boykottieren die Spiele trotzdem. Müssen die jetzt mit Konsequenzen rechnen?

Also erstens boykottieren die nicht, sondern haben sich nicht qualifiziert.

Das lag vor allem an den Defiziten beim Verständnis des Regelwerkes. Beim Skispringen trägt man eben keine Schlittschuhe und gleich gar nicht schießt man während des Fluges auf Ziele, weder liegend noch auf stehende.

Und dass ein unterlegener Rennrodler nach gestandenem Telemark mitten in der Bahn jubelnd beide Arme hebt, um so wenigstens für die Doppelachsel eine 5,9 zu ergattern, habe ich bisher auch nur hier bei den Markralympics erlebt.

Aber sie haben sich alle Mühe gegeben und dürfen nun in den Überwachungsstaat der Menschenrechtsverletzungen nicht mitreisen. Haben Sie nicht wenigstens ein paar tröstende Worte für unsere Athleten?

Na wenn Sie so fragen, würde ich sagen: Glück gehabt! Muhaha. In Peking kann einem ganz schnell mal ein positiver PCR-Test untergeschoben werden und der Krankenwagen vom Weg abkommen. Da bist du -schwupps – irgendwo im Himalaja und da gibts dann drei Jahre Trainingslager bei den Uiguren. Muhaha. Ich sags mal so: Nicht dabei sein, ist manchmal alles.

Sind Sie böse, wenn das Team der Markranstädter Nachtschichten die Spiele in Peking trotzdem boykottiert und sich das Trauerspiel im Fernsehen nicht reinziehen wird?

Ach wo. So lange andere ihrem Beispiel nicht folgen, wird das gar niemand merken. Aber denken Sie dran: Wenn die Chinesen kommen, sind solche wie Sie gleich bei der ersten Verhaftungswelle fällig. Vielleicht sollten Sie ihre gegenwärtige Freiheit besser dazu nutzen, den olympischen Gedanken zu unterstützen? Ist nur ein gut gemeinter Rat. Denken Sie an Ihre Zukuft.

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