Radlosigkeit auf den Drahtesel-Loipen (3)

Auf zur dritten und letzten Etappe der „Tour de Markranstädt“. Die beiden vorangegangenen Abschnitte hatten es in sich. Vom Orientierungslauf ohne Karte über anspruchsvolle Geländestrecken bis hin zu mannigfaltigen Schilderrätseln war alles dabei. Auch die Schlussetappe hat für Jabadu, unserem Mann im gelben Trikot, noch einige Herausforderungen zu bieten. Keine Bergwertung leider und auch keine Sprintankunft, dafür aber Slalom-Parcours, Radfahrverbote und versteckte Wege.

Die zweite Etappe endete stadtauswärts an der Tankstelle. Ab da geht’s also in die Enge wie die Wurst in den Darm und weiter Richtung Kreisverkehr. Wenn ein Radfahrer denkt, er könne auf dem Gehweg weiterfahren, dann liegt er jedoch falsch. Denn ab hier ist die Benutzung der Fahrbahn Pflicht und der Gehweg ist tabu für Radler.

Aus diesem Grund hätte man zum Schutz der Pedalritter durchaus einen Schutzstreifen einrichten oder die bis dahin existierende Spur einfach verlängern können. Aber andererseits stellt das auch kein Hindernis dar, wenn der Fahrtwind eines LKW-Anhängers den Radler vom Drahtesel wischt.

Rast bei Freunden

Wer Zeit hat und schlau ist, biegt an der Tankstelle einfach rechts ab und fährt über die Oststraße in den Handwerkerhof. Der HOLZWURM hat außer montags ab Nachmittag immer geöffnet und ist für Markranstädter Kneipenliebhaber sowas wie die Fahrradkirche in Zöbigker für die Christen.

Zwischen Weile und Eile

Für alle die, denen die Zeit im Nacken sitzt oder für die der Weg das Ziel ist, geht’s hingegen weiter geradeaus. Erst an der Querungsmöglichkeit vor REWE scheint Hilfe in Sicht. Radfahrer, die zum Kreisel wollen, sollen links abbiegen.

Obwohl es drüben auch nur nicht weitergeht, sagt der gelbe Wegweiser unmissverständlich, dass man hier die Seite wechseln muss.

Und dann? Links angekommen, steht der Radfahrer plötzlich auf einem gemeinsamen Geh- und Radweg, der in Richtung Kreisel aber nicht benutzt werden darf. Es ist wie bei „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Ein Radweg ist es nicht, ein anderer Radweg ist es nicht, ein gemeinsamer Geh- und Radweg ist es auch nicht. Es ist ein … klar … Gehweg!

Gefangen im Labyrinth

Armer Radfahrer, was nun? Die Lösung hast du bereits hinter Dir. Also wieder umkehren und in Richtung Innenstadt fahren. Da kommt man auf dem Radweg, dem Fahrradstreifen und dem Gehweg, auf dem man fahren darf, bis zum Markt.

Dann hinein ins Rathaus und mal fragen, wie es kurz vor dem Kreisel stadtauswärts weiter geht. Aber Vorsicht! Auf dem Marktpatz das Fahrrad schön schieben. Hier ist Radfahren nicht erlaubt.

Sicher ist sicher…

Selbst bei der Absicherung von Baustellen geht man in Lallendorf seltsame Wege. Auf dem Gehweg Zwenkauer Straße darf stadteinwärts nicht mit dem Fahrrad gefahren werden. Trotzdem steht vor der Baustelle das Schild „Radfahrer absteigen“!

In dieser Richtung dürfen Radfahrer ihren Drahtesel nur schieben. Aber aufgepasst! Es könnte trotzdem zum plötzlichen Auftauchen von Gegenverkehr kommen.

Stadtauswärts ist die Situation noch eklatanter. Dürfen Radfahrer bis zur Baustelle die Fahrbahn benutzen, müssen sie diese vor der Absperrung verlassen und auf den angeordneten Geh- und Radweg wechseln. Der ist wiederum benutzungspflichtig! Wer soll das begreifen?

Bei der Fahrt über die Holzbrücke kann man nur hoffen, dass auch der Gegenverkehr seine verwirrenden Pflichten kennt und gar nicht erst auftaucht. Radler, die stadteinwärts ohnehin nicht fahren dürfen, müssen ja absteigen.

In Gegenrichtung wird der Gehweg zum Radweg gemacht.

Nun sag aber keiner, es wird nichts für Radfahrer unternommen. Am Beginn der Lilienthalstraße wurde ein getrennter Geh- und Radweg so eingeteilt, dass den Pedalrittern sage und schreibe 1,90 Meter vorbehalten sind. Für Fußgänger sind da gerade mal 60 Zentimeter übrig geblieben. Da kanns für die Muddi mit dem Kinderwagen schon mal recht eng werden.

Hier wirds eng für Muddi…

Auch in Richtung Großlehna hat sich die Stadt für die Pedalritter stark gemacht. Vorausgesetzt, man findet den Radweg. Von der Schkeuditzer Straße aus ist er nur sehr schwer zu erkennen. Ortsunkundige finden den Weg nie. Und die, die wissen wo es lang geht, solten zumindest schon mal erste Erfahrungen auf einem anspruchsvollen Downhill-Parcours gesammelt haben.

Ist es dann gelungen, den Radweg mehr oder weniger durch Zufall zu finden, geht es zügig nach Großlehna. Nicht so zügig geht es für Fußgänger. Wenn diese die Schlammstrecke hinter sich gebracht haben heißt es plötzlich Ende. Ab hier gibt es nämlich keinen Gehweg mehr. Und da der Radweg rechtlich eine Fahrbahn ist, müssen die Fußgänger auf der linken Seite laufen, und im Gänsemarsch. Schön hintereinander. Sozusagen Polonaise Blankenese bis nach Lehne.

Ein Weg, zwei Vorschriften. In Richtung Großlehna (l.) ist es ein astreiner Radweg, in Gegenrichtung (r.) ein Geh- und Radweg. Wie kommen die Fußgänger nach Großlehna zurück?

Kommt man aber von Großlehna, sieht es schon ganz anders aus. Dann dürfen sich Radfahrer und Fußgänger die Trasse als gemeinsamen Geh- und Radweg teilen. Man muss sich also merken in welche Richtung man unterwegs ist.

Weil wir aber einen Ring fahren wollen, kehren wir über die Weststraße in die Kernstadt zurück. Irgendwann landet man an der Einmündung Promenadenring/Schkeuditzer Straße. Jetzt heißt es: Aufgepasst!

Farbenspiele in rot und weiß

Wie an der Feldstraße, steht man hier auch vor dem Problem, die Bundesstraße queren zu müssen. Der Träger (nicht des Fahrrads, sondern der Rechtsträger der Trasse) hat das Benutzen des gemeinsamen Geh- und Radwegs auf der linken Straßenseite angeordnet.

Schier unendliche LKW-Schlangen müssen abgewartet werden, um dann quasi per Le Mans-Start die linke Straßenseite zu erreichen. Zu Hilfe kommt hier manchmal die Deutsche Bundesbahn. Die schließt immer mal die Bahnschranken und bringt den LKW-Strom so zum Stehen.

Ist es dann endlich gelungen, auf der linken Seite anzukommen, traut man seinen Augen kaum. In einer Entfernung von knapp 100 Metern steht ein Schild, welches unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass man hier den Radweg wieder verlassen und auf der Fahrbahn weiterfahren muss.

Ausgerechnet in einer Kurve wird der Radfahrer auf die Fahrbahn geschickt und dafür muss er zweimal die Bundesstraße überqueren. Das muss man nicht verstehen, aber es erfordert viel Demut, sich solch sinnentleerten Anweisungen zu beugen.

Dazu auch noch Gegenverkehr.

Der Stadt zu Gute halten muss man aber, dass ein Zebra-Streifen eingerichtet wurde. Hier gelangt man wenigstens mit einem latenten Gefühl der Sicherheit unter den LKW-Verkehr. Und anspruchsvoll ist das Fahren auf dem Abenteuerpfad allemal.

Das Baugerüst versperrt schon ewig den Weg und ein effektiv geparkter Servicewagen entschleunigt den Transit auf zwei Rädern außerdem. Hatten wir doch schon mal – Riesenslalom! Nur beim Slalom hat man Platz. Hier ist die Durchfahrt zwischen Gerüst und rollenden LKW mit teilweise weniger als einem Meter eher was für Extremsportler. Kein Spaß ohne Risiko.

Wie der Ring geschlossen wird

Will man mit dem Fahrrad von der Eisenbahnstraße auf die Leipziger Straße gelangen, muss man absteigen und sein Fahrrad ein Stück schieben. Hier wurde wieder einmal festgelegt – Radfahrer absteigen. Aber nicht wundern. Hinter dem Schild dürfen die Radfahrer auf dem Gehweg fahren, die vom Radstreifen entlang der Leipziger Straße dort hin geführt werden. Ist schon verwirrend. Also wieder rauf aus Fahrrad.

Von den Schildbürgern kopiert: Hier erst mal absteigen, danach gleich wieder rauf aufs Rad.

Fazit: Was soll man nun Radfahrern empfehlen, wo und wie sie sich in Markranstädt sicher mit dem Fahrrad bewegen können? Fast überall passt irgendwas nicht zusammen und an allen möglichen Stellen holpert es.

Genauso stotternd findet denn auch der muskelbetriebene Zweiradverkehr statt. Radfahrer fahren dort, wo sie denken, dass sie es richtig machen. Doch selbst wenn ihnen das gelingt, gilt am Ende des Wegs häufig eine andere Verkehrsregelung als am Start.

Fahren und fahren lassen

Dieses Problem scheint von langer Hand geplant. Erstellung, Vertrieb und Inkasso von Knöllchen, Ordnungs- sowie Bußgeldern erfolgen in Markranstädt durch einen Fachbereich, der die sinnstiftende Bezeichnung „Bürgerservice“ trägt. Es ist also alles nur zum Besten für den Radfahrer.

Aber eigentlich ist es egal, ob man in der sächsischen Hochburg des Fahrrad-Diebstahls sein Geld für einen ständig neuen Drahtesel ausgibt oder für die täglichen Knöllchen. Diese Wahl zwischen Pest und Cholera ist vergleichbar mit der Alternative zwischen der Kartei in Flensburg und Payback im Supermarkt: Ab 18 Punkte gibt’s ein Fahrrad…

 

1 Kommentar

    • Annett Aukthun auf 5. April 2018 bei 19:45
    • Antworten

    Super Beitrag. Bitte weiter so.

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