Testbericht: Markranopoly – so schön ist das Spiel der Zukunft!

Da man Monolopy inzwischen auch auf dem Handy zocken kann, kennen es wahrscheinlich auch die jüngeren MN-Leser – also die unter 70. Allerdings ist der einstige Top-Hit unter den analogen Gesellschaftsspielen schon etwas in die Jahre gekommen. Steuerrückzahlung vom Finanzamt oder einfach mal so 4.000 Glocken auf die Hand – wo gibt’s sowas noch? Auch die Gefängnis-Frei-Karte nützt einem heute nix mehr, wo es doch kaum noch Delikte gibt, für die man eingebuchtet wird. Höchste Zeit also, das Spiel mal auf aktuellen Stand zu bringen. Weil in Markranstädt sonst nichts los ist, haben sich vier gelangweilte Nachtschichtler das Thema zur Brust genommen und eine zeitgemäße Variante entwickelt. Voilà, hier ist die Rezension des neuen Burners auf dem analogen Gaming-Markt: Markranopoly!

Es war echt an der Zeit, Monopoly mal wieder aufzupeppen. Das Spiel lebte früher von seiner Nähe zur Realität. Inzwischen hat sich aber so viel geändert, dass man sich dabei in einer Ausgabe der Sendung „Sketch History“ wähnt.

Wer will denn heute noch einen Bahnhof besitzen, noch dazu, wenn man per Gemeinschaftskarte gezwungen werden könnte, auf eigene Kosten einen Fahrstuhl einzubauen? Auf der anderen Seite haben die lächerlichen Einkünfte, die man im Original-Spiel nach der Besetzung eines Elektrizitätswerkes erzielen kann, nichts mehr mit den Milliardengewinnen der realen Gegenwart gemein. Und also war die Zeit gekommen für das, was man heute einen Relaunch nennt.

Aus Recycling-Akten

Das Spielfeld des Prototyps haben sich die MN-Erfinder selber gebaut und dabei bereits ein erstes aktuelles Kriterium erfüllt: die Nachhaltigkeit. So kann man beispielsweise die Rückseiten der Ausschreibungsunterlagen einer neuen Beigeordneten nutzen, den aktuellen Planungsentwurf für das Markranstädter Stadtbad, den Beschluss zur Auflösung des Zweckverbandes Kulkwitzer See oder andere nicht mehr benötigte Dokumente.

Beim Bemalen des Spielfeldes sollte man aber stets die aktuelle Entwicklung im Auge haben. Ziel des Spiels Markranopoly ist es, alle Einzelhändler, lokalen Erzeuger und Gewerbetreibenden zu Paketzustellern zu machen. Im Gegensatz zum Original ist es also wenig sinnstiftend, die Parkstraße in einem teuren Nobelviertel anzulegen, wenn dort Drogen vertickt werden und damit mehr Geld den Besitzer wechselt als in einem Gewerbegebiet.

Lobbyisten und SVW’s

Neu bei den Spielregeln ist auch die Besetzung der Bank, die es so nicht mehr gibt. Hier agiert jetzt der Staat mit sogenannten Lobbyisten. Der entsprechende Akteur verkörpert als „Sondervermögensverwalter“ (SVW) Geldinstitut, Rathaus, Ordnungsbehörde und Finanzamt in Personalunion. Der Clou: Er darf sogar selber mitspielen!

Äquivalent verhält es sich mit den Ereignis- und den Gemeinschaftsfeldern. Hier müssen die Inhalte der jeweiligen Karten dem Spielverlauf Rechnung tragen. Die Zeiten von hohen Dividenden sind für den gemeinen Plebs endgültig vorbei!

Wenn sich beispielsweise einige kleine Händler zusammentun wollen, um – sagen wir mal – den leerstehenden Edeka im Alten Ratsgut gemeinsam zu nutzen, weil es einer alleine nicht stemmen kann, dann muss hier der SVW klare Kompetenzen zum Einschreiten haben.

Gemeinschaftskarten endlich auf der Höhe der Zeit

Das kann beispielsweise mit einer Gemeinschaftskarte geschehen, in der es heißt: „Die Bürgermeisterin hat die Ausschreibung für ein City-Management gestoppt. Gehen Sie zurück in Ihren Keller und setzen Sie so lange aus, bis Sie pleite sind.“

Ereigniskarten mit hohem Unterhaltungswert

Aber keine Angst, so schnell geht es auch bei Markranopoly nicht mit dem finanziellen Ruin. Schon in der nächsten grünen Ereigniskarte könnte es heißen: „Der Wirtschaftsminister teilt mit, dass eine Insolvenz nicht gleichzusetzen ist mit Pleite. Betroffene brauchen nur eine Weile nicht mehr zu arbeiten. Setzen Sie drei Runden aus.“

Kontraproduktiv war im Original-Spiel auch die Spende von 4.000 Euro, die es jedesmal gab, wenn man eine Runde überstanden hatte. Da dauert so ein Spiel ja ewig, wenn man nicht arm werden kann. Andererseits ist es die Aufgabe des SVW, für gute Stimmung zu sorgen und die Hoffnung der künftigen Paketzusteller am Glimmen zu halten. Deshalb gibt’s auf dem Feld „Los“ jetzt kein Geld mehr, sondern eine Einladung der Bürgermeisterin zu einem gemeinsamen Foto fürs Amtsblatt. Wirtschaftsförderung im Wandel der Zeiten.

Wirtschaftsforderung: Fotos mit der Bürgermeisterin

Da sind die Ausgaben für die kurz zuvor gezogene Gemeinschaftskarte doch ganz schnell vergessen, in der es hieß: „Bei der Neubewertung der Grundsteuer wurde festgestellt, dass ihre Toilette vier Quadratzentimeter größer ist als bisher angegeben. Für die ab 1936 rückwirkend berechnete Differenz werden 10.000 Euro fällig.“

Auf diese Weise dünnt sich die Zahl der Mitspieler allmählich aus und das unterhaltsame Spiel nähert sich seinem Ende. Ganz hartnäckige Mitspieler, die vielleicht vor kurzem noch was geerbt haben oder das Haus der Eltern beleihen konnten, macht der SVW mit einer finalen Gemeinschaftskarte den Garaus.

„Die Kommune hat auf dem Platz vor Ihrem Geschäft ein Park- und Halteverbot ausgewiesen, Sie haben deshalb keine Anlieferzone mehr. Weil Ihr Großhändler den Bereich trotz des Verbots befahren hat, zahlen Sie eine Strafe von 3.000 Euro.“

Spätestens an dieser Stelle haben sich in unseren Testläufen des Markranopoly erste ernstzunehmende Proteste der wenigen noch Überlebenden gegen die Spielregeln geregt. Aber hier müssen die sich auf der Siegerstraße wähnenden Akteure keine Sorgen machen. Der Widerstand dieser Gescheiterten kommt zu spät.

Wie im wahren Leben

Der SVW kann hier die gesamte Bandbreite seiner Kompetenzen und damit endlich auch mal die Gefängniskarte ausspielen. Durch ihre Solidarisierung können die Reste dieser aussterbenden Ethnie als in neonazistischen Strukturen organisierte Querdenker eingelocht werden.

Bevor die wieder rauskommen, haben sich die kommenden Sieger des Spiels ihre paar Hinterlassenschaften längst ganz offiziell unter den Nagel gerissen. Und falls doch noch was übrig ist, lässt man den SVW einfach noch mal einen kurzen Lockdown ausrufen. Irgendwie kriegt man diese Querulanten schon kurz und klein.

Demnächst von Ihrem Paketboten

So viel zum Spiel. Es ist der absolute Renner im MN-Keller und deshalb wurde heute eine erste Serienproduktion in Auftrag gegeben. Markranopoly soll demnächst im Handel erhältlich sein. Natürlich nicht im Markranstädter Einzelhandel, denn Telefonanbieter und Dönerläden verfügen nicht über die erforderlichen Vertriebswege. Man kann Markranopoly deshalb nur bei Amazon bestellen und hier schließt sich der Kreis zur Realitätsnähe des Spiels: Schauen Sie mal genau hin, wer Ihnen das Paket liefert. Gestern noch hinterm Ladentisch, heute persönlich an Ihrer Haustür. Das nennt man Dienstleistungsgesellschaft!


Szenen aus der Testreihe:

Er:Die Zeit im Knast war schon sehr krass und hat mich verändert…“ Sie: „Würfel endlich! Mit dir ist Markranopoly echt anstrengend!“

MN-Sekreteuse, nachdem sie an der Schachtbahn bei Bonova gelandet ist: „So viel Miete ist doch Wucher! Steht in den Spielregeln irgendwas von Wohngeld?“

Chef: „Du würdest bei Markranopoly sogar dann verlieren, wenn du alleine gegen dich spielst und dabei noch beschummelst.“

12 Kommentare

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  1. Schon im Orginalopoli war der Hintergrund eigentlich ein sehr ernster. Und im Markranopoli ist es nicht anders. Und die Nachtschichtler beherrschen eben die Hohe Schule und bringen unhaltbare Missstände in unnachahmlicher, satirischer Manier ans Tageslicht. Der Homo sapiens Markransis möge anfangen zu grübeln und die Verantwortlichen mögen handeln.

    1. Nicht grübeln – würfeln!

  2. Wieder so ein Artikel, der einen der ganz großen Preise verdient hätte. Und wieder mal schade, dass sowas nur einem kleinen Publikum als Perlen vor die Säue geworfen wird, das diese Gabe nicht mal mit einem Dank zu schätzen weiß (die Verfasser der Kommentare ausgeschlossen). Meine E-Mailadresse habt Ihr, schickt mir bitte mal Eure Kontonummer. Es ist Zeit für mehr als ein paar Worte des Dankes.

    1. Wir haben keine Kontonummer. Aber Ihr warmherziger Dank ist, wie Sie bereits richtig erkannt haben, schon mehr, als wir im Allgemeinen erwarten dürfen. Vielen Dank dafür.

    • Markranster auf 15. März 2023 bei 12:36
    • Antworten

    Ganz klar! Das wird das Spiel des Jahres!

    1. Nicht zu früh freuen. Wir arbeiten schon an einer Uno-Variante. Allein der Begriff (uno = Eins oder Einer) bietet einen breit gefächerten Interpretationsspielraum für demokratische Gedanken.

    • Spassvogel auf 15. März 2023 bei 9:51
    • Antworten

    Das Ding ist der Hammer! Ein grandioser Mix des aktuellen Irrsinns im Großen wie im Kleinen. Ich muss es mehrmals lesen. Bitte die Zugriffe meinerseits mindestens fünfteln!

      • Xt'Tapalatakettle auf 16. März 2023 bei 8:41
      • Antworten

      Liebe Nachtschichtler, das ist mein bisheriges Highlight von Euch.
      Wie schon Samoht schrub, das Ding gehört eigentlich an anderer Stelle veröffentlicht.
      Daraus wäre doch in einem Eulenspiegel mindestens eine Titelstory geworden.
      Ganz großer Rasenball!
      Wer macht den … Moment, das schreibt man nicht, da kommt Wehrmacht drin vor… Also… Wer startet eine Kickstarter Kampagne für eine Kleinserie des Spiels?
      Das Ding geht doch weg wie moderat temperierte Kleingebäcke!

      1. Jedwede Vergleiche mit RB Leipzig 07 sind seit Mitte der Woche unangebracht. Und den Eulenspiegel haben wir auch längst hinter uns gelassen. Eine der leichtesten Abschreib-Übungen für uns.

    1. Auf die vier zusätzlichen Klicks soll’s jetzt auch nicht mehr ankommen.

  3. Wie Geil ist das denn? Brandaktuelles Realitätsspiel Makronopoly mit aktuell lebenden Akteuren/innen jetzt schon im Handel? MN- was für eine Schöpferkraft steckt in Dir!!! Herrlich

    1. Also mit dem Schöpfer wollen wir uns nicht gleich messen. Aber zumindest wir auch er und beipflichten.

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