Trotz Corona: Rosenmontagsumzug in Markranstädt

Obwohl der Rosenmontag auf Geheiß des Politbüros von sämtlichen Kreisleitungen des deutschen Karnevals abgesagt wurde, fand in Markranstädt offenbar doch ein Umzug statt. Davon war jedenfalls MN-Reporter Christian Harten überzeugt, als er am Montagabend atemlos in den Redaktionsbunker stürmte und der Tippse seinen Bericht diktierte. Was die hochintelligente Sekretärin (Körbchengröße E) anschließend aus der Schreibmaschine zog, liest sich so:

Rosenmontagabend in Markranstädt: Obwohl der Karnevalsumzug wie schon in den Jahrzehnten vor Corona auch in diesem Jahr wegen Corona ausfallen sollte, treffen sich trotzdem jede Menge Närrinnen und Narren auf dem Marktplatz.

Das Motto in dieser Session lautet „Wiederherstellung der Grundrechte“. Das jedenfalls ist den Wortfetzen zu entnehmen, die aus dem stehend formierten Schweigemarsch an mein Ohr dringen. Auch sonst verraten die Kostüme viel Witz über Corona.

Impfziel verfehlt

Da ist zum Beispiel Klaus aus Bad Lausick, der sich als Lothar aus Böhlen zu erkennen gibt und ein besonders originelles Kostüm trägt. Glaubhafter lässt sich seine These kaum untermauern, dass Impfen gefährlich ist. Das Pflaster über seiner linken Augenbraue zeigt in aufrüttelnder Deutlichkeit, dass nicht nur Deutschland, sondern insbesondere sein Hausarzt das Impfziel eklatant verfehlt hat.

Dann setzt sich der Zug in Bewegung. Auffällig viele junge Menschen befinden sich unter den Teilnehmern. Das macht Mut. Der Karneval, bislang geprägt von geronten Faschingsveteranen, die es gerade noch vom Tresen in die Bütt schaffen, hat entgegen allen Unkenrufen doch noch eine Zukunft.

Abben Arm dran

Noch an der Ecke beim Möbelhaus kommt es zu einem ersten humoristischen Höhepunkt. Einer der Feiernden zeigt stolz sein Impfzertifikat. Die anfängliche Skepsis der Umherstehenden weicht heiterer Ausgelassenheit, als er berichtet, dass der Arzt die Arm-Attrappe einer Schaufensterpuppe perforiert hatte, während der echte Arm unter dem Mantel verborgen war.

„Ich hatte sogar die Hand am Sack, während er dachte, dass er mich mit den Chips von Bill Gates vollpumpt“, schüttelt sich der Büttenredner vor lachen. Der DJ am mobilen Mischpult in einem blau-weißen Fahrzeug quittiert den Gag mit einem dreifachen Tatüü-Tataa und stimmungsvollen Lichteffekten.

Schon auf Höhe des Ratsguts werden allerdings erste Zweifel der jungen Generation am Ziel des Umzugs hörbar. „Wie weit denn noch?“, höre ich Kevin erschöpft fragen. Sein Kumpel Marcell-Jason ist zwar noch fit und würde es sogar bis zur Stadthalle schaffen, aber ihn treibt dafür die Angst um, den Rückweg nicht mehr zu finden. Am Alten Friedhof angekommen, schlägt er seinem Kumpel deshalb vor: „Lass uns hier abhotten. Wenn die Untoten zurückkommen, schließen wir uns wieder an.“ Auch beim Karneval gilt der olympische Gedanke: Dabei sein ist alles.

Chantalle, Jaquelline-Mandy und Dustin-Jerome wollen hingegen nicht aufgeben und spazieren eisern weiter. Allerdings sind ihre Kostüme für die vor ihnen stehende Herausforderung wenig geeignet. Während sich die Absätze von Chantalles High-Heels in die Zwischenräume der Pflastersteine bohren, suppt aus Dustin-Jeromes mächtigen Nylon-Quadranten quackernd der Fußschweiß. Bereits am Abzweig Parkstraße möchte man dem von Leid gezeichneten Trio wünschen, dass die dort residierende Fahrschule besser eine Gehschule geworden wäre.

Büttenreden und Dialoge

Gestählt von ihren 89-er Erfahrungen auf dem Leipziger Ring, kommt die reifere Generation indes nicht nur besser vorwärts, sondern hat dabei auch noch genügend Atemreserven für diverse Unterhaltungen. Sinnstiftend geht es im Gespräch zwischen zwei Herren auch um Sauerstoff. Wenn in der Klinik nur noch ein Beatmungsgerät frei sei, aber zwei Infizierte auf dem Gang liegen, nenne man die Entscheidung Triage, höre ich den einen sagen. Und er fragt sich, wer von beiden angeschlossen wird, wenn einer geimpft und der andere ungeimpft ist.

Sein Gesprächspartner winkt ab. Mit Triage habe er fast täglich zu tun, sagt er und es sei gar nicht so dramatisch. „Wenn kurz vor Küchenschluss die letzten zwei Steaks in der Pfanne brutzeln, muss ich auch entscheiden, ob ich Tisch 3 oder Tisch 7 aufgebe“, klärt der Kellner seinen Gesprächspartner auf. Das leuchtet ein. Geistig frisch gestärkt, beschleunigen beide ihren Schritt, um den Anschluss nicht zu verlieren.

Ihre Frauen folgen ihnen. Angeregt unterhalten sie sich über ihre Erfahrungen im Home-Office. Man müsse vor allem in dieser Zeit seinen Tag klar strukturieren, teilt Hannelore ihrer Freundin mit und lobt die strategischen Kompetenzen ihres Mannes, der das voll im Griff habe. „Für die Tätigkeiten im Haushalt hat er mir extra eine Tu-Du-Liste erstellt“, schwärmt sie.

Aber nicht nur Corona beherrscht die Stimmung im diesjährigen Rosenmontagsumzug durch Markranstädt. Zwei ehemalige NVA-Offiziere diskutieren angeregt über die Situation in Osteuropa. Deutschland wolle die Ukraine jetzt militärisch unterstützen, sagt Leutnant a.D. Hartmut zu seinem ehemaligen Kommandeur Siegfried und berichtet stolz, dass gerade eine Maschine mit 200 Stahlhelmen nach Kiew unterwegs sei.

Siegfried nickt anerkennend, kann die Neuigkeit aber toppen. „In Seiffen sollen schon die ersten Werkstätten für erzgebirgische Volkskunst ihre Produktion umgestellt haben. Die schnitzen jetzt Gewehrattrappen für Klitschkos Leibgarde.“ Trotzdem führe er jetzt neben seinem Impfzertifikat vorsichtshalber auch sein altes DSF-Mitgliedsbuch immer bei sich, sagt der NVA-Veteran.

Inzwischen befindet sich die Spitze des Zuges bereits wieder auf dem Rückweg. Der Altersdurchschnitt ist nach der Umrundung des Kreisels im Osten der Stadt explosionsartig angestiegen. Was unter 30 ist, macht entweder bei REWE Biwak oder wartet an der Bushaltestelle, um den ÖPNV zu unterstützen und so ein Zeichen der jungen Generation gegen den drohenden Klimawandel zu setzen.

Als sich wenig später am Alten Friedhof die abgehotteten Kevin und Marcell-Jason, frisch gestärkt von einem Fuder aufmunternder Kristallpräparate, dem Defilee wieder angeschlossen haben und schließlich erschöpft den Marktplatz erreichen, stellen sie fest, dass so ein Rosenmontagsumzug eigentlich ganz easy ist. Wenigstens so viel habe man sich heute an Grundrechten zurück erkämpft, meint Kevin, dass man nicht den ganzen Weg mitlaufen muss, um dabei gewesen zu sein.

8 Kommentare

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  1. Also- mehr geht nicht! Otschen Karraschow…wie dr Sachse sacht. Dieser „Rosenmontagsbericht“ ist ja der Hammer! Klasse

    1. Oder wie der Russe sagt: Poßle Pamiatnik.

    • Bernhard auf 2. März 2022 bei 11:20
    • Antworten

    Wunderbar gelungener Artikel und passend zum Rosenmontag, danke!

    1. Bald ist Ostern – vielleicht fällt Ihnen dazu mal selber was ein? So in der Art: Osterhase kommt zum Arzt…?

    • K. Schuster auf 2. März 2022 bei 8:56
    • Antworten

    Warum ziehen Sie dieses ernste Thema ( Grundrechte) so ins Lächerliche ???
    Bin sehr enttäuscht darüber!!!

    1. Das dürfen Sie. Wie Sie feststellen können, haben wir das Thema in den vergangenen Wochen auch aus anderer Perspektive beleuchtet, die Ihnen vielleicht mehr Freude bereitet und dafür andere enttäuscht hat. Bei uns darf jeder mal dran sein.

        • Doppelrömer auf 3. März 2022 bei 11:00
        • Antworten

        Wohl wahr- spaßiges Empfinden beim lesen von Schmunzetten sind eben nun mal nicht allen Lesern gegeben. Bunte Gesellschaft ist ja auch gut so…

        1. Genau: Wir schreiben nicht nur für die, die zum Lachen in den Keller gehen.

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