Urlaub, wo andere nur vorbeifahren

Wie sagt doch ein altes Sprichwort? „Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!“

Ins Gewissen rufen sich die Markranstädter diese Worte immer dann, wenn sie von einer gewissen Unruhe befallen werden und drauf und dran sind, die Metropole am Kulki zu verlassen, um sich in der weiten Welt zu erholen. Unser Reporter Jab Adu begab sich deshalb mal auf einen ungewöhnlichen Trip in heimische Gefilde, denn der Kulturschock lauert sozusagen vor der Haustür.

Beginn der Unruhephase ist oft Mitteldeutschlands größte Reisemesse, die „Touristik und Caravaning“ in Leipzig. Zu erkennen ist das daran, dass halb Markranstädt und Leipzig nicht mehr zu Hause in den Polstern sitzt, sondern sich mit großen gelben Beuteln bewaffnet durch die Messehallen quält.

Auf den zweiten Blick könnte man denken, man befindet sich auf dem Kasseler Abfall- und Ressourcenforum. Nur geht es hier nicht um „Gelbe Beutel“, sondern um die gleichfarbigen Säcke, in denen letztlich auch die Beutel landen werden.

Aber zurück zu den Reisezielen. Terrorismus, Frauenbelästigung und Ausländerflut an den ausländischen Stränden haben letztlich dazu geführt, dass viele ängstliche Markranstädter ihre Erholungsphasen mehr und mehr in den heimischen Gefilden verbringen möchten. Und da auch die Strände des Kulki zunehmend von Geflüchteten besiedelt sind, zieht es die Markranstädter verstärkt in die grüne Umgebung.

Nationalpark „Pappelwald“

Mit dem Kauf des „Pappelwaldes“ hat die Stadt Markranstädt ein entsprechendes Gehölz erworben und noch ehe Veränderungssperren, Vorhabens-, Erschließungs- und Bebauungspläne durch die vierte Etage gerattert sind, hat sich dort längst eine stabile Tourismuswirtschaft entwickelt. Machen wir uns also auf den Weg dort hin.

Angekommen an der Baderampe hinter der Meri-Sauna, verlassen wir den Strandbereich gleich wieder und begeben uns auf den buckligen Trampelpfad in Richtung Göhrenz. Etwa auf der Hälfte des Wegs erreichen wir die Fahrrad-Kneipe „Bike Inn“. Der eher unbekannte Geheimtipp ist aber nur ein Zwischenstopp auf unserem Weg zum Ziel, dem Touristik-Resort „Mount Asche“.

Das „Bike Inn“ hat nur saisonal geöffnet. Kommt bald die Metamorphose zur Skihütte?

Leider ist die attraktive Kneipe im Winterhalbjahr geschlossen. Wie gern hätten wir uns dort einen Glühwein in den Hals gestellt.

Vielleicht kommt es mal dazu, dass sich der Klimawandel umdreht und es wird wieder richtig kalt? Da könnte man das urige Lokal mit wenigen Handgriffen in eine Skihütte verwandeln. Anstelle des Bikes werden dann Schneeschuhe aufgehängt. Ein Skihang ist ja schon da. Zumindest wurde hier früher emsig gerodelt.

Nach einer guten halben Stunde entlang der Hochkippe in Richtung Highway 186 erreichen wir den „Mount Asche“. Auf dessen Gipfel wartet ein herrlicher Blick über die Überbleibsel des Dorfes Göhrenz.

Den „Mount Asche“ besteigt man bergab von der Hochkippe aus. Bergab zum Berg ist hier kein Widerspruch, sondern ein weltweit einzigartiges touristisches Alleinstellungsmerkmal.

Das Touristik-Resort liegt mit 127 m zwei Meter über der Kernstadt. Frühere Bestrebungen, den „Mount Asche“ auf „deponia“ zu taufen, gingen leider ins Leere. Dieser Name war schon vergeben.

Die Scherbelfelder von Kulkwitz

Als erstes Naturerlebnis können wir die „Scherbelfelder von Kulkwitz“ erleben. Über große Flächen verteilen sich die Reste von Glasscheiben und implodierten sowie explodierten Bildröhren ehemaliger Fernsehgeräte. Es gilt nicht nur in Insider-Kreisen als wahre Sensation, solch eine Anhäufung von Scherben auf einer Stelle zu sehen.

Diese einzigartige geologische Formation lässt das Naturschutzgebiet der Feuersteinfelder in der Schmalen Heide auf Rügen in einen dunklen Schatten treten.

Leider gibt es in Markranstädt noch keine Informationstafeln zur Geschichte der Scherben. Gerade die jüngeren Generationen wissen wohl kaum noch, dass es außer Flachbildschirmen auch mal was anderes gab.

Touristischer Anziehungspunkt am Fuße des Mount Asche: Die Kulkwitzer Scherbelfelder.

Unweit der Scherbelfelder wurden bereits Unterkünfte für Übernachtungswillige geschaffen. Die auf den ersten Blick recht spartanische Ausstattung mit Waschbrett, Dosenöffner und einer Alu-Grillschale erfüllt zumindest die elementarsten Anforderungen an eine Bleibe.

„Gib mir ne Wurschd unnä Bier, dann bleibsch hier“. Als Schlafgelegenheit muss leider noch ein Zelt mitgebracht werden.

Wohnen wie Diogenes: Lodge am Kulki.

Dafür entschädigt aber der großzügig geschnittene Sanitärbereich. Was bisher am Badestrand nicht gelungen ist, wurde hier mit wenig Aufwand und ganz sicher auch ohne Fördermittel realisiert. Was will man mehr in dieser Idylle? Ein Toilettenbecken, Beleuchtung, Blumenschmuck und Flaschenablage.

Geschäfte unter freiem Himmel

Es ist zweifelsfrei der Höhepunkt intereuropäischer Notdurftkultur am Kulkwitzer See! Den Bauherren ist es sogar gelungen, an der Sanitärzelle einen WLAN-Anschluss einzurichten. Es wurde einfach im Müll gegraben und nach alten Kabelverbindungen gesucht. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten und das Signal war da.

Hier machts einfach nur Spaß, mal müssen zu müssen!

Und wie soll es anders sein: Aus DDR-Müll kam schlussendlich auch das entsprechende Testbild. Weil sich aber im Umfeld schon genug Müll aus neueren Zeiten angesammelt hat, werden sicher auch bald innovativere Medien nutzbar sein. Live-Streams unter freiem Himmel – da bekommt der Begriff Sky endlich einen tieferen Sinn.

Interessant an der Toilette ist der üble Geruch, der nicht vom Benutzer kommt, sondern aus der Tiefe der Halde emporsteigt.

Metertief finden Prozesse statt, bei denen sich russisches Panzeröl mit Jauche und alten Fellen früherer Markranstädter Zurichtereien vermengen. Hier entsteht ein Geruch von faulen Eiern.

Traumreise ins Land der Geysire

Einfach auf das Becken setzen, die Augen schließen und man fühlt sich direkt nach Island versetzt. Allein für das Donnern und Grollen der Geysire muss man jedoch noch selber sorgen.

Nicht zu finden ist in dieser Umgebung eine gastronomische Einrichtung für die Urlauber. Trotz umsichtigen Suchens ist es uns nicht gelungen, auch nur in die Nähe einer Gastwirtschaft zu gelangen.

Spuren der Zivilisation. Bodenarchäologen haben den Nachweis regionaler Kneipenkultur erbracht.

Aber wir konnten herausfinden, dass die Kneipe eine wahre Räucherhöhle sein muss, es dort „Falkenfelser Bier“ gibt und scheinbar auch eine Rundumbetreuung für Diabetiker.

In letzter Zeit ist das Interesse am Markranstädter Touristik-Resort enorm gestiegen und demzufolge sind auch Forderungen nach besserer Erreichbarkeit laut geworden. Hier wurde schnell und unbürokratisch Abhilfe geschaffen.

Touristikroute „Highway 186“

So wurde entlang der Touristikroute „Highway 186“ begonnen, aus naturbelassenen Pappeln ein Eingangsportal zu errichten. Von Vorteil ist hier, dass die Pappeln ohnehin nur 20 Jahre Lebenserwartung haben und deren Fällung längst überfällig war.

Gepflanzt wurden die Pappeln bereits im Jahr 1964, auch durch Markranstädter Schüler. Sie haben ihre Lebenserwartung also mehr als verdoppelt. Also die Pappeln, nicht die Schüler.

Eindrucksvoll gestalteter Portikus in den Nationalpark „Pappelwald“.

Darüber hinaus wurden nun die Voraussetzungen geschaffen, dass an der noch etwas verlotterten und vermüllten Haltebucht künftig Fernreisebusse halten können. Mit dem Ausbau der „Vier Schachthäuser“ ganz in der Nähe sind leider die letzten Übernachtungsmöglichkeiten für Tramper und Individualreisende am Fuße des Mount Asche verschwunden.

Fotosafari: Lost Places

Auch der ausgebrannte ehemalige Konsum am Highway 186 steht dafür nicht mehr zur Verfügung. Trotzdem sollte dessen Besuch in die Urlaubsreise eingeplant werden. Bisher war das Gebäude für Besucher kaum sichtbar.

Beliebtes Fotomotiv für vorbeifahrende Touristen: „Ich war in Markranstädt!“

Innerhalb kurzer Zeit wurde das geändert. Alles Grün, darunter eine mindestens 70 Jahre alte Ulme, wurden sowohl ratzfatz als auch ersatzlos abgesäbelt. Ergebnis: Das monumentale Bauwerk, das einen Hotspot in der wegen Verkehrslärm fast ausgewohnten Straße darstellt, kann in seiner vollen architektonischen Schönheit betrachtet werden.

Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr plant schon, auch den zweiten Blitzer, der gegenüber des Gebäude gepflanzt wurde, wieder abzubauen. Grund: Viele Autofahrer fahren sowieso extrem langsam, um den morbiden Charme der Ruine zu genießen. Bußgeldeinnahmen adé! Also, warum in die Ferne reisen? Sieh, das Gute liegt so nah.

 

1 Kommentar

  1. ah Markranstädt oh Markranstädt, wenn es nicht so traurig wäre könnte man lachen über euren mal wieder absolut einmaligen Bericht. Schade nur dass der gezeigte Zustand mit Sicherheit trotz Anhebung der Grundsteuer noch einige Zeit so bleiben wird. Denn der nun rege Geldsegen der eben auf Grund der genannten Steuer ja für die etwas nun teurer gewordene Kita benötigt wird.
    Apropo Grundsteuer? Hmmm da ear doch irgendwann einmal etwas, Man kauft (wörtlich: k a u f t ) ein Land/einen Grund und bezahlt diesen beim Verkäufer, dazu noch weil wir ja in einer Steuerrepublik leben eine Grunderwerbssteuer, soweit so gut. Nur warum zum Teufel muß man nun noch jedes Jahr eine separate Grundsteuer zahlen? Für etwas was mir gehört muß allso noch eine Steuer gezalt werden, wäre dass nicht auch ein Arbeitsauftrag für euren Reporter? Einfach mal zu sehen was er hierbei herausfindet.
    Jedenfalls wieder trefflich getroffen euer Bericht und ich freute mich dass 2018 so weitergeht wie 2017 aufgört hat.
    Ein treuer Leser und Bewunderer der scharfen Zunge 🙂

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