Was der DFB vom SSV Markranstädt lernen kann

Eine Woche randvoll mit Herausforderungen, Rückschlägen und Neuerungen liegt hinter Markranstädt. Erst ist unsere regenbogenfarbene LGBTQ-Truppe bei der WM rausgeflogen, dann hat die Schnodderseuche gefühlt halb Markranstädt ans Bett gefesselt und schließlich hat auch der Stadtrat wieder getagt. Also … genächtet, muss man wohl eher sagen. Die ersten Lebenszeichen der Insassen des Ratssaales und damit die ersten Live-Nachrichten gingen im MN-Keller um 23.12 Uhr ein. Lauter wirres Zeug aus völlig übernächtigten Hirnen. Gut, dass wir nicht dabei waren. Also blicken wir mal auf den Fußball – oder das, was davon noch übrig ist.

Die Fußball-WM läuft ohne uns weiter. Die Marokkaner holen sich den Titel und wenn nicht, werden sie uns von den Medien zumindest als Weltmeister der Herzen übergestülpt.

Leidtragender ist Oliver Bierhoff, dem der Friedensnobelpreis in der Kategorie „Queery“ nur deshalb verwehrt bleibt, weil er kein Ukrainer ist.

Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass der internationale Fußball künftig ohne uns stattfindet und auch sonst sein Gesicht verändern wird. Wenn in 50 Jahren in den Kitas gefragt wird, worauf sich die kleinen Rotznasen zu Weihnachten am meisten freuen, wird die Sprache auf die Familientraditionen kommen, die sie gar nicht anders kennengelernt haben. „Der schönste Moment ist immer, wenn Vati gleich nach dem Abpfiff des WM-Endspiels beginnt, den Baum zu schmücken.“

Bunte Binden statt harte Schüsse

Um Fußball ging’s den Deutschen ja sowieso schon lange nicht mehr. Nicht in Katar, nicht in Russland oder sonstwo. Das sollte man aber nicht kritisch sehen, sondern sich eher vorm DFB für so viel Weitblick dankbar verneigen. Der hat schon vor Jahren erkannt, dass Fußball ein Auslaufmodell ist und unbedingt mit neuen Inhalten gefüllt werden muss.

Bunte Kapitän*Innen-Binden, regenbogenfarbene Stutzen, pinkfarbene Schleifchen an den Schlüpfern, das sind die neuen Werte, die es darzustellen gilt. Der Fußballer als Litfaßsäule für Symbole, demnächst in rosa Schürzchen statt den ekelhaften Hosen, mit denen diese unerträglich toxische Männlichkeit manifestiert wird.

Leider wird dabei noch immer koloniales Gedankengut übersehen. Allein der Fußball bietet heute die einzig noch verbliebene Möglichkeit, sich ganz legal einen Neger kaufen zu können. Aber weil die inzwischen auch schon in der Mehrheit sind, haben sie keine Lobby mehr. Minderheiten sind es, für die heute Fußball gespielt wird und deren Rechte deshalb eingefordert werden.

Früher war mehr Lametta

So ändern sich die Zeiten. Bei den Olympischen Sommerspielen 2008 in Peking war es deutschen Athleten noch strikt verboten, politische Symbole, beispielsweise für ein freies Tibet, zu zeigen. Heute ist es für das Erreichen der Olympianorm unerlässlich, sich sich wenigestens ein Tattoo stechen zu lassen, mit dessen Symbolik man ein sichtbares Zeichen gegen die Diskriminierung dreiäugiger Floralbuddhisten im Himalaja setzt. Es lebe der Sport.

Die vermeintlichen Experten-Runden in den WM-Fernsehstudios mutieren derweil zur Stand-up-Comedy.

Die Sendezeit wird gefüllt mit umständlichen Floskeln. „Sie haben keinen Biss“ wird da gesagt, oder „Die brennen nicht“ und „Da ist kein Feuer mehr“ oder gar „Die Bindung zu den Fans ist verlorengegangen.“ Es ist geradezu lustig zu beobachten, wie alle verzweifelt versuchen, die einzig klare Aussage zu vermeiden. Logisch, denn mit dem Fazit „Der Patriotismus fehlt“ fliegt man erstens volley durch den rechten Seitenausgang aus dem Studio und zweitens bliebe dann keine Zeit mehr für die Einblendung von Werbespots.

Der Patriotismus macht den Unterschied

Schauen wir uns mal die Marokkaner an. Die sind auf dem Platz auch ohne Fußball zu spielen erfolgreich. Wahrscheinlich brauchen die nicht mal einen Ball, um zu gewinnen. Warum? Die wissen, für wen sie regelrecht ins Gras beißen und dass die Nation hinter ihnen steht, auch wenn eine Aktion mal schief geht. In der Gewissheit, dass der eine schmerzhafte Schritt, den man über seine Grenzen hinausgeht, von den Fans zu Hause gefeiert wird, gehen sie auch noch einen zweiten.

Von wegen CO2-neutral: Beim Heimflug hätten sie eine Fahrgemeinschaft mit den Belgiern bilden können.

Von wegen CO2-neutral: Beim Heimflug hätten sie eine Fahrgemeinschaft mit den Belgiern bilden können.

Der deutsche Kicker überlegt in der gleichen Situation erst mal, wie er dem Shitstorm der Medien zu Hause entgeht, wenn er in der Aufregung um einen nicht gegebenen Einwurf die Schiedsrichterin nicht ordnungsgemäß gendert. Oder dass der erhobene Arm beim Reklamieren eines Freistoßes von den Schreibtischtätern in den Redaktionsstuben möglicherweise als politisches Statement missinterpretiert werden könnte. Da droht die Kündigung von Werbeverträgen und damit der Verlust der Seele dessen, worum es im Fußball eigentlich geht.

So werden Heimfahrer gezüchtet und um von ihren eigenen Zuchterfolgen abzulenken, führen die Medien dann wochenlange Scheindiskussionen über die Frage, warum Deutschland keine Turniermannschaft mehr ist.

Der Patriotismus fehlt. Das zeigt sich auch im Namen. Unter Bierhoff wurde aus der Nationalmannschaft nur noch „Die Mannschaft“. Deutlicher ist kaum darzustellen, für wen die Kicker nicht spielen. Wofür sie kicken, ist hingegen spätestens seit der letzten Europameisterschaft klar, in der es nicht mehr um Tore oder Punkte ging, sondern nur noch darum, in welchem Stadion die Regenbogenfarben an hellsten leuchten.

Bezeichnend war die Begegnung zwischen Deutschland und Ungarn am 23. Juni 2021. Der Mannschaft (wessen auch immer) reichte das 2:2 zum Weiterkommen, die Magyaren flogen raus.

Aber was war denn das? Während sich die deutschen Kicker im Angesicht der Freude über das Weiterkommen ihre Regenbogenstutzen hochzogen und flugs in der Kabine verschwanden, stellte sich Verlierer Ungarn in der Fankurve auf und sang mit den Händen auf den Herzen gemeinsam mit seinen Anhängern und ganz ohne Orchester inbrünstig die Nationalhymne ab.

Die Stunde der Beisetzung und das Feiern der Verlierer

Da saß der deutsche Michel trotz des Erfolgsgefühls über das Weiterkommen (s)einer Mannschaft neiderfüllt vorm Fernseher und hat die Welt nicht mehr verstanden. Und genauso geht es den Sportjournalisten und ihren Experten heute. Gebetsmühlenartig diskutieren sie den Untergang der einstigen „Turniermannschaft“ ohne zu verstehen, dass die einstigen Fans draußen in der realen Welt schon längst ihre Antworten gefunden haben. Das inhaltsleere Geseier in den Sportstudios interessiert den Fan längst nicht mehr. Weil es schon längst nicht mehr um Fußball geht.

Von Markranstädt lernen heißt siegen lernen

Und jetzt kommt eine Botschaft, die wohl an den Grundfesten des DFB rütteln könnte – wenn er sie denn wahrnehmen würde. Wie Fußball gespielt wird und richtig funktioniert, zeigt in dieser Saison ausgerechnet ein kleiner Verein am Rande Sachsens.

Nach Jahren der Fan-Entfremdung durch Lizenzverkauf, dem Ausleben utopischer Träume zugereister Kolonialherren und anschließendem Dasein als zusammengekaufte Fremdenlegion, sind beim SSV Markranstädt wieder echte Werte ein- und damit der Erfolg zurückgekehrt. Die (vorwiegend) Markranstädter Jungs kämpfen in der Sachsenliga ganz oben mit und  spielen richtig guten , mitreißenden Fußball.

Markranstädt hat eine Nationalmannschaft

Jeder einzelne Euro ist mit einer Eintrittskarte ins Stadion am Bad besser angelegt als nur ein Cent für ein Abo von Sky, DAZN, Prime, Magenta TV oder den anderen Zuhältern des Profifußballs. Deutschland hat nur noch eine Mannschaft, Markranstädt aber hat wieder ein richtiges National-Team!

Das ist die Botschaft dieser Tage. Raus an die frische Luft, Live-Fußball live gucken, sich dabei gut unterhalten und auch dann mal klatschen, wenn unten auf dem Platz mal was schief geht. Denn sie wissen, für wen sie spielen.

3 Kommentare

    • Robert auf 24. Januar 2023 bei 12:56
    • Antworten

    Spitze!!! Ich habe die MN erst vor kurzen entdeckt und bin total begeistert. Ein toller Schreibstil, der es sich auch mal erlaubt sogenannte „Unwörter“ zu benutzen ohne rassistisch zu sein. Es ist die Sprache, die man in Markranstädt und nicht in der Großstadt oder den Medien spricht, ohne Angst vor der Sprachpolizei.
    Beim nächsten Spiel am Bad bin ich dabei und feure UNSERE Mannschaft an.

    1. Dann sehen wir uns … ohne Fußfessel der Sprachpolizei. Lassen Sie uns gemeinsam ein Transparent mit der Forderung schwenken, dass endlich auch Männer Frauenfußball spielen dürfen.

    • Olit auf 12. Dezember 2022 bei 10:09
    • Antworten

    Herrlich- das ist wie regionales Essen in der Heimatregion kaufen: Fuss (nicht Fuschl-)ball guggen und das noch in Radfahrentfernung mit dem um die Ecke wohnendem Nachbar´n den man seit der Kindheit kennt. In der frischen Luft- und keiner quatscht durch die Mattscheibe rein. Selber brüllen ist eben schön…

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.