Wort für(s) Wort: Wie das Runde ins Eckige passt

Mit rechteckigen Steinen Kurven zu verlegen, das klingt erstmal wie der Versuch, drei Bowlingkugeln übereinander zu stapeln. Wer sowas in einer MPU versucht, fällt durch. Aber wenn man sich dann doch mal ein Herz fasst und das scheinbar Unmögliche versucht, kann das zu überraschenden Ergebnissen führen. Pfarrer Michael Zemmrich hat sich zu Ostern mal Gedanken über sowas gemacht. Also über rechteckige Rahmen in unserer Gesellschaft, in die anders geformte Dinge auf den ersten Blick irgendwie nicht reinpassen wollen. Denn es kann funktionieren mit dem Runden im Eckigen. Man nehme: Liebe. Oder wie Atheisten sagen würden: Respekt.

Liebe Leserinnen und Leser, „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Diese Jahreslosung ist eine Provokation. Nur Idealismus? Nur Utopie? Das tun nur die ganz Guten? Die ganz Klugen, die, es am besten wissen? Liebe! Klar!

Aber: Hier meint es jemand anscheinend ernst. Sehr ernst. Denn dieser Satz ist ein Einspruch. Er spricht hinein. Mitten in die Spannungen und Polarisierungen unserer Zeit. In all die Irritationen und Vereinnahmungen, die uns täglich prägen und herausfordern. In all die politischen, wirtschaftlichen und moralischen Konflikte der Gegenwart, die so viel Sprengkraft besitzen. In all die Diskussionen und Streitigkeiten in unseren Familien, auf unseren Arbeitsplätzen, in unserer deutschen Alltagsgesellschaft bis hinein in unsere Gemeinde.

Auch uns ist es nicht verborgen geblieben: Vor allem in den sozialen Medien wird der Umgangston rauer und unbarmherziger. Ja, aggressiv. Es wird über politische Ziele, Ein- und Ausgrenzungen, Geschlechterrollen und Familienbilder, religiöse Zugehörigkeiten und wirtschaftlich drängende Fragen diskutiert und geurteilt. Bis hin zu Demonstrationen und Streiks.

Unsere Jahreslosung hinterfragt jeden einzelnen unserer Sätze, Posts und Transparente. Fragt provokant: „Hast du das aus Liebe gesagt und getan?“ Dabei geht es um eine Liebe, die Macht und Kraft hat, alles zu verändern. Konflikte in Korinth veranlassen den Brief des Paulus an die Gemeinde dort. Nachdem Paulus strittige Themen detailliert angesprochen hat, ist unsere Jahreslosung gewissermaßen sein Schluss-Satz. Zu lieben, das ist etwas sehr Aktives. Kein “wäre aber schön, wenn…”. Sondern eine innere Haltung, in der alles geschieht. Deshalb Straßenkunst. Im wahrsten Sinn des Wortes. Kurven lassen sich ja nicht so leicht verlegen mit rechteckigen Straßensteinen.

Aber schauen wir auf das Titelbild: Da hat offensichtlich einer noch ein bisschen Zeit übriggehabt und ein Herz gefasst. Stellen wir uns die Ziegelpflasterung bewegt, als Fluss vor, dann gibt es da mitten in den Strömungen unserer Lebenswege den Widerstand des Herzens. Einen Störfaktor im Strom des Alltags. Aus dem gleichen Material. Aber doch besonders angeordnet. Zwei große Herzkammern, die den Weg geheimnisvoll beleben.

Wird es uns gelingen, diesem Halt Platz einzuräumen auf unseren Wegen? Einen Liebes-Raum zu eröffnen, den Gott uns eröffnet? Mit beiden Füßen im Fluss der Zeiten zu stehen und doch neu ausgestattet zu sein? Mit Maßstäben der Liebe? Ich lade ein zu einem Gebet: „Herr, mache mich zum Raum deiner Liebe, die den Fluss der Zeit verändert. Schenke mir Widerständigkeit, wo Gewalt und Unrecht stürmen. Damit ich anders bleibe, wie du es uns durch deinen Geist verheißen hast. Amen“.

2 Kommentare

    • Wanderer auf 29. März 2024 bei 20:37
    • Antworten

    Sogar der Pfarrer als Hofnarr. Wünschen wir ihm und uns allen, dass seine Botschaft ankommt. Auch wenn ich nicht lachen konnte bei der Lektüre, aber gefreut habe ich mich. Irgendwie müssen wir doch Rund und Eckig, Schwarz und Weiß zusammenbringen und zu einem bunten Leben finden.

    1. Für den ersten Satz beten Sie bitte gleich mal drei „Pfarrer unser“ – damit sei Ihnen vergeben.

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