# you too ?

Der Fall Harvey Weinstein hat eine Lawine ins Rollen gebracht. Unter dem Hashtag #me too gehen immer mehr Frauen mit ähnlichen Erfahrungen an die Öffentlichkeit. Sogar der britische Verteidigungsminister musste zurücktreten, weil er einer Radiomoderatorin ans Knie gefasst hat. Läuft unter „sexuelle Belästigung“. Das Knie als Geschlechtsorgan: Haben wir da in Bio was verpasst? Unser Autor Ronny von de Kippe ist der Sache mal nachgegangen.

Die Fälle, in denen sich Menschen wegen sexueller Belästigung outen, nehmen weltweit zu. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis die Welle auch nach Markranstädt schwappt. Ich könnte damit anfangen, aber als männliches Opfer habe ich da schlechte Karten.

Eher komme ich als potenzieller Täter in Frage und bin deshalb gerade dabei, meine Gewohnheiten umzustellen. Wenn ein Minister zurücktreten muss, weil er vor einem Vierteljahrhundert einer Radiomoderatorin bei einem privaten Essen ans Knie gefasst hat, dann sollte man in der Tat mal anfangen, in der eigenen Vita nach vergleichbaren Fällen zu suchen.

Ja … und schon sind wir in Markranstädt. Ich erinnere mich genau, dass mir meine zuständige schulische Fachkraft für Körperkultur vor 44 Jahren gleich mehrmals an mein bis dahin noch unschuldiges Gesäß gegriffen hat. Sie nannte das Hilfe-„Stellung“ und wollte mich damit angeblich beim Feldaufschwung auf den Stufenbarren unterstützen.

Als Junge begrapscht

Ich wusste damals noch nicht, dass es sich in Wirklichkeit um eine eindeutig sexualisierte Tat handelt. Auch nicht, dass meine Sportlehrerin bisexuell veranlagt war, weil sie das auch mit den Mädchen so gemacht hat. Heute interessiert mich das schon. Und #me too sei Dank weiß ich jetzt, dass auch ich traumatisiert bin.

Gut, dass ein Knie zu den sexuellen Merkmalen eines Menschen zählt, wurde bislang nicht so explizit kommuniziert. Weder im Biologieunterricht noch bei ‚Mann und Frau intim’, bei Dr. Sommer oder Oswalt Kolle. Insofern sollte man Verständnis dafür haben, dass manch Individuum unserer Gesellschaft von dieser Erkenntnis etwas überrascht wurde.

Um sich gegen weitere Überraschungen zu wappnen (Unwissenheit schützt bekanntlich vor Strafe nicht), sind bereits einige Männer dazu übergegangen, Frauen nicht mal mehr die Hand zu geben. Wer weiß, was da droht?

Immerhin gibt es Damen, die ihre Hand ab und zu auch mal als sekundäres Geschlechtsmerkmal nutzen. Selbst wenn der Begriff Handjob eher wie eine öffentliche Stellenausschreibung klingt, es ist schließlich doch ein sehr intimer Vorgang.

Da sollte es sich in einer zivilisierten Gesellschaft ganz von selbst verbieten, einer Frau einfach mal eben so an die nackte Hand zu fassen und diese gar noch zu schütteln.

Manche Männer haben es sogar drauf, dabei Oralverkehr anzudeuten und die völlig entblößte Hand der Dame zu küssen. Eine unerträgliche und frauenfeindliche Unsitte ist das, jawoll!

Mal ganz pauschal betrachtet

Auffällig ist, dass mehrheitlich Frauen Opfer solcher Delikte sind und Männer zwangsläufig die Täter. Das liegt wahrscheinlich an der sozialen Situation. Klar könnte auch ich meine Sportlehrerin anzeigen. Aber das lohnt nicht. Sie ist Rentnerin und da ist bekanntlich nichts zu holen.

Außerdem hat sie mich nur an den Hintern gefasst und nicht ans Knie. Und noch außerdemer bin ich ein Mann und meine Gelenke daher keine Geschlechtsmerkmale, sondern pauschal ein Fall für die Orthopädie.

Zunftzeichen der Knieprothesen-Hersteller?

Nicht mal, wenn sie Kanzlerin wäre, müsste sich meine ehemalige Leibeserzieherin Sorgen machen. Wir erinnern uns: Nach dem Eröffnungsspiel der Fußball-WM 2014 schritt unser aller Angie in die Umkleide der Nationalmannschaft.

Übergriff in elf Fällen

Dort lief sie so heiß, wie man es sich heuer im Wahlkampf und bei den Jamaika-Verhandlungen wünschen würde. Normalerweise also ein sexueller Übergriff in mindestens elf Fällen.

Aber eine Mutti hat eben nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, ihre Jungs zu kontrollieren, dass sie sich auch da unten ordentlich waschen. Also kein Problem. Wenn allerdings Vati Thomas de Maiziere die heiligen Duschen der Volleyball-Nationalmannschaft der Damen betreten würde .. au haua haua ha!

Ich habe wirklich lange darüber nachgedacht, wie ich mich künftig gegenüber Frauen korrekt verhalten muss, um nicht zum Täter zu werden. Es gibt eigentlich keinen Körperteil der Frau, der nicht in irgendeiner Art aufregend wäre und sich nicht zum Gegenstand sexueller Fantasien oder Handlungen eignen würde. Selbst Füße sollen ja manche Zeitgenossen ungeheuer erregen.

Da liegt der Schluss nahe, die Frau vorsichtshalber komplett als wandelndes Sexualorgan zu betrachten und sie aus sittlichen Erwägungen nicht mal mehr anzuschauen. Das wäre auch in finanzieller Hinsicht nicht uninteressant.

Unter den Teppich gekehrt

Keine teuren Kleider mehr, die das Dekolletee zeigen; keine kurzen Röcke, welche Knie präsentieren, die man nicht sehen respektive berühren darf. Dann erübrigen sich auch die mancher Figur wenig zuträglichen Leggins, die im holländischen Slang übrigens ‚Flüsterhosen’ genannt werden. Also dann doch: Burka statt Bikini. Sicher ist sicher.

Auch die Wirtschaft würde davon profitieren. In den Chefetagen könnten Frauen endlich wieder in bequemen Dederon-Schürzen rumlaufen und müssten auch die Lockenwickler nicht entfernen. Guckt ja eh keiner mehr hin.

Lippenstifte, Lidschatten, aphrodisierendes Parfum … alles Geschichte! Sogar Schweißflecke und Wolle in den Achselhöhlen würden nicht mehr auffallen. Die emanzipierte Frau kann sich wieder voll auf ihre Arbeit konzentrieren und wird endlich als Mensch akzeptiert, nicht als Knie. Was für eine schöne Vision!

Ja, ich bin ein Sittenstrolch!

Ich habe meine Frau übrigens wirklich über ihr Knie kennengelernt. Sie hatte einen kurzen Rock an und saß mir gegenüber. Im Grunde genommen hatte sie mir das Gelenk ständig unter die Nase gehalten. Ich hatte das als deutliches Signal missverstanden und dann einfach meine Hand draufgelegt. Ein paar Sekunden später haben wir uns geküsst.

Heute ist sie mit mir verheiratet. Wohlgemerkt: mit einem Sittenstrolch! Unsere Beziehung entsprang einem sexuell orientierten Übergriff und ich fühle mich elend bei dem Gedanken, sie auf diese perfide Weise in eine Ehe gezwungen zu haben.

Und wenn ich jetzt immer mal wieder bei Twitter reinschaue, suche ich ängstlich in ihrem Profil nach dem Hashtag #me too. You too?

 

2 Kommentare

  1. Ronny, nicht so prüde. Ich habe in einer Gastwirtschaft in Markranstädt mal einem Mädel die entblößten Brüste massiert und Alles war gut.

    1. Kann ja jeder behaupten. Gibts da noch Fotos?

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