Pressemitteilungen sind immer subjektiv und deshalb ist vor allem der gelernte DDR-Bürger mit seinen genetisch geprägten Fähigkeiten des Lesens zwischen den Zeilen im Vorteil. So gelesen, tragen Pressemitteilungen in der Tat den Charakter anspruchsvoller Übungen, um Kenntnisse in der Interpretation öffentlicher Verlautbarungen zu festigen. Heute geht es noch mal um die Seebenischer Vernässungsfläche und den Sportplatz des SSV Kulkwitz. Nachdem das Thema langweilig zu werden drohte, hat die Stadtverwaltung jetzt zu einem ungewöhnlichen Mittel gegriffen, um die Bürger bei Laune zu halten: Die Pressestelle hat eine wirklich unterhaltsame Mitteilung entbunden.
Planungen zur Sanierung des Sportplatzes des SSV Kulkwitz können vorangetrieben werden
In einer ersten Rückmeldung deutet das Landratsamt an, einen Wasserstand von 121,5 Zentimetern für die Vernässungsflächen in Gärnitz zu genehmigen. Das hydrologische Gutachten, das die Stadt Markranstädt erstellen ließ, war zuvor bereits zu der Erkenntnis gelangt, dass bei dieser Wassertiefe sowohl der Sportplatz des SSV Kulkwitz als auch die Kleingartenanlage des Vereins „Feierstunde“ trocken bleiben. Damit kann die Stadt die Sanierung weiter vorantreiben, deren Planung nun abgeschlossen werden kann. Mit dem Beginn der Arbeiten wird schnellstmöglich begonnen.
So also lautet die offizielle Verlautbarung aus dem Rathaus. Aber, so würde die Lehrerin in der Schule fragen, was wollte uns der Dichter damit sagen? Wer möchte das Poem interpretieren?
Nun, wagen wir es mal. Es fängt schon bei der Überschrift an. Planungen zur Sanierung können vorangetrieben werden. Da mit den eigentlichen Sanierungsarbeiten bereits begonnen wurde, impliziert das ja irgendwie schon das Eingeständnis, dass man zur Tat schritt, bevor die Planungen abgeschlossen waren.
Trockender Humor
Der Einwand, dass sich zwischenzeitlich durch das überraschende Vorfinden von Wasser andere Planungsaufgaben ergeben haben, gilt dabei nicht, da man – wie von Beginn an – ja nun wieder mit einem trockenen Sportplatz rechnen darf. Wozu der dann allerdings noch drainiert werden muss, steht sicher auf einem anderen Planungspapier.
Während man ansonsten eigentlich vor allem Männern nachsagt, dass sie bei Längenangaben gern mal zu Übertreibungen neigen, wartet diese Pressemitteilung allerdings mit geradezu unglaublichen Maßen auf. Stolze 121,5 Zentimeter darf der Wasserstand betragen. Da wird man zunächst einen geeigneten Weg finden müssen, um diese Vorgabe an Petrus weiterzureichen. Der Typ hat weder Fax noch Smartphone und den Gefallen, dass der Bürgermeister eine Delegation aus dem Bauamt auf Dienstreise zu ihm schickt, wird dieser sich nicht tun.
Aber da ist ja schließlich auch noch die physikalische Größe zu beachten.
Die genannten 121,5 Zentimeter sind doch etwas dicke angesichts der erst kürzlich kolportierten Aussage, dass der Wasserstand nicht unter 50 Zentimeter fallen dürfe, da der Teich sonst anfängt zu stinken. Jetzt schreibt man also von 121,5 Zentimetern, was 1,21 Meter und 5 (in Worten: fünf!!!) Millimetern entspricht. Wasserstand wohlgemerkt.
Fünf Millimeter – um die messen zu können, darf nicht nur kein Wind wehen, sondern in Seebenisch auch niemand Flatulenzen haben. Jedes Wellchen versaut das Messergebnis und könnte katastrophale Konsequenzen zur Folge haben. Tidenhub in Seebenisch, der Sportplatz avanciert zum temporären Priel.
Die Zahl stimmt, aber …
Zum Glück wissen eingeweihte Seebenischer Tiefseeforscher aus geheimen Exposès anerkannter Experten wie Klemm und Hensen, dass es sich bei den Angaben wohl eher um einen klassischen Fall von Freud’schem Abschreibfehler handelt. Das ist wie in der Schule: Mal kurz links rüber geschaut, die Zahl vom Banknachbarn erfasst, schnell hingeschrieben und strahlend durchgeatmet. Die Zahl ist zwar korrekt, aber bei der Einheit haperts. Da hätte man im Landratsamt lieber mal einen Blick ins Tafelwerk werfen sollen.
Na ja, bis 121,5 cm ist noch reichlich Platz. Allerdings müsste da mal jemand das Gebäude aufstocken, die Messlatte verlängern und am besten gleich Millimeter-Einheiten anzeichnen.
Ebenso gut hätten da 121,5 Knoten, 121,5 Klafter, 121,5 Liter oder halt Zoll, Dutzend, Schock, Zentner oder sonstwas stehen können. Hinter dem roten Korrekturzeichen f des Lehrers und der ebenso roten 0 bei der erreichten Punktzahl für die Lösung steht: Meter über NN! Beim nächsten Mal mehr konzentrieren!
Wie gesagt, das würde in einer Schule passieren. In der Berufswelt gibt es Geschäftsführer, die ihren Mitarbeitern die Bedeutung von Einheiten mit nachhaltiger wirkenden Methoden beibringen würden.
Da gibt’s dann im Monat April die Gehaltsüberweisung halt mal in Cent statt Euro. Das braucht der nur einmal zu machen und es sitzt fürs ganze Leben.
Aber weiter im Text. Gerade in jenem Moment, da sich die SPD-Spitze der Stadt im Ast, dem Vernehmen nach ohne Hinzuziehung der verantwortlichen planerischen Kompetenzträger der Stadt, mit dem Thema der Sportplatzsanierung auseinandersetzte und der Vorstellung des SSV-Konzeptes lauschen wollte, hatte sich eben dieses nur wenige Stunden vorher offenbar obsolet gemacht. Zumindest das ist klar und eindeutig formuliert: „Damit kann die Stadt die Sanierung weiter vorantreiben, deren Planung nun abgeschlossen werden kann.“
Kommen wir zum letzten Satz der Mitteilung. Ganz ehrlich: Hier haben sich die ungeduldigen Schreiberlinge der Markranstädter Nachtschichten wirklich richtig geärgert. Hätten wir doch nur noch ein paar Tage gewartet mit unserem Beitrag über Stilblüten und ähnliche Erheiterungen. Durch unser übereiltes Handeln haben wir uns selbst um eine prunkvolle Pointe gebracht.
Es wird beginnen worden
„Mit dem Beginn der Arbeiten wird schnellstmöglich begonnen.“ Darauf muss man erst mal kommen. Während die Sportler in Seebenisch sehnsüchtig darauf warten, dass endlich das Ende beendet wird, weil es Probleme mit der durchgeführten Durchführung gibt, sucht man im Rathaus nach dem Beginn des Anfangs. Dabei hat Hans Ast, der legendäre Lehrer der Baumschule Holzhausen, dieses Thema in seinen Ausführungen zur Rolle der Bedeutung als Fundament der Basis aller Grundlagen bereits hinreichend erörtert.
Sicher kann man jetzt den Vorwurf konstruieren, dass die Markranstädter Nachtschichten die Ernsthaftigkeit dieses ernsten Themas nicht ernst genug nehmen, aber da weder die Festlegung des Wasserstandes ganz gleich in welcher Einheit, noch die Trockenlegung eines bei 121,5 Zentimetern Wasserstand trockenen Sportplatzes oder gar der schnellstmögliche Beginn des Anfangs auch nur Ansatzweise eine komplexe, nachhaltige Lösung des Seebenischer Wasserproblems darstellt, muss es erlaubt sein, das nicht unbedingt ernst nehmen zu müssen.
Es ist keine Lösung eines Problems, sondern bestenfalls die punktuelle Bekämpfung lokaler Symptome. Hustensaft gegen Nierensteine.
3 Kommentare
Oh Herr, wirf Hirn vom Himmel!
Ich gewinne mehr und mehr den Eindruck, dass die Leute, die sowas verzapfen, überhaupt nicht wissen, worum es in der Sache wirklich geht. „Von tuten und blasen keine Ahnung!“, hätte meine Omma jetzt geschimpft.
Bis eben war ich ja guter Hoffnung, dass nach 3 Jahren Hickhack in dieser Sache der Gipfel der Kompetenzlosigkeit endlich hinter sich gelassen wurde. Ich musste mich nun eines Besseren belehren lassen!
Jedoch hätte ich in derartigen hochoffiziellen Wasserstandspressemeldungen eine ganz andere Längeneinheit erwartet: Das Ångström. Kennen Sie nicht? Macht nichts, wird auch nur noch in Chemie und Teilchenphysik von Ewiggestrigen verwendet. Klingt doch aber schön passend nach „Angeln“ und „strömen“, oder?
Allerdings: 1 Å = 100 pm. Wer jetzt rechnen muss: 1 Å = 10 hoch -10 Meter. Wer jetzt immer noch keine Vorstellung hat: 1 Å = 0,0000000001 Meter.
Für den Sollwasserstand könnte man damit die wunderschöne Zahl von 1 215 000 000 000 Å in einer Pressemeldung unterbringen. Also Größenordnungen, mit denen unsere Politiker sowieso lieber herumhantieren, auch wenn ein nur oberflächlicher Leser dann sicher meinen würde, es ginge mal wieder um die Summen für das nächste Griechenland-Rettungspaket.
Obwohl, ein Gutes hat die Sache: Die Wahrscheinlichkeit, dass ich mir das unausweichliche Ende meiner irdischen Existenz (hoffentlich erst nach 2050) mit einer wohnortnahen Seebestattung versüßen lassen kann, ist nun wieder exorbitant in die Höhe geschnellt.
Aloha hé!
Oh mein Gott, und ich dachte, in Markranstädt wird heute über die auch heute erst veröffentlichte Statistik zur cm-Angabe bei Penissen berichtet.
121,5cm … ahja. Soviele Zentimeter Unterschied …
Tja, da wird wohl im Landratsamt jemand mit seinen Gedanken auch woanders gewesen sein… Wobei: Das Spiel aus dem DDR-Fernsehen hieß ja auch „Schätzen Sie mal“ und nicht „Wünsch Dir was“. Ja, diese ominöse Statistik ist hier auch eingeflogen. 13,6 cm – das müsste zu schaffen sein. Fragt sich nur, mit welchem Aufwand? Unsere Damen haben sich schon mit dem Bandmaß bewaffnet. Heute Abend tritt die ganze Truppe an und es wird gemessen.