Papier ist geduldig – bei Cellulite unter der Latzhose

Das Wochenende hat es bei einem Blick in den Briefkasten nachhaltig gezeigt: Die deutsche Wirtschaft boomt. Auch die in Markranstädt. Zwanzig verschiedene Werbeschriften (alles, was Sie da links auf dem Foto sehen!), vom Sachsen-Sonntag über die ALDI-Qualitätspresse, Fressnapf und Kik bis hin zum MC-Donalds-Gutscheinflyer, fielen allein aus dem MN-Briefkasten. Da kommt man schon ins Grübeln, ob man das wirklich alles zum Müllplatz schleppt oder die Blaue Tonne nicht doch lieber gleich vor den Briefkasten zerrt.

Das Signal aus der Postbox ist unmissverständlich: Die Wirtschaft boomt. Sie produziert und will ihr Zeug verkaufen. Die Gewerbesteuer in Markranstädt hat zwar im letzten Jahr mal wieder die Fünf-Millionen-Duftmarke überschritten, aber noch immer ist das Handelsvolumen im Osten weitaus höher als die Wertschöpfung. Produziert wird vorwiegend im Westen. Oder ganz weit draußen im Osten. Hier bei uns soll gekauft werden.

Also macht man den Briefkasten auf und es fällt einem tonnenweise buntes Papier in die Arme. Kostenlos auch noch. In Deutschland werden jährlich 2,7 Millionen Tonnen Papier für Werbeprospekte bedruckt.

Die Zahl kostenloser Zeitungen und Anzeigenblätter beläuft sich gar auf 4,9 Milliarden Exemplare! Das alles fliegt entweder volley oder zumindest nach kurzer Zeit – gelesen oder ungelesen – in den Müll. Unadressierte Werbung und Anzeigenblätter machen pro Haushalt und Jahr rund 70 Kilogramm Altpapier aus.

briefkästen

Aber was liest man nicht alles, wenn man dadurch Geld sparen kann? Bei Norma beispielsweise gibt’s diese Woche eine Glühbirne für nur 39,99 Euro. Wahnsinn! Das Teil zieht nur 7,5 Watt und leuchtet so hell wie … ja, also … so hell wie … na ja … 510 Lumen eben. Und irgendwie kann man die wahrscheinlich auch noch als Ofen verwenden, denn 2700 Kelvin ist zweifelsfrei eine Temperaturangabe.

Auch die sozialen Botschaften der Werbeblätter sind klar formuliert und zielgruppenorientiert aufbereitet. Die Kaufland-Zeitung bietet beispielsweise Arbeitslatzhosen für den Mann zu nur 9,99 an. Gleich auf der nächsten Seite räkelt sich eine Milf in rosa Slips zu 4,99 pro 5-er Pack.

Das Signal ist klar: Der Alte hat zu arbeiten, während die Dame das einzigartige Tragegefühl des völlig neu entwickelten Komfort-Zwickels erleben darf.

Was die Werbeagenturen verschweigen: In einer langen Arbeitslatzhose sieht man die Cellulite nicht. Das sagen die PR-Fuzzis aber absichtlich nicht, weil es ein paar Seiten weiter oder in einem anderen Flyer spezielle Cremes dagegen gibt, die auch unbedingt raus müssen.

Dieses Video zeigt eindrucksvoll, dass man im Zeitalter digitaler Medien trotzdem nicht alles papierlos regeln kann.

Und ganz sicher findet sich irgendwo auch eine ganz besonders preisbewusste Hausfrau, die es erst mal mit „Faltenfrei“ aus der Haushaltwarenabteilung versucht. Damit wäre dann dieser Ladenhüter auch endlich raus.

Hilfe für Griechenland

Über zwanzig Werbeschriften haben wir am Sonntag aus unserem Briefkasten geholt. Das dabei offerierte Sparpotenzial liest sich schier unglaublich. Bei 3565 Prozent Einsparung haben wir aufgehört zu zählen. Eigentlich ist es so, dass man nach dem Einkauf all der angebotenen Waren kofferweise Geld rausbekommen müsste. Deutschland spart sich reich!

Warum eigentlich machen das die Griechen nicht? Die könnten sich damit ruck-zuck komplett entschulden. Bei Fressnapf ist diese Woche beispielsweise ein komplettes Entsorgungssystem für schmutzige Katzenstreu im Angebot. Da braucht man das Zeug nicht mehr in einem Plastebeutel wegzubringen, sondern kann es wochenlang sammeln und dann in einem handlichen Container mit einem Mal nach unten ächzen. Okay, Luxus kostet Geld, aber hier spart man! Das Ganze gibts für nur 14,99 statt sonst 19,99. Fünf Euro, oder noch besser: zwei Millionen Drachmen gespart!

Wenn die Griechen nicht so geizig wären und jeder sich so ein Teil kaufen würde, hätte Griechenland auf einen Schlag fast 55 Millionen Euro gespart.

Katzen nach Athen tragen?

Okay, am Fuße der Akropolis gibt es ebenso kaum Katzen wie in ganz Hellas. Weil die entweder von freilaufenden Hunden gefressen werden oder ein Reifenprofil auf dem Rücken haben. Aber das Ganze funktioniert auch mit Damenslips, Arbeitslatzhosen, Nasenhaarentfernern, Probiersöckchen und sogar Winterreifen. Ja, auch in Griechenland!

So, nun aber mal Butter bei die Fische. Wir haben 762 Gramm sinnlos bedrucktes Papier aus dem Briefkasten geholt. Ausgehend von rund 10.000 Briefkästen in der Stadt und ihren Ortschaften (inklusive Unternehmen etc.) wären das 7620 Kilogramm Papier.

Mein Freund, der Baum…

Zur Herstellung von einem Kilogramm Papier benötigt man rund 2,2 kg Holz, also in unserem Fall 16.764 kg. Aus einer 25 Meter hohen Fichte (das ist schon ein ziemlicher Kawenzmann und auch in unseren Breiten kaum noch zu finden) mit einem Stammdurchmesser von 40 Zentimetern gewinnt man gerade einmal 670 Kilogramm Papier.

gewicht

Etwas mehr als zehn solcher Bäume sind gefällt worden, um allein Markranstädt am Wochenende mit solch wichtigen Informationen über die Vielfalt unserer Konsumgüter zu versorgen. Übers Jahr gesehen verschwindet da ein ganzer Wald.

Da ist es doch gut, wenn man wenigstens bei Kleingärtnern aufpasst, dass die nicht wild mit ihren Äxten rumfuchteln und völlig sinnfrei störende Knallerbsensträucher niedermetzeln.

 

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