Wo dem Markranstädter der Schuh drückt…

Am Anfang wurde sie belächelt. Ja, auch die SPD selbst, aber vor allem deren Idee, eine Umfrage unter dem Markranstädter Bürgertum zu starten. Mehr als 80 Teilnehmer haben sich noch nie an sowas beteiligt. Nicht mal bei den MN, wo man sich bestenfalls zu einem Klick mit der Maus überwinden musste. Aber dann sind den kommunalpolitischen Wettbewerbern die Gesichter eingeschlafen: 263 Bürger füllten ihre Zettel aus! Das ist mehr, als die SPD bei der letzten Bundestagswahl deutschlandweit an Stimmen bekam.

SPD-Fraktionschef Frank Meißner schwoll im Stadtrat die Brust schon beim Verlesen der Teilnehmerzahl auf Doppel-D. Mit 263 Rückläufern hätten selbst die Genossen nicht gerechnet. Deshalb gab es die Auswertung auch erstmal nur in mit heißer Nadel gestrickter mündlicher Form. Über einer pressefähigen schriftlichen Ausfertigung brüten die Sozialdemokraten heute noch.

Es war geradezu eine Flut an Bürgerwünschen und -äußerungen, die Meißner da vortrug. Bei so viel oraler Prosa blieb dann zunächst leider nur das hängen, was irgendwie herausragte. Die satirischen Komponenten also. Und die waren so endgeil, dass wir sie unseren Lesern nicht vorenthalten können.

Freiheit für die, die es satt haben

Zwischen den Zeilen gelesen, kommen einige Markranstädter wohl nicht so recht mit dem demografischen Wandel klar und wollen den Altersdurchschnitt zwischen Zschampert und Floßgraben mit einer Art kommunalpolitischer Sterbehilfe senken. So gab es beispielsweise die Forderung, vor allem für ältere Bürger einen „barrierefreien Zugang zu den Bahnhofsgleisen“ zu gewährleisten. Wohlgemerkt: Zu den Gleisen, nicht zu den Bahnsteigen.

Auch das Thema Hundekot scheint die Gemüter zu bewegen. „Als Hundeklo werden die Grünanlagen und Gehwege vor den Eigentumswohnungen benutzt“, heißt es zum Beispiel. Hier wird die Lösung gleich mit der Aussage präsentiert. Einfach die Hunde künftig vor Mietwohnungen abkacken lassen und schon ist der soziale Friede wiederhergestellt.

Die Renaissance alter Ideen

Bedenklicher ist allerdings das latente Wuchern rechten Gedankenguts in den Köpfen. So wird beispielsweise nur 75 Jahre danach schon wieder ein Gesetz zur Reinhaltung der Rasse gefordert. Erstmal nur für Tiere freilich. „Unkastrierte Katzen und Kater sollten verstärkt kastriert werden“, heißt es in der Umfrage gleich mehrfach. Aber nicht nur das.

Auch für die Denunziation animalischer Rassenschande sollen, offenbar mangels Ortsbauernführer oder wenigstens einer Gestapo-Außenstelle des Veterinäramtes, neue Wege gefunden werden. „Daher sollte es die Möglichkeit geben, über die Internetseite Sichtungen von solchen Katzen zu melden. Diese dann eingefangen und tierärztlich versorgen…“ Allein bei der Umschreibung hat man sich da früher allerdings mehr Mühe gegeben. Sonderbehandlung hieß das damals. Tierärztlich versorgen … ganz klar, dass derart einfallslos formulierte Wünsche nicht mal ordentlich ignoriert werden.

Und wie soll das überhaupt funktionieren mit der Denunziation per WorldWideWeb? Das Thema Internet steht auf der Mängelliste der Bürgerschaft ganz oben, weils einfach fehlt oder zu langsam ist.

Wenn man da eine Miez melden will, weil man sie soeben beim Poppen mit einem nichtarischen Kater erwischt hat … also grade auf dem Dorf, wo es naturgemäß die meisten Katzen gibt, weil da nicht so viel Straßenverkehr herrscht … bevor da das analoge Modem vorgeglüht ist und die Verbindung zum Server steht, hat das Muttertier bereits geworfen und das Problem hat sich vervielfacht. Ne, diese Forderung ist nicht nur unverschämt, sondern in der Praxis einfach nicht umsetzbar.

Auch Katzen können Rassisten sein.

Der tiefe Wunsch nach Rückkehr zu alten, urdeutschen Traditionen wird auch in anderen Bereichen deutlich. Zwar wagt man sich noch nicht wieder an Begriffe wie „entartete Kunst“, aber Forderungen wie „Alter Friedhof: Krebsmonument beseitigen“ oder „Die hässliche Stahlfigur am Alten Friedhof entfernen“ kommen dieser Gesinnung schon recht nahe.

Arschtritt mit Gummifüßen

Wie wesentlich pazifistischer lesen sich dagegen solch fromme Wünsche wie „Angebot in Supermärkten mit frischem Käse und Fisch einführen“ oder „Straßenbahn nach Leipzig“. Eigentlich fehlt da nur noch die Forderung „Freiheit für Grönland – weg mit dem Packeis!“ Aber das ist bekanntlich schon in Arbeit.

Einzig die Forderung „Nordic-Walking ohne Gummifüße verbieten“ dürfte die Markranstädter SPD bei der Umfrageauswertung an ihre Grenzen führen. Silikonbrüste okay, davon hat man schon gehört. Pappnasen sind ebenfalls geläufig, auch Glasknochen oder Tennisarme kennt man. Sogar Holzbeine soll es im Zeitalter der Kunststoffprothesen noch geben. Aber Gummifüße? Selbst wenn es die gäbe, könnte man damit wohl kaum laufen, auch nicht mit solch wunderlichen Skistöcken.

Hier wollen sicher nur welche auf den Bänken an der Promenade sitzen und sich einen ablachen, wie Amputierte auf Gummigliedmaßen eiernd durch die Gegend mäandern. Das ist nicht lustig, echt nicht. Wir fordern: Nordic-Walking komplett verbieten! Wer auf Gummifüße steht, kanns ja mal im Swingerclub versuchen und wer unbedingt Stöcke hinter sich herziehen will, soll den Pappelwald aufräumen.

… oder einfacher gefragt: Wo drückt er nicht?

Wenn ich Bürgermeister wäre…

Aber all das ist Pillepalle und reicht gerade mal so, um die Mundwinkel zwischen Grinsen und Entsetzen wackeln zu lassen. Die absoluten Brüller gabs in der Umfrage im Kapitel: „Wenn Sie Bürgermeister wären, was würden Sie als erstes tun?“ Hier eine Auswahl der Ideen des Markranstädter Bürgertums. Unkommentiert natürlich, denn lustiger können es auch Satiriker nicht formulieren.

  • Ich würde zurücktreten …
  • Als Chef würde ich mich dümmer stellen, als ich bin – und viele tun dies mit großem Erfolg. Aber nicht klüger. Das merken die anderen nämlich, und sie freuen sich darüber, dass der Chef so ein Rindvieh ist.
  • Den amtierenden Bürgermeister verhaften und einsperren.
  • Einige Stellen im Rathaus neu ausschreiben.
  • Jedem Bürger freundlich zunicken/grüßen.
  • Schreibtisch einräumen...

Blieben schlussendlich noch einige Indizien, die darauf hindeuten, dass der gemeine homo marcransis durchaus kompromissbereit ist, wenn es um die Erfüllung seiner tiefsten Sehnsüchte geht. So ist man in der Bürgerschaft bereit, Drogenhandel und -konsum zu tolerieren. Nur eben nicht überall. Darum die Forderung an die Abgeordneten, dass sie sich um „Drogenkonsum in und in unmittelbarer Nähe von Schulen“ kümmern sollen. Vom Rathaus oder anderen Einrichtungen steht da nichts. Übrigens auch nichts von Satire-Organen.

Wir hätten uns sowieso nicht dran gehalten.

 

1 Kommentar

  1. Ich finde es amüsant, wenn mit Schlagworten Wahlwünsche geäußert werden. Was soll die SPD da nur machen. Im Grünen Beteiligungsformular sieht es ähnlich aus. Und im tobenden Wahlkampf gibt es auch schon einige Blüten. Ich habe ein Plakat mit unzählig vielen Buntstiften entdeckt. Endlich dachte ich, das vor vielen Jahren im Wahlkampf thematisierte Konzept „Ab in die Mitte“ zeigt erste Ergebnisse und der Ratschefummel macht wieder auf. Denkste. Jetzt heißt es neu wählen und alles geht wieder von vorne los.

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.