Neues aus der vierten Etage (49)

Die 49. Sitzung der Markranstädter Duma hatte was von einem letzten Schultag. Obwohl es vor der Inthronisation des neu zu wählenden Parlaments noch mindestens eine Zusammenkunft (eher zwei) geben wird, machte sich eine Art Abschiedsstimmung breit. Allerdings nicht mit Trauer, sondern gelöster Spannung. Die Mono-, Dia- und Trialoge waren bisweilen so erheiternd, dass die Beschlüsse fast schon zur Nebensache gerieten.

Der Reigen der Pointen begann bereits in der Bürgerfragestunde. Da kritisierte ein Einwohner, dass es keine Ankündigung über die Verlegung der Stolpersteine in der Zwenkauer Straße gegeben habe, wo er doch so gern daran teilgenommen hätte. Den Hinweis, dass das Ereignis in der Tagespresse angekündigt wurde, konterte der Bürger mit der Bemerkung, dass er die LVZ nicht lese.

Das war ein klarer Auftrag an die kommunalpolitischen Würdenträger, ihre Ankündigungen künftig per individuell gestalteter Nachrichten an jeden Haushalt einzeln zu richten. Ob die das allerdings auch so aufgefasst haben?

Dann ging es um ein anderes Thema. Der sichtlich gelöste Bürgermeister stimmte seinen Stadtrat mit den Worten darauf ein: „Es geht um die Vernässungsflächen, die im Moment gar nicht so vernässt sind. Breites Grinsen am Ratstisch. Die LINKE führte zum Ernst der Lage zurück, indem die Gesamtsituation noch einmal dargelegt und darauf hingewiesen wurde, dass die vorgestellten Lösungen nicht neu seien.

Eine Etage zu hoch gegriffen?

Das sorgte für Unruhe im Stamm der CDU. Deren Medizinmann fragte, warum man Ausschusssitzungen durchführe, wenn deren Inhalte dann im Stadtrat noch einmal aufgekocht würden? Spiske wollte diese Aussage offenbar durch Hinweis auf das Prozedere im Land- oder Bundestag stützen, griff dabei aber wohl etwas zu hoch. „Ausschusssitzungen sind zur Abstimmung der Fraktionen da. So kenne ich das auch aus einer Etage höher.“ In Ermangelung eines 5. Stockwerks gingen die Gedanken der Anwesenden in diesem Moment aufs Dach des technischen Rathauses. Dort also tagen die Ausschüsse!

Der Dreisatz im Text

Als es um die neuen Klassenräume fürs Gymnasium ging, kam auch aus den Reihen der LINKEN endlich mal ein stimmungsvoller Beitrag. Heike Kunzemann forderte, dass die Kosten auf der Titelseite der Beschlussvorlagen aufgeführt werden, „damit ich mir das nicht immer im Text per Dreisatz ausrechnen muss!“

Eine Forderung, die Schüler vor den schriftlichen Matheprüfungen schon seit Jahren stellen. Jetzt, kurz vor den Wahlen und wo es zu spät ist, gibt’s in Sachen Textaufgaben plötzlich Rückendeckung aus der Politik. Es ist zum Verzweifeln.

Dann kam das Thema Stadtbad. Der Bürgermeister stellte ein Investitionsvolumen von 2,5 Millionen Euro als oberste Grenze vor. Mehr dürfe die Sanierung nicht kosten und deshalb müsse sich alles diesem Rahmen unterordnen.

Dr. Kirschner ließ sich davon nicht beirren. Lösungsorientiert bot er eine innovative Sparmaßnahme an, die er wohl im wahrsten Sinne des Wortes aus der Praxis kennt, in der er sowas als Kassenleistung für inkontinente Damen verschreibt. „Dann lassen wir eben kein Wasser rein“, machte er Werbung für gesellschaftliches Beckenbodentraining.

Beckenbodentraining im Stadtbad

Sofort wurde der konstruktive Vorschlag von der gesamten Duma aufgegriffen und verfeinert. Schon schien es, als wollte man sich auf wenigstens etwas Wasser einigen, um zumindest den Anhängern des Aqua-Jogging ein Domizil zu bieten, da sprach der Bürgermeister ein Machtwort: „Man sollte schon vom Drei-Meter-Turm reinspringen können, ohne auf dem Boden aufzuschlagen.“

Auf eben jenem Boden der Tatsachen angekommen, schwand dann die Heiterkeit kurzfristig und machte Platz für den Ernst der Beschlussfassung.

Eröffnung der Jagdsaison

Als es um die Gründung einer Breitband GmbH ging, schlug die satirische Stunde des CDU-Fraktionschefs Micha Unverricht. Die Liste der 31 Kommunen vor Augen, die dieser GmbH beitreten wollen, meinte Unverricht: „Da können wir nur hoffen, dass wir vorne mit dabei sind und nicht auf Platz 31. Ich wünsche ihnen viel Glück, Herr Bürgermeister.“

Spiske gab sich kämpferisch und postulierte, dass er Markranstädt in der Rangfolge der Breitbandversorgung ziemlich weit vorne sehe, was Unverricht mit dem Zitat quittierte: „Wir werden sie jagen!“

Das Schweigen der Lämmer

Das Gelächter in der Duma wurde nur von zwei Personen nicht geteilt, die es wahrscheinlich als angemessener betrachten, all die Begriffe, die schon mal von gesellschaftlich Abtrünnigen verwendet wurden, aus unserem Wortschatz zu tilgen. Kann man so sehen, aber man sollte dann auch einen Vorschlag unterbreiten können, wie man künftig schweigend diskutieren will. Oder eben einfach mal mitlachen, statt sich dem Diktat Geächteter in freiwilliger Selbstzensur zu unterwerfen.

Jedenfalls kam es am Ende zum Beschluss über den Beitritt Markranstädts in die GmbH und einem Fazit Spiskes, das noch vor einem Jahr kaum denkbar war. Sich in der Dicke seines sichern Sitzpolsters räkelnd, fügte er dem erheiternden Lustspiel noch einen Takt hinzu und bestätigte Unverricht: „Die Jagd ist eröffnet.“

Nüchtern betrachtet: alles clean

Für alle Leser, die jetzt irgendwelche Zweifel hegen, hier noch mal explizit der ultimative Hinweis: Die Getränke da oben waren clean und es roch auch nicht nach Gras oder anderen Substanzen. Es war die reine, unverfälschte Freude am Spaß!

Und das war noch lange nicht das Ende der Show. Frank Meißner durfte noch die Ergebnisse der Umfrage vortragen, die von der SPD initiiert wurde. In den Rückmeldungen gab es nicht nur Forderungen nach Zwangskastration von Katern, sondern auch Meinungen über den Bürgermeister.

Rücktrittsforderungen weggelacht

Meißner stimmte Spiske einleitend schon mal milde: „Keine Angst, es wird nicht so schlimm. Ich habe alle Stimmen weggelassen, die ihren Rücktritt fordern.“ Spiske nahm den Steilpass auf und stellte gleichzeitig Meißners Bemühungen um Datenschutz infrage: „Och … können’se ruhig vortragen. Ich kenne alle drei persönlich.“ Selten wurde im Ratssaal so ausgelassen gelacht.

Am Ende des Events sorgte nochmal Dr. Kirschner für finale Heiterkeit in den Gesichtern. Unter dem Eindruck der bevorstehenden Neuwahlen bedankte sich Fraktionschefin Kirsten Geppert im Namen der Freien Wähler für die Zusammenarbeit im Stadtrat. Da schwang durchaus etwas Wehmut mit und wenn man wollte, konnte man dem Tremolo ihrer Laute durchaus eine gewisse Abschiedsstimmung entnehmen. Die motivierte Kirschner, mit väterlichem Blick über die Brille schauend, zur Frage: „Habt ihr Angst, dass ihr nicht wieder reinkommt?“

Nochmal: Mit Ausnahme der Tagesordnung gab es an diesem Abend weder ein Drehbuch noch sonstige Regieanweisungen. Alles kam spontan und die Sitzung dauerte nur eine Stunde. Der scheidende Stadtrat hat damit für seine neu zu wählenden Nachfolger die Messlatte ganz hoch gehängt und darüber hinaus völlig neue Maßstäbe im politischen Kabarett gesetzt. Es macht wirklich wieder richtig Spaß, sich das live reinzuziehen.

 

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