Too old to die young: „Da sind wir aber immer noch …“

Noch zehn Tage bis zu den Wahlen. Für den Stadtrat haben sich 58 Mutige gefunden, die sich künftig in der vierten Etage für 66 Euro pro Monat zum Ei machen wollen. Ein unbefriedigender Job, wenn man noch dazu in Markranstädt wohnt und täglich damit konfrontiert wird. Sowas will man seinen Kindern ersparen. Wohl deshalb haben sich in der Vergangenheit vorwiegend Freiwillige für diese Aufgabe gefunden, die den Zenit ihres Lebens bereits überschritten hatten. Jetzt aber drängt, Greta sei Dank, die Jugend nach vorn. Oder doch nicht?

In der Rockmusik gibt es den „Club 27“. Alles junge Leute, die dem Motto „Live fast, love hard, die young“ so intensiv frönten, dass sie nicht älter als 27 wurden.

Sie lebten schnell, liebten hart und starben jung. Meist an Drogen oder Syphilis, manchmal auch an einem Stromschlag aus dem Mikro. Hinter Soul-Sängerin Orish Grinstead steht im Lexikon nach der eigentlichen Todesursache beispielsweise „… und andere Krankheiten“.

Die vom Oktober-Klub leben dagegen fast alle noch. Was sagt uns das? Genau! Wer was hinterlassen will, sollte fast liven und hard loven. Dass er dann auch young diet, liegt in der Natur der Sache. Aber nur so kommt dabei was rum, denn sonst singt man noch mit neunzig Jahren Da sind wir aber immer noch …“

So wie hier: Schaut man sich den gegenwärtig regierenden Markranstädter Stadtrat und die neuen Kandidaten an, wird sofort klar:

Too old to die young!

Selbst das mit Abstand jüngste Küken des Gremiums hat die 27 schon hinter sich und damit den Zeitpunkt verpasst, eine Art Markranstädter Janis Joplin zu werden. Statt dessen muss sie jeden ersten Donnerstag im Monat am Ratstisch, eingekeilt zwischen lauter Jopi Heesters und Inge Meysels, wertvolle Lebenszeit unter einer 4711-Glocke absitzen.

Dabei war die Hoffnung der alten Riege groß, dass endlich mal ein frischer Hauch Rise von Beyoncé durch die Patchouli geschwängerte Luft des Ratssaales weht.

Einzig die Grünen haben erkannt, wie man die Jugend am besten motiviert: Die Aktion „Bürgerbeteiligung vom Sofa aus“ trifft den Nerv der jungen Generation.

Die immer lauter werdenden Proteste der Jugend, die nach eigenen Aussagen für ihre Zukunft viel zu bewegen bereit ist, befeuerte die Gedanken an die Verjüngung des Gremiums.

Muss ja nicht gleich 27 sein. Unter 30 würde schon reichen oder wenigstens unter 40, damit beispielsweise die Gedanken über die Angebote in den städtischen Jugendclubs oder die Planung von Schulen und Kitas von denen mitgedacht werden, die am nächsten dran sind. Aber dem ist nicht so.

Statt dessen haben 50 der 58 Bewerber die vierziger Schwelle bereits überschritten, sechs davon haben gar im Kriegsjahrzehnt der 1940-er Jahre das Licht der Welt erblickt. Da wird’s schwer, mit einem frischen Wind zu werben.

Die Ursache scheint derweil im Kalender betoniert. Da hat sich die Jugend quasi am Parlament vorbei den Freitag als zusätzlichen Sonnabend erkämpft und nun soll sie nicht nur sonntags wählen gehen, sondern im Erfolgsfall donnerstags im Ratssaal sitzen – zudem nach Feierabend? Also so schlecht sind unsere Schulen nun auch wieder nicht, dass sie ihren Schülern diesen Teil gesellschaftlicher Mathematik nicht vermitteln konnten.

Egal wie die Wahl ausgeht, bei Fragen wie der Geburtenentwicklung zur Schulnetzplanung werden also auch weiterhin Mandatsträger entscheiden, die den zugrundeliegenden Akt nur noch als Schwarz-Weiß-Streifen aus der Stummfilmzeit in Erinnerung haben, während die Teens und Twens draußen dafür demonstrieren, dass die Heizdecken der elterlichen Ehebetten aus Windenergie gespeist werden. Wenn kein Wind weht, wird nicht geblasen!

Schon im Vorfeld der Wahlen hat die Jugend damit die große Chance vertan, ihre Themen selbst in die Hand zu nehmen. Somit bleibt ihr also auch künftig nichts anderes übrig, als freitags gegen das greise Polit-Establishment zu protestieren. Der Wahlbehälter heißt schließlich nicht umsonst Urne.

 

4 Kommentare

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    • Markranser auf 19. Mai 2019 bei 8:12
    • Antworten

    Lustig und auf dem Punkt gebracht. Da fällt einem fast das Gebiss aus dem Mund vor lachen.

    • SPD Markranstädt auf 18. Mai 2019 bei 11:52
    • Antworten

    Sonst glänzen die Markranstädter Nachtschichten mit ihrer fundierten Recherche und fast hätten Sie auch recht behalten, aber tatsächlich stehen auch in Markranstädt diese seltenen jungen Wesen zur Wahl. Bei der SPD treten gleich fünf Jünglinge zwischen 20 und 34 Jahren für ein Mandat im Kreistag, Stadtrat und Ortschaftsrat an: https://www.spd-markranstaedt.de/2019/05/15/junge-ideen-und-frischer-wind-f%C3%BCr-unsere-kommune/ 😉

    1. In der Tat ist den Rechercheuren/Innen da wohl der junge Mann des Jahrgangs 1998 durch die Lappen gegangen. Zwar passt’s ansonsten (es ging im Beitrag nur um den Stadtrat), aber so ein Lapsus ist nicht hinnehmbar. Die Urheber dieser Fahrlässigkeit wurden entlassen (sind jetzt vom durch die SPD initiierten Hartz IV abhängig) und so der Wähler will, wird der jungen SPD ach der Wahl an dieser Stelle noch einmal ausführlich gedacht. Vielen Dank für den Hinweis.

    • Wahlbeobachter auf 18. Mai 2019 bei 0:13
    • Antworten

    wie immer auf den Punkt gebracht, jedoch glaube ich dass die Jungen schon gern wollen würden nur gegen die Alten nicht ankommen. Denn mal ehrlich wer sich hier als kleiner oder nur Kandidat mit der CDU anlegt hat doch schon verloren, Siehe auch Auszählverfahren der Stimmen nach dem gültigen jedoch von vielen Unverständlichen D’Hondt-Verfahren. Da braucht man sich dann auch nicht wundern wenn viele sagen was soll ich mich da dann einbringen, wenn ich trotz mit mehr stimmen als der letzte oder sogar vorletzte einer etablierten Partei dann trotzdem nicht in den Rat oder was auch immer komme. Ich und viele andere finden dies schon lange unfair, denn Du gibst einem Kandidaten/in zig Stimmen und der kommt trotzdem nicht in den Rat.

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