GWF – der Erlkönig auf Markranstädts Straßen

Verschwörungstheoretiker wissen es schon lange: Die Werbung für Autos ist gefakt. In einschlägigen Wochenzeitungen liest man immer wieder angebliche Testberichte über neueste Modelle, bei denen man nach Addition der Merkmale nur zu einem Ergebnis gelangt: Schwimmfähiges Raumwunder mit Antrittsstärke und bergsteigerischen Fähigkeiten bei null Spritverbrauch. Seltsamerweise haben all die Testredaktionen das geheimnisvollste und zugleich bewundernswerteste Auto jedoch nicht auf dem Schirm: den GWF. Dabei bricht der Markranstädter Erlkönig alle Rekorde.

Wissen Sie, was ein Erlkönig ist? Unter Fotografen ist das eines der begehrtesten Motive. Als Erlkönige werden geheime Prototypen von Autos bezeichnet, die vom Hersteller so getarnt wurden, dass niemand sie erkennen kann. Für Industriespione ebenso ein begehrtes Ziel wie für Fotografen, die Aufnahmen von Erlkönigen meistbietend an Autozeitschriften und Motormagazine verkaufen.

Meist findet man Erlkönige oben im Norden. Wenn Daimler, Audi & Co. auf den zugefrorenen Seen Norwegens und Schwedens ihre geheimen Neuentwicklungen testen, ist das für Fotografen wie eine Schnitzeljagd bei den Pfadfindern. Monatelang ziehen die Paparazzis durch die verschneiten Wälder und spitzen die Ohren nach Motorengeräuschen.

Brandneuer Erlkönig eines Mercedes-Benz GLB, entdeckt vor wenigen Monaten vom Fotografen Alexander Migl in Stuttgart. (CC by SA 4.0)

Was’n Unsinn. Im schönen warmen Markranstädt fahren schon seit Jahren Erlkönige rum und man muss sich nicht mal die Mühe machen, sie zu fotografieren. Weil man die Fotos von aufmerksamen Lesern zugesandt bekommt. Von Leuten, die wohl nicht selten sogar mit Neid auf die Leistungsmerkmale dieser Boliden blicken und deshalb besonders sensibilisiert sind.

Es handelt sich um Fahrzeuge des Typs GWF. Das Kürzel steht für Grün-Weißer Flitzer und ist wohl sowas wie ein direkter Rechtsnachfolger des MAF. Aber das ist auch schon alles, was der kleine Bolide mit einem klassischen Automobil gemeinsam hat.

Der GWF ist eine wahre Revolution auf dem Automarkt. Bereits sein Erscheinungsbild flößt bei Falschparkern, Zuschnellfahrern oder Nichtvordemeigenenhauskehrern Respekt ein. Lediglich Graffiti-Sprayer zeigen sich unbeeindruckt, was wohl an der Farbgebung im „Chemie 1964“-Look liegen kann.

Der kleine Muskelprotz ist außerordentlich antrittsstark und wendig. Im Gegensatz zum restlichen Schrott in den Autohäusern schaffte es der GWF vor wenigen Tagen sogar, die Einbahnstraße der Krakauer Straße (siehe Titelfoto) in Gegenrichtung zu durchqueren, ohne dass ihn ernstzunehmende Hindernisse aufhalten konnten.

Nicht mal die StVO kann ihn aufhalten

Spielend leicht, praktisch per Druck aufs Gaspedal, setzt der GWF die StVO außer Kraft und ist angesichts seines zukunftsweisenden Farbdesigns für Ordnungsbeamte de facto unsichtbar.

Diese Unsichtbarkeit beweist auch untenstehende Aufnahme, die bereits aus dem Jahr 2014 stammt. Während das nur wenige Minuten zuvor an gleicher Stelle geparkte Fahrzeug eines MUM-Besuchers mangels Parkuhr mit einem Knöllchen verziert wurde, blieb der gleich danach für volle drei Stunden abgestellte GWF für die Ordnungskräfte komplett durchsichtig. Das ist Transparenz!

Blieb stundenlang unbehelligt, wo dem kurz zuvor geparkten Auto nur Minuten später ein Knöllchen untergeschoben wurde: Erlkönig des GWF.

Aber der GWF hat noch mehr zu vorzuweisen. Obwohl das Cockpit des kleinen Raumwunders Platz für einen Bürgermeister, eine Beigeordnete, zwei Fachbereichsleiter und einen Aktenträger bietet (ein Hausmeister oder der Landrat passt zur Not noch in den Kofferraum), überzeugt das Fahrzeug mit minimalistischsten Platzansprüchen sowohl auf der Straße als auch im ruhenden Verkehr.

Innovativ bis ins Detail: Wer mit dem GWF quer parkt, schafft automatisch einen Frauenparkplatz.

Der versierte Kraftfahrer kann beim Abstellen des GWF lediglich einen halben Parkplatz belegen (Foto) und macht damit automatisch eine anderthalbe Parkfläche, den so genannten Frauenparkplatz, für das schwache Geschlecht frei. Nicht ohne Grund wird das Kürzel GWF auch mit gendergerecht – weiblich – feminin übersetzt.

GWF – ein ewiger Erlkönig?

Leider ist der GWF für den gemeinen Bürger weder erschwinglich noch überhaupt erhältlich. Kein Wunder also, dass sein Erscheinen immer wieder für Aufmerksamkeit sorgt und neidische Bürger zur Kamera greifen lässt. In der Fachbranche scheint Markranstädt jedenfalls der Geheimtipp für Fotografen zu sein, die auf der Jagd nach Erlkönigen sind.

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle aufmerksamen Markranstädter Erlkönig-Jäger für ihre Zusendungen.

 

6 Kommentare

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  1. wer die Macht hat, braucht sich nicht an Gesetzte zu halten? oder habe ich da etwas mißverstanden????

    1. Ähm..ja, haben Sie. Was in diesem Beitrag dargestellt wurde, ist zutiefst menschliches Verhalten. Wenn wir ehrlich sind, hat jeder von uns schon mal falsch geparkt, ist eine Einbahnstraße verkehrtrum langgefahren, bei Rot über die Kreuzung geheizt oder hat jemandem die Vorfahrt geschnitten. Versehentlich oder vorsätzlich … egal. Der einzige Unterschied ist, dass man am Steuer eines GWF jemanden vermutet, der die Rechtslage kennt und der solche Verstöße anderer ahndet. Irgendwie ist es schade, dass in den Kommentaren meist der hinter den Beiträgen entdeckte Ernst gepflegt wird. Warum nicht einfach mal lachen (siehe Kommentar Uta)und sich, gern auch diebisch, darüber freuen, dass auch Vertretern des Gesetzes Verstöße gegen Gesetze passieren? Also müsste Ihre Aussage korrekterweise lauten: „Auch dem der die Macht hat, kann es mal passieren …“ … oder so ähnlich. Nicht immer gleich Bosheit oder Vorsatz unterstellen.

      Nehmen wir das Foto aus der Krakauer Straße und stellen uns vor, was im Cockpit des GWF wirklich passiert ist. Die Sonne brennt auf den Planeten, die Beifahrerin hat ein kurzes Röckchen an, der Fahrer war grad beim Bäcker in den Marktarkaden und hat zwei Stück Bienenstich gekauft, die er zusammen mit der Beifahrerin gleich am Kulki vernaschen will. Beim rausfahren fällt ihm auf, dass ihr Rock jenseits der Demarkationslinie hochgerutscht ist und nicht nur den Blick auf ihre Schenkel, sondern auf das sich anschließende Delta freigibt. Da ist man doch flugs mal falsch abgebogen und tuckert im ersten Gang (Schalthebel mit Knie verwechselt) bin zu nächsten Kreuzung.

      Warum diesen Menschen verurteilen? Haben wir die Größe, uns mit ihn zu freuen! Und hat er nicht vielmehr einen Preis verdient, weil er trotz allem gradeaus gefahren ist und niemand zu Schaden kam? Ich selbst habe mir mal auf der Autobahn einen blasen lassen. Als meine Pupillen nach ein paar hundert Metern wieder gradeaus gucken konnten (zwischendurch war zeitweise nur das Weiße zu sehen), war ich wider Erwarten immer noch auf der Autobahn. Ich war stolz wie Oskar! Das sind die Momente, über die wir uns freuen sollten!
      Satire lebt von der Betrachtungsweise aus einer anderen als der üblichen Perspektive.

        • Marc Ranzi auf 20. Juni 2019 bei 14:24
        • Antworten

        Mein lieber Mann, Du warst das damals auf der Autobahn. Ich hab mir echt Sorgen gemacht als ich Dich mit Deinen verdrehten Augen am Steuer sah. Ich wäre Dir fast rückwärts auf dem Standstreifen hinterher gefahren. Hab gedacht Du hast Krämpfe oder so was, bis ich die Blonde mit der Sturmhaubenfrisur auf dem Beifahrersitz sah. Da wusste ich es ist nichts Schlimmes passiert, da hat wahrscheinlich nur jemand Flüssigkeitsmangel und der Fahrer ist gleich wieder topfit.

        1. Wieder falsch! Meine war schwarzhaarig (jedenfalls obenrum). Vielleicht hast Du den kommenden britischen Premierminister Boris Johnson bei der Rückreise vom Deutschen Bundestag ertappt? Der hat nicht nur eine blonde Mähne, sondern das würde auch erklären, warum das Auto trotzdem gradeaus fuhr. Die haben den Lenker rechts …

    • Uta Lüngen auf 19. Juni 2019 bei 7:53
    • Antworten

    Ich hab selten so gelacht, köstlicher BerichtVielen Dank

    1. Kann mich nur anschließen.

      Nicht nur selektives Sehen und Hören der Person hinter dem Steuer, sondern auch noch mit eingebildeter Tarnkappe
      oder doch mangelnde Rechtskenntnis mit Übermut?

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