Wettlauf gegen Verbrecher, Brandstifter und … Bürgerwehr

Die Freiwillige Feuerwehr Markranstädt hat auf ihrer Internetseite unter der Rubrik „Einsätze“ schon mal einen Button für das Jahr 2015 eingerichtet. In weiser Voraussicht, wie es scheint. Alles deutet darauf hin, dass ein Serientäter in der Gegend sein Unwesen treibt und er nicht das letzte Mal gezündelt hat.

Spätestens seit der Nacht vom Montag zum Dienstag hat die Brandserie in Markranstädt eine neue Dimension erreicht. In Frankenheim hatte jemand eine Garage heimgesucht, dort brennbare Gegenstände zusammengestellt und diese angezündet.

Nur vier Tage zuvor hatte im Ort eine Informationsveranstaltung der Polizeidirektion und der Leipziger Bürgerpolizei stattgefunden, in der es um Fragen der Sicherheit und des Schutzes von Eigentum ging, weil Frankenheim und Lindenaundorf in letzter Zeit öfter das Ziel von Langfingern waren. Kaum war die Informationsveranstaltung in die Dorfchronik eingegangen, als jemand in eine Garage einstieg und dort Feuer legte.

Das war wohl sowas wie eine Kampfansage. Die Profiler bei der Kripo wissen, dass Serientäter mitunter eigenartige Verhaltens- und Tatmuster an den Tag (besser: an die Nacht) legen. Noch sei man nicht sicher, dass es stets der gleiche Täter ist und auch nicht, ob es sich nur um einen handelt.

Das Schweigen der Lämmer

Der Frankenheimer Brand ist überhaupt der einzige, bei dem man von Anfang an mit absoluter Sicherheit von Brandstiftung ausgehen konnte. Zwar wurde niemand gesehen, aber die Eigentümer kamen rechtzeitig nach Hause, konnten so die Feuerwehr alarmieren und die Ermittlungsorgane fanden einen ziemlich aussagekräftigen, weil wenig in Mitleidenschaft gezogenen Tatort vor.

Die Infoveranstaltung der Polizei in Lindenaundorf hatte nicht nur das Ziel, die Bürger aufzuklären, sondern diese auch zu beruhigen und ihnen ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln. Was passiert, wenn man das Bedürfnis des Volkes danach nicht befriedigt, zeigten die Einwohner von Großkorbetha und Wengelsdorf, nur wenige Kilometer von Markranstädt entfernt, vor rund drei Jahren.

Hilft niemand mehr, hilft Bürgerwehr

Dort war die Situation ähnlich. Die Nähe zur Autobahn machte das Dorf zur Kolonie einfallender Diebeshorden aus aller Herren Länder. Weil niemand half und das Problem von den Schwimmwesten aus der Politik kleingeredet wurde, gründete man dort kurzerhand eine Bürgerwehr.

Plötzlich waren ganze Hundertschaften uniformierter Kalkmützen rund um die Uhr im Dorf unterwegs. Weniger um neuerliche Taten zu verhindern, als vielmehr mögliche Selbstjustiz zu unterbinden. Geradezu gebetsmühlenartig flehte man die Einwohner an, selbstgefasste Diebe nicht anzufassen und gleich gar nicht auszupeitschen.

Die Bürgerwehr aufzulösen dauerte länger als die Diebe dauerhaft vom Ort fernzuhalten. Des Bürgers Handeln ist nur gefragt, wenn es um Dinge geht, die man selbst nicht lösen will. Wenns also gegen Nazi-Demos oder um Wahlen geht.

So weit zu den Szenarien, die sich entwickeln, wenn Bürger Angst oder zumindest Sorgen haben und niemand sie so richtig ernst nimmt. Anders sieht es sicher bei den Opfern und den Feuerwehrleuten aus, die neuerdings kaum noch eine ruhige Nacht haben. Zwei Strohballenbrände (6. und 18. Dezember), zwei durch Feuer vernichtete Gartenlauben (13. Dezember, hier zum Video vom MDR) und nun am 22. Dezember der Garagenbrand in Frankenheim. Nicht eingerechnet sind die zahlreichen Einbrüche und Diebstähle, die in letzter Zeit zwischen Schkeitbar und Lindenaundorf für Aufsehen sorgen.

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Die Kameraden unserer Wehren schlagen sich neuerdings reihenweise Nächte um die Ohren.

Apropos Schkeitbar: Dort haben viele Leute eine eigene Theorie und auch dort kam es in der Vergangenheit zu seltsamen Vorgängen, die es sogar bis ins Fernsehen (MDR „Kripo live“) schafften. Das sorgte zwar vorübergehend tatsächlich für mehr Polizeipräsenz im Ort, aber eben auch dafür, dass die Einwohner in der Nachbarschaft des Diebesnestes abends vorm Hoftor schon mal zum Alkoholtest angehalten wurden, während man in der Räuberhöhle nebenan munter an gestohlenen Fahrzeugen schraubte. Auch dort lebt man in Sorge und die ist auch trotz einer Fernsehsendung und vermeintlicher öffentlicher Aufmerksamkeit offenbar noch immer existent.

Vielleicht sollte man all diese Vorgänge mal aus einer anderen Sicht betrachten, als ewig nur auf Hilfe durch die Staatsgewalt zu hoffen? Sehen wir es mal so: Selbst wenn unser Brandstifter gefasst werden würde, wäre der sicher bald schon wieder auf freiem Fuß. Es reicht, wenn sein Anwalt eine Kindheit in zerrütteten Verhältnissen ins Feld führt. Vielleicht hatte seine Mutter einen Penis oder sein Vater war Parteisekretär und der arme Junge bekam sein Taschengeld in den 80er Jahren nur in Ost-Mark?

Vielleicht zu viel Helene Fischer gehört oder eine Lehre als Banker angefangen? Es gibt ja so viel Elend und irgendwas findet sich immer. Es sei denn, man droht Leuten wie Uli Hoeneß, dass sie im Knast Schuhe putzen müssen, während das WM-Endspiel läuft. Dafür gibt’s dreieinhalb Jahre und die muss es einfach geben für sowas

Man könnte aber dem Markranstädter Brandstifter beispielsweise als mildernden oder gar strafbefreienden Umstand anrechnen, dass er unsere Gesellschaft, die Polizei und unsere Feuerwehr nur auf erhebliche Defizite im Bereich der inneren Sicherheit hinweisen will. Das hat ja schon mal jemand mit Erfolg gemacht. Da ging es zwar nicht um Feuer, sondern nur um ein paar eMails, aber die Wirkung war frappierend und es war schlichtweg unhöflich von den Betroffenen, dafür nicht wenigstens ein paar Zeilen des Danks übrig zu haben.

Und dann gibt es ja auch noch Brände, denen man sowas wie einen gesellschaftlichen Nährwert attestieren müsste. So manches Abriss-Vorhaben, das auch perspektivisch über Zündstoff verfügen dürfte, wäre dem Steuerzahler durch Flammen statt Bulldozer möglicherweise billiger zur Last gefallen.

Sehnsucht nach Wärme?

Nicht zuletzt sollte man auch den sozial-psychologischen Aspekt berücksichtigen. Was, wenn die Brände nur unartikulierte Hilfeschreie eines Mannes (oder einer Frau?) sind, der sich in diesen kalten Vorweihnachtstagen nach wenigstens etwas Wärme sehnt? Schon unsere Ahnen haben in solchen Fällen Feuer gemacht. Das wird vor Gericht ganz sicher ins Gewicht fallen. Urinstinkte – dafür kann man nicht bestraft werden. Das ist wie Pinkeln an die Parkuhr: Was raus muss, muss raus. Dafür müssen auch Opfer Verständnis haben.

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Und weil sich auch 2015 daran nichts ändern wird – immerhin stellen die Advokaten im kommenden Jahr nach wie vor die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten – hat die Markranstädter Feuerwehr im Internet wohl schon im alten Jahr den Button für die Einsätze 2015 installiert. Hoffen wir mal, dass in den folgenden 12 Monaten das Wort „Brandstiftung“ darin nicht vorkommt. Sonst könnte es vielleicht passieren, dass es neben der Web-Präsenz der Feuerwehr auch noch eine der Bürgerwehr gibt.

 

3 Kommentare

  1. Moin, moin sagt man in Flensburg zu jeder Tageszeit, hab‘ ich gerade gelernt. Und da wir zwischen den Festen sind, nutze ich hier diese Grußformel an alle Mitleser.
    Ja, alles schon mal da gewesen. Ich denke an die „Aktionen Dächer dicht“ in den letzten 80ern als ‚Notnagel‘ Bürgerinitiative helfen sollte, ausbleibende Dachreparaturen auszugleichen. Oder die Erkenntnis der DDR-Politik, dass Jeans ja doch nicht den Klassenfeind repräsentieren, sondern Ausdruck des proletarischen Habitus sind. – Quasi, immer wenn es Politikern in den Streifen passt oder ihnen sonst nix einfällt… Egal, wohin man schaut, auch beim Arztbesuch sollte man auf der Hut sein und schon mal eine feste und wehrhafte Vorstellung von seiner Diagnose haben, sonst bekommt man eine kosmetische Runderneuerung von der sich das Portemonnaie nie wieder erholt. Der mündige Bürger ist gefragt, was das bedeutet, bleibt ein lebenslanger Lernprozess. In diesem Sinne: Bürgerinitiative (-wehr?) ist gewiss besser als Nach-Sorge oder Nach-Sehen. -ag-

    • Der Thomas auf 24. Dezember 2014 bei 12:41
    • Antworten

    Ich wünsche den Markranstädter Nachtschichten ein wunderschönes Weihnachtsfest.

    1. Hach … wenigstens einer hat an uns gedacht. Da schießt einem ja das Wasser in die Augen. Wie schön ist das denn? Vielen herzlichen Dank und Ihnen sowie Ihrer Familie sei ein friedliches, erholsames, entspanntes Fest gegönnt. Zumindest wünschen wir Ihnen das von ganzem Herzen.

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