Am 24. September steigt in der Markranstädter Stadthalle die Second Dance Night. Die Hauptzielgruppe könnte zwar mit der Bezeichnung „zweite Tanznacht“ auch was anfangen, aber schon zur First Dance Night kamen reichlich Teens und Twens, für die der Schallplattenunterhalter auch nur ein Disc-Jockey ist. Also egal ob jung oder nicht mehr ganz so jung: Es geht um Musik, Tanz, Unterhaltung und … Spaß. Klar, dass beim Begriff „Spaß“ auch Satiriker neugierig werden.
Es wird ganz bestimmt nicht nur ein heißes Event für die Generation, die einst mit Vokuhila-Frisur und Popeline-Hosen (ja, auch die Kerle!!!) zur Disco ins Volkshaus, zum Groitzscher, nach Thesau oder Großlehna pilgerte.
Dass trotzdem oder eben gerade die Best-Ager (so nennt man die Ü40-er heute) regelrecht auf die zweite Ausgabe der Dance Night brennen, hat viele Gründe. Einer davon ist sicher die Nostalgie. Damit ist nicht nur die Musik von „Satisfaction“ bis Renfts „Gänselieschen“ gemeint.
Früher war alles viel … früher
So eine Disco begann damals traditionell mit Europes „Final Countdown“ und endete mit Klammer-Hits wie „Sailing“ von Rod Steward oder Nazareths „Dream On“. In der Zeit dazwischen gabs reichlich Bier, Kiwi oder Kampa, den einen oder anderen Ost-Hit, manchmal auch eine wüste Keilerei und natürlich auch jede Menge tränenreichen Beziehungsstress.
Auch letzterer ist übrigens Nostalgie pur. Damals mussten die Kerle ihre Angebeteten noch persönlich fragen, ob sie nicht Lust hätten, ihr Single-Dasein wenigstens vorübergehend aufzugeben. „Willst du mit mir gehen?“ lautete die geflügelte Floskel.
Zwischen Kuss und WhatsApp
Heute funktioniert sowas längst nicht mehr. Treffen heißen Dates, werden alle elf Minuten digital über Online-Portale verlost und schließlich per WhatsApp abgewickelt. Geht auch nicht anders bei dem Lärm, der heute die Disco-Säle erzittern lässt. Schluss gemacht wird dann üblicherweise per SMS oder der/die Schlussgemachte erfährt per Statusmeldung bei Facebook, dass plötzlich ein Freund weniger auf der Liste steht.
Okay, die Ü30-er waren auch nicht besser, wenngleich sie als Geste des Abschieds wenigstens noch ein Fax schicken mussten. Aber wie es geht, unter der Woche als Räpitzer Teenager mit seiner Freundin aus Markranstädt ohne Telefon und Internet einen Termin für eine Kuschelstunde im Kino mit anschließendem Besuch der Milchbar zu vereinbaren, wissen selbst die nicht. Woher auch?
Mundwerk statt Facebook
Kein Wunder also, dass die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, der ebenso guten alten Musik und vor allem den Leuten „von damals“ in den Reihen der Best-Ager so unbeschreiblich groß ist. Auch deshalb, weil es für diese Generation in weitem Umfeld kaum adäquate Veranstaltungen gibt, von Stadtratssitzungen mal abgesehen, bei denen zwar der Altersdurchschnitt passt, man aber nicht tanzen darf und der DJ gleich gar nicht Ostrock zum Mitsingen im Repertoire hat.
Schon bei der ersten Dance-Night im vergangenen Jahr war „Weißt du noch…?“ der am häufigsten zu hörende Ausspruch im Publikum. Da trafen sich mitunter wirklich auch Leute, die sich vor mehr als 30 Jahren im Volkshaus bei Klängen der GWL-Combo an der Bar von Inge und Babette das letzte Mal gesehen haben.
Im Gegenzug können die heutigen Eltern (kurz Kohlebeschaffer oder Opfer genannt) nur selten nachvollziehen, was die Jugend anno 2016 so alles an- und abzieht, bevor es auf die Piste geht. Nicht nur, dass sich sogar die Jungs heute duschen, eine Stunde im Bad brauchen und vor dessen Verlassen beim Blick in den Spiegel fragen: „Kann ich so geh’n?“ Auch die Zeiten haben sich im wahrsten Sinne des Wortes geändert. So eine Disco fängt heute zu einer Stunde an, zu der das Tanzvergnügen früher aufgehört hat.
Und weil schon bei der Erstausgabe der Dance Night viele Jugendliche dabei waren und man auch diesmal wieder das gesamte Spektrum zwischen 18 und 80 anspricht, soll die Sause der Second Dance Night auch wieder bis mindestens 3 Uhr gehen … damit auch die Gäste, die erst gegen 22 Uhr zum Aufbruch bereit sind, auf ihre Kosten kommen.
Sowieso kommt das Gänsehaut-Feeling erst dann, wenn Mütter und Väter erstaunt feststellen, dass auch ihre Söhne und Töchter bei „Am Fenster“ oder „Alt wie ein Baum“ mitsingen können.
Diesmal soll es laut Veranstalter zusätzlich noch die eine oder andere Überraschung im Programm geben und auch ein paar Veränderungen gegenüber dem Vorjahr. Diese betreffen vor allem das Handling mit den Getränken. Gab es anno 2015, gewollt oder ungewollt, in der Stadthalle noch zwei unterschiedliche Bierpreise, so gilt in diesem Jahr ein einheitlicher Preis. Der gute alte EVP sozusagen.
Die gastronomische Versorgung sei rundum gesichert, war vom Veranstalter zu erfahren. Das Catering liegt in den Händen eines erfahrenen, hervorragend aufgestellten Teams, das die gesamte Organisation an diesem Abend individuell auf die Gegebenheiten vor Ort abgestimmt habe.
Event mit Stil und Überraschungen
„Wir haben die bei der ersten Veranstaltung im letzten Jahr vereinzelt geäußerten Kritiken sehr ernst genommen und in die konzeptionellen Änderungen einfließen lassen.“, erklärt Frank Stierke, bei dem die organisatorischen Fäden des Events zusammenlaufen.
Essen und Trinken sind die eine Seite eines solchen Abends, Musik und Tanz die andere. Zwei DJ’s werden auflegen und die Live-Band „TagEins“ rundet das musikalische Erlebnis mit Party- sowie Rockmusik im Zeitgeist der Best Ager stimmungsvoll ab. Dazwischen soll es noch ein weiteres Highlight geben, doch dazu will der Veranstalter noch nichts sagen. „Dann wärs ja keine Überraschung mehr.“
Und dann wäre da noch so eine Sache mit der Nostalgie. Wenn früher eine Disco beendet war und die Massen mehr oder weniger direkt nach Hause liefen, kam unterwegs der große Hunger.
Welch Glück, wenn der VEB Molkerei inzwischen schon die Drahtkisten mit den Milchflaschen für den nächsten Morgen vors Geschäft gestellt oder der VEB Backwaren Leipzig die Alukisten mit den Brötchen vor der HO abgeladen hatte. Beflügelt vom Mut des Alkohols, erfolgte dann mitunter der Griff ins volkseigene Kontor. Mundraub in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft.
So lange der Vorrat reicht
Aber das war gestern. Anno 2016 wird es nicht so weit kommen. Damit weder Hunger noch Eigentumsdelikte die Erinnerungen an die wunderbare Second Dance Night trüben, gibt es am Ende eine Tüte mit Proviant für den Heimweg gratis, so lange der Vorrat reicht.
Darin enthalten: zwei backfrische, knusprige Brötchen, Käse der bekannten Käserei Lehmann aus Leipzig für die, die es herzhaft mögen und Marmelade für die morgendlichen Süßmäuler.
Bei so viel Programm und Stimmung war fast schon zu erwarten, dass die Nachfrage bereits vor dem Start des Kartenvorverkaufs wie von allein Fahrt aufnahm. Das Telefon stand nicht still und „klingelte sogar schon, als die Second Dance Night noch ein Gerücht war“ (Stierke).
Trotzdem werden auch Kurzentschlossene noch die Möglichkeit haben, am 24. September in die Stadthalle einzukehren. „Vereinzelte Restkarten sind auch an der Abendkasse noch erhältlich“, meint Frank Stierke, ergänzt aber: „Wer ganz sicher gehen will, sollte sich seine Plätze im Vorverkauf sichern.“
Wäre aus satirischer Sicht noch anzumerken, dass es an diesem Abend keinen Dresscode gibt. Die alte Popeline-Hose kann also getrost im Schrank bleiben und die Männer müssen sich auch nicht unter Atemnot in die abgewetzten Fleischerhemden aus den 80er Jahren pressen.
Und falls noch ein Rest „Action-Deo“ in der Flasche ist oder der alte Lockenbrenner noch funktioniert, kann man diese ebenso ignorieren.
Alt wie ein Baum…
Die Second Dance Night ist keine Veranstaltung ausschließlich für Ost-Nostalgiker, Rollator-Fahrer oder Kriegsveteranen, sondern ein zeitgemäßes Event für junge, jung gebliebene und nicht mehr ganz so junge Leute, die bei Musik und Tanz entspannte Unterhaltung finden möchten. Kein monotones Bum-Bum, in dessen Rhythmus die Gläser vom Tisch springen und man sich nur durch Muskelzuckungen in abgelegenen Chill-Zonen verständigen kann, sondern Party mit Stil.
(Fotos: Andreas Groitzsch, Archiv Wolfram Friedel, pixabay sowie Management DJ Andy, DJ Steve Murano und Rockcoverband TagEins)
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