Zoff an der Eskalationslinie

Nordkorea, Nordafrika, Nordvorpommern … Krisenherde, wohin man den Globus auch dreht. Und jetzt auch noch Nord-Markranstädt. In Lindennaundorf ist für diese Woche ein Plebiszit angesagt und wie es aussieht, muss die UNO wohl eine Staffel bewaffneter Sonderbeobachter hinschicken. Am Samstag kam es am initiativen Checkpoint „Wohnfrieden“ zu einem ersten Showdown, als eine Einheit der örtlichen Rebellenmilizen den Grenzübergang dicht machte und es unbestätigten Gerüchten zufolge sogar zu mancherlei Raufhändel kam.

Der Wunsch des Ortschaftsrates nach Versachlichung der Diskussion hat sich in gewisser Weise erfüllt. Es geht zur Sache! Ziemlich hirnfrei zwar mitunter, aber auch Baumstämme und Autos sind schließlich Sachen und wenn Menschen tätlich angegriffen werden, so sind auch das Sachen: Strafsachen.

Was da am Samstag im Grenzgebiet hinter der Frankenheimer Schranke passierte, hat nur deshalb nicht für internationale Verstrickungen gesorgt, weil weder Frankenheim noch Lindennaundorf die Schlussakte der KSZE unterzeichnet haben. Der Grenzzwischenfall dürfte dennoch für hinreichend Gesprächsstoff sorgen. Aber der Reihe nach.

Der Ausbau sowie die Verkehrsfreigabe der Priesteblicher Straße hat ebenso Gegner und Befürworter wie die Existenz des Schlagbaums. Argumente haben alle Parteien, wenngleich auf Seiten derer, die Sperrung und Schranke begrüßen, ein wichtiger Grund konsequent unbenannt bleibt: Man will sicherlich auch weiterhin seine Ruhe haben da hinten an der Windmühle.

Das Bürgersplitting

In einer Art Hormonersatztherapie wegen eines klimakterisch angelaufenen Testosteronspiegels will man nun im Rathaus auch mal die Meinung der Einwohner hören und hat zu einer Bürgerbefragung eingeladen. Möglicherweise ohne bedacht zu haben, dass man damit die berühmte Büchse der Pandora geöffnet haben könnte.

Wenn gleiches Recht für alle gilt (und das ist in Germanien ebenso wie in Markranstädt der Fall), könnte man demnächst auch die Anwohner der Leipziger Straße fragen müssen, ob die den Verkehrsweg vor ihren Wohnungen nicht auch lieber gesperrt haben möchten.

schloss

„Wollt ihr die totale Sperrung der Leipziger Straße?“

Wie dem auch sei: Seit der Termin der Bürgerbefragung fest steht, hat der Austausch von Argumenten einen derartigen Qualitätssprung vollzogen, dass man ihn in den Lindennaundorfer Küchen schon als Ersatz für Chili nimmt. 

(Titelfoto: Bundesarchiv, 173-1282, H. J. Wolf, Fotomontage: Markranstädter Nachtschichten)

Ein Leser der lokalen Tageszeitung ließ das verbale Aufrüsten schließlich in einem Kommentar mit der Aussage gipfeln, dass Radfahrer und Fußgänger im Grenzgebiet nahezu täglich mit Fäusten und sogar Messern bedroht werden. Natürlich vergaß er/sie dabei auch nicht, die finale Sperrung des Weges als Lösung der militärischen Auseinandersetzungen zu proklamieren.

kommentar

Das klingt fast wie ein Déjà vu der Herbsttage anno 1989, als uns das Neue Deutschland mitteilte, das arglose Ungarn-Urlauber aus der DDR am Balaton vom BND mit vergifteten Keksen betäubt und in die Bundesrepublik entführt wurden. Geschichte wiederholt sich.

Am Samstag war es dann offenbar wirklich vorbei mit den diplomatischen Bemühungen, einen bewaffneten Konflikt zu verhindern. Rebellenmilizen hatten begonnen, nachhaltige Maßnahmen einer dauerhaften Grenzsicherung einzuleiten.

bollwerk

Der Frankenheimer Lignum-Limes. Ökologisch-regenerative Ausdrucksform der Symbolik, dass niemand die Absicht hat, eine Mauer zu errichten.

Dazu wurde zunächst ein dicker Baumstamm direkt auf die Straße unter die Schranke gerollt. Die Luft im Markranstädter Norden knisterte wie einst an jenem denkwürdigen 13. August 1961 in Berlin. Der hölzerne Zaun war errichtet und das Zeitalter der psychonuklearen Konfrontation hatte begonnen.

Ziviler Ungehorsam

Dass mit dieser Barriere auch ein wichtiger Rettungsweg für Notfälle gesperrt wurde, ist zwar eine Straftat, aber da auch die zurückliegenden Zerstörungen der Schranke durch oppositionelle Truppen bestenfalls halbschlierig verfolgt wurden, interessiert sowas am Markranstädter Polarkreis ohnehin niemanden.

So richtig brenzlig wurde die Situation nach Angaben von Kriegsberichterstattern vor Ort, als sich dem Checkpoint unmittelbar nach der Grenzsicherung ein ziviles Fahrzeug näherte und die hinter dem Schutzwall lauernde Guerilla wohl den Versuch eines illegalen Grenzdurchbruchs witterte.

Versuchen wir, den folgenden Vorgängen etwas Positives abzugewinnen und betrachten sie deshalb aus einer anderen Sicht. Demnach waren die friedlichen Demonstranten so glücklich über den Besuch des Zivilisten, dass sie – wie einst die Westberliner am Tag des Mauerfalls – ausgelassen auf dem Auto herumtrommelten.

Dessen Fahrer wiederum, dem Namen nach ein Bildhauer oder sowas, wollte mitfeiern und stieg aus dem Auto. Das tat er allerdings so plötzlich, dass die Umherstehenden gar nicht so schnell mit dem Trommeln aufhören konnten und der arme Mann dadurch mit den letzten Takten dieser Hymne in direkte körperliche Berührung kam.

Heimat wird am Bienitz verteidigt

Nun war es an der Zeit, dass Regierungstruppen in das Gefecht eingreifen mussten. Da die Kalkmützen dem Vernehmen nach keine Zeit hatten, rückten die örtlichen Rothelme an. Als sie eintrafen, war das Schlachtfeld laut unbestätigten Meldungen der Nachrichtenagentur MN bereits befriedet.

gesaegt

Während die Politik mangels Entscheidungsfreunde gern auch mal in Jahresscheiben plant, hat die Lindennaundorfer Feuerwehr angesichts der bedrohlichen Sicherheitslage am Samstag gleich mal in Minutenscheiben gehandelt. Chapeau!

Bewaffnet mit konventionellen Interkontinental-Kettensägen begannen die Friedenstruppen, die hölzernen Grenzsicherungsanlagen in mehreren Scheiben zurückzubauen und im Todesstreifen abzulagern.

Auf Anfrage der Markranstädter Nachtschichten zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Markranstädt und seiner nördlichen Exklave hüllte sich die lokale PR-Stabsstelle in Schweigen. Wochenende. Lediglich zur Frage, wann denn die Markranstädter aus dem Süden ihre Verwandten im Norden wieder besuchen können, hieß es von ungeordneter Stelle: „…das tritt nach meiner Kenntnis … ist das … sofort … unverzüglich.“

Auf diese Weise konnte noch am gleichen Tage der so genannte „kleine Grenzverkehr“ wieder aufgenommen werden. Das heißt, dass sich Fußgänger und Radfahrer visafrei zwischen der Bundesrepublik und Lindennaundorf sowie Frankenheim bewegen dürfen und damit auch die Möglichkeit haben, von ihrem Recht zur Stimmabgabe Gebrauch zu machen. Und natürlich auch von dem Recht, vorher nachzudenken. Also nicht nur vor der Stimmabgabe, sondern auch sonst so…

 

5 Kommentare

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    • jabadu auf 26. September 2016 bei 12:36
    • Antworten

    Na, es tun sich ja nun weitere Dinge an der Schranke in Frankenheim. Obwohl wie gesagt, kein städtischer Standpunkt darüber besteht, ob eine ausgebaute Priesteblicher Straße überhaupt ins nicht vorhandene Verkehrskonzept der Großgemeinde passt, dürfen die Einwohner von Frexit-Frankenheim nun darüber abstimmen, ob sie die neue Straße wollen – oder nicht. Was sollen sie denn wollen oder was nicht. Außer persönlichen Befindlichkeiten und Sichtweisen, und Statistiken über Umwege und Einsparungen, die selbst einem Glatzkopf die Haare zu Berge stehen lassen, liegt doch Nichts vor. Oder gibt es vielleicht ein „Hand-out“ der Stadt über Bedarf oder Nichtbedarf dieser neuen Straße. Gibt es natürlich nicht. Wäre ja schon „konzeptionelle Vorbereitung“ und man müsste sich objektiv mit der Sache befassen und ein eigenes Ziel formulieren.
    Trotz alledem! – abstimmen.
    Was jetzt schon fest steht ist, dass bereits „brexitische Verhältnisse“ herrschen. Die Frankenheimer Insulaner sind, wie ihr ausreichend dokumentiert habt, gespalten und werden es über Generationen bleiben. Gerade diejenigen, die jetzt den längsten Umweg haben, wollen die Straße nicht und andere reden denen ein, wie gut es dann wird. Das ist fast so, wie wenn der Polizist die Oma über die Straße schleppt, obwohl sie nicht auf die andere Seite will (https://www.youtube.com/watch?v=ZVlu3m31OSc).
    Was passiert denn, wenn die Frankenheimer die Straße wollen und später im vielleicht möglicherweise mal verkehrsplanerisch erarbeiteten Verkehrskonzept steht „Markranstädt braucht keine fünfte Straße, die nach Frankenheim führt“. Ja, na gut. Ist zu hypothetisch. Es wird kein Konzept geben. Wir warten ja schon 1.000 Tage. Aber, die „Vierte Etage“ würde es dann schon richten. Und wenn die große Hälfte der Frankenheimer die Straße will, sind es ja immerhin fast 8% aller Markranstädter. Und wenn die neue, „für eine mindere Verkehrsbelastung“, gebaute Straße nur fast 1 Mio€ kosten sollte, werden die übrigen 14.000 Markranstädter auch dafür sein. Und Frankenheim wäre zukünftig wirklich der Leuchtturm für die Vorgehensweise bei der Entwicklung des städtischen Verkehrskonzepts. Möglichkeiten gibt es ja viele, z.B. Ausbau der Straße von Altranstädt nach Günthersdorf – abstimmen!
    Der großen Sache Verkehrskonzept wäre das aber nicht dienlich. Dieses müsste, falls es später überhaupt mal vorläge, laufend geändert werden. Konzeptionell natürlich.
    Oder wir warten nochmal rund 1000 Tage. Dann beginnt bald der Wahlkampf um den Bürgermeisterposten von Markranstädt – und … „langfristige und konsequente Verkehrsplanung“ war schon immer ein gutes Wahlkampf-Thema.

    1. Verkehrskonzept? Wie sind Sie denn drauf? Der Begriff „Konzept“ ist aus dem Markranstädter Duden längst getilgt, Sie Ewiggestriger, Sie. Ein wichtiges Argument haben Sie außerdem noch vergessen: Die Belastungen im privaten Verkehrsraum. Wenn sowas samstags passiert, müssen Satiriker am Wochenende ran. Da die meisten verheiratet oder zumindest liiert sind, leiden dadurch die persönlichen Verkehrsbeziehungen zu ihren Partnern. Sie ist einfach nicht mehr hinzunehmen, diese konzeptionslose Handlungsweise der Öffentlichen Hand, die sogar bis hinein in die privaten Schlafzimmer reicht. Da kriegt man nicht nur die Schranke nicht mehr hoch…

        • jabadu auf 27. September 2016 bei 21:56
        • Antworten

        Ich wollte mit dem Verkehrskonzept nicht im Gestern liegen. Einer hat im Heute mal gesagt, er habe ein Verkehrskonzept in der Hosentasche und man könne bald mit dessen Offenlegung rechnen. Das war dann wohl nichts für die Ewigkeit. Da hab ich wohl was missverstanden. Aber „was“ in der Hose, Verkehr und Schranke hoch passen konzeptionell doch auch zusammen. Also mal in die Hosentaschen geschaut. Wenn da was drin ist, geht vielleicht auch nicht nur die Schranke wieder hoch.
        Ich bin ganz bei euch und anerkenne eure satirischen Schreibleistungen sehr. 892 Wörter für diesen Artikel sind schnell gelesen, wollen aber erst mal ausgedacht und aufgeschrieben sein. Das macht sich nicht von alleine und nicht alleine. Also den Schreibern und deren Sippen danke.

        1. Vielen Dank für die Anerkennung, die wohl nur der aussprechen kann, der wenigstens mal die Wörter gezählt hat. Alle Achtung! Aber mal ehrlich: In der Zeit hätten Sie auch ein Verkehrskonzept schmieden können. Irgendwer muss ja mal damit anfangen 😉

            • jabadu auf 28. September 2016 bei 21:46

            Nochmal ganz kurz. Es wurde mal versucht. Ergebnis: Herr Newton würde sich im Grab umdrehen. Sein Energieerhaltungssatz gilt in unserer Stadt nicht. Die letzte Kugel im Pendel ist einfach nicht in Schwung zu bringen. Ruhe sanft.

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