Diagnose: Völlig dehydriert

Das gefährliche Halbwissen, mit dem selbsternannte Geo- und Hydrologen bei der Beurteilung der Kulkwitzer Vernässungsflächen in der Vergangenheit gern prahlten, hat sich endgültig als leere Hirnblase entpuppt. Die Folge: Kulkwitz wird von einer in der Geschichte des Ortes wohl einzigartigen Dürre heimgesucht. Nun erscheint alles, was in den letzten fünf Jahren seit Flutung der Feuchtgebiete passiert oder nicht passiert ist und gelabert wurde, völlig sinnlos und umsonst gewesen.

Natürlich könnte man den Eindruck gewinnen, dass der Sportplatz an allem Schuld sei. Seit der höher gelegt wurde, sinkt der Wasserspiegel im kleinen Fischerdorf Kulkwitz. Fast könnte man annehmen, dass hinter dem Aktionismus auf dem Fußballplatz sowas wie eine ernsthafte hydrogeologische Analyse gestanden hat, auf deren Grundlage ein überwältigender Erfolg realisiert werden konnte. Aber weit gefehlt.

Was in der Fußball-Arena des Ortes passierte, war nichts weiter als ein lokal begrenzter Noteinsatz. Kein Wort über Bodeneinbrüche in der benachbarten Gartenanlage („Kellerwohnung über mir frei geworden!“) und kein Plan, was mit der Vernässungsfläche in Zukunft mal werden soll.

Schon zu Beginn des Gärnitzer Wasserdramas, als angebliche Experten sich nicht zu blöd waren, Bergbaufolgen vehement auszuschließen und dabei noch nicht einmal wussten, ob es sich um Oberflächen- oder Grundwasser handelt, hörte sich die Fachsprache eher wie das Lesen in Kaffeesatz an.

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Die Vernässungsfläche verdurstet. Ganz hinten noch, am Horizont, zeigt sich ein Pfützchen.

Als dann vor einigen Monaten der Wasserspiegel im Lago Radona zu sinken begann, frohlockte man ob der Wirkung der Pumpen am Sportplatz. Die, so wird in Kreisen der fachkompetenten Quacksalber noch immer felsenfest behauptet, zögen das Wasser aus dem neu entstandenen Gewässer unter der Straße und Gartenanlage hindurch einfach mal weg.

Gestützt wurde diese ebenso wagemutig wie selbstbewusst vorgetragene These der geheimnisvollen Wasserwanderung damit, dass das aus dem Seebenischer See abgesaugte Wasser über die hydrologische Lösung am Sportplatz schlussendlich auch die Kulkwitzer Lachen speisen würde. Da dort der Wasserspiegel konstant blieb, war es schwer, das Gegenteil zu belegen und die naturwissenschaftlichen Sterndeuter in die Schranken zu weisen. Bis jetzt.

Seit einigen Wochen ist das Abrakadabra der hydrogeologischen Orakel verstummt. Und beim Blick auf die Kulkwitzer Lachen kann es einem jetzt tatsächlich die Sprache verschlagen. Da sind gerade mal noch ein paar Pfützen zu sehen im viel besungenen Naturschutz- und FFH-Gebiet zwischen Gärnitz und Kulkwitz.

Ja gut, da die Oberfläche des Gewässers schon immer mehr Wasserreichtum versprach als in Wirklichkeit da war, bewirken bereits geringste Veränderungen optisch wirkungsvolle Ergebnisse. In der Realität hatten die Karpfen da drin selbst in wasserreichen Zeiten stets wunde Bäuche, weil sie sogar dann auf dem Grund schürften, wenn die Rückenflossen schon aus dem Wasser ragten.

Die geradezu ohrenbetäubende Sprachlosigkeit in sonst so überzeugend reagierenden Fachkreisen stimmt nachdenklich.

Wie schnell war man doch damals, als die Vernässungsfläche kurzerhand zum See erklärt wurde, als man einen Mindest-Wasserstand festlegte, als Bergbaufolgen als Ursache ausgeschlossen wurden und man mitunter sogar in Frage stellte, dass es da überhaupt jemals Bergbau gab?

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Ebbe in den Kulkwitzer Lachen. Nur hier und da ist vereinzelt noch ein Priel zu sehen.

Und wie herrlich erst wurde die Begründung ad absurdum geführt, warum der See ein See und ein Mindest-Wasserstand zu gewährleisten ist. Angeblich würde das Gewässer sonst nämlich umkippen und Gestank verbreiten, hieß es. Und siehe: Nun hat sich der See so duftneutral verabschiedet, dass es von seinen öffentlich-rechtlichen Bewahrern nicht einmal bemerkt wurde. So verarscht man Menschen.

Eins ist klar: Weder für das, was in den vergangenen fünf Jahren in Kulkwitz passiert ist, noch für das, was heute dort geschieht, hat jemand eine belastbare Erklärung. Dass jeder seine eigene Wahrheit dazu hat, steht außer Frage.

Konzept gegen Schuss aus der Hüfte

Aber um ein Konzept zu entwickeln, muss man wissen, was vor sich geht. Ansonsten bleibt jede Handlung das, was sie in der Vergangenheit auch war: Ein verzweifelter Schuss aus der Hüfte, untermalt von der selbstbewussten Darstellung nicht vorhandenen Wissens des Schützen. Bestenfalls also ein Pfeifen im Walde.

Erst im Februar 2015 hatte das Bauamt der Stadt die Errichtung eines Grabensystems angekündigt, mit dessen Hilfe das Wasser des Lago Radona in freiem Gefälle abfließen sollte. Angesichts der heutigen Situation wäre neben einem bis zu sechs Meter tiefen, sinnfreien Bauwerk jede Menge Erklärungsbedarf entstanden.

Was’n Graben!

„Die erforderliche Planungsvertiefung wird derzeit im Auftrag der Stadt Markranstädt erarbeitet“, hieß es damals. Da kann man angesichts der jetzigen Situation nur hoffen, dass diese Vertiefung kein Geld gekostet hat, mal abgesehen von der durchaus realistischen Vision, dass sie gar nicht stattgefunden hat.

Natürlich können auch die fehlenden Niederschläge für die Dürre in Kulkwitz verantwortlich gemacht werden. Gegenüber 2015 ist die Niederschlagsmenge in diesem Jahr um fast ein Viertel zurückgegangen. Aber niederschlagsarme Jahre gab es auch davor und der Wasserstand in den Kulkwitzer Seen hatte sich da nur marginal bewegt.

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Das Pumpenhäuschen steht kurz vor seiner Umwidmung zum Landhaus.

Nun also stehen die einstigen Kulkwitzer Landwirte, die ihre Pflüge in den letzten Jahren gegen Reusen und Netze tauschten, vor neuen Fragen ihrer Existenz.

Nicht einmal Reis könnte man jetzt mehr anbauen in einer Zeit, da der Kulkwitzer Meeresboden den Erosionskräften des Windes ausgesetzt ist. Auch deshalb bedarf es eines umfassenden Konzeptes.

Jetzt darf man gespannt sein, wer dafür verantwortlich gemacht wird, dass der amtlich vorgeschriebene Wasserstand unterschritten wurde und ein Naturschutzgebiet austrocknet.

See = Wasser, ansonsten Land

Und überhaupt: Ist der von der Kreisbehörde zum See erhobene See jetzt eigentlich noch ein See oder die Vernässungsfläche wenigstens eine Vertrocknungsfläche? Um das zu erfahren, müssten die kommunalpolitischen Akteure im Rathaus an die festlegende Behörde allerdings eine entsprechende Anfrage richten.

Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass man vom Landratsamt statt einer Antwort nur die Aufforderung erhält, Tankwagen nach Kulkwitz zu schicken, um die Bevölkerung mit Wasser zu versorgen. „Die erforderliche Planungsvertiefung zum Bau einer Versorgungspipeline wird derzeit erarbeitet…“

„Noah, mach Räder an die Arche!“

Es ist nicht schlimm, wenn sich eine Zivilisation vor der Gewalt der Natur beugen muss. Aber dass man im 21. Jahrhundert deren Ursachen und Auswirkungen, ja Gefahren (Gartenanlage!) nicht auf den Grund geht, ist fahrlässig.

Wenn sich selbst Erdbeben voraussagen lassen und manchmal sogar die Wettervorhersage stimmt, ist es schwer erklärbar, dass man dem Wesen des Wassers nicht auf die Schliche kommt.

messlatteFreuen wir uns also auf die nächste Aktion. Es wird wahrscheinlich die Vertiefung eines Bewässerungs-Konzeptes für Kulkwitz sein. Das wird dann allerdings nicht im Amtsblatt vorgestellt, sondern im Rahmen des Gärnitzer Faschings.

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