Eine Viertelmillion zufällige Klicks

Dem Schmalz-Satiriker Atze Schröder wurden 250.000 Euro Strafe angedroht, wenn er seine Witze über Fritz Wepper nicht unterlässt. Eine Viertelmillion kostet auch das Pferd, „Potzblitz“, das in Shindys neuem Musikvideo einen Auftritt hat und die mit ebenfalls 250.000 Euro dotierte Stelle eines Assistenzarztes will seit Jahren niemand haben. Mit dieser Zahl befinden sich die Markranstädter Nachtschichten seit Samstag 23:36 Uhr in bester Gesellschaft: Da wurde im MN-Bunker der 250000. Klick registriert. Zum Mitmeißeln: Eine Viertelmillion!

Wenn freitags in den Nachtstunden irgendwo eine Sirene losheult, geht in einem Marktanstädter Keller immer das Licht aus und man hört nur flüsterndes „Pssst! Nicht dass die wegen uns ausrücken!“ Ja, es geht mitunter hoch her im konspirativen Produktionszentrum der Markranstädter Nachtschichten.

Allein ein Blick auf den Tisch lässt ahnen, welch gigantisches Pensum da Freitag für Freitag bewältigt wird.

Vier Frauen und drei Männer um einen verwüsteten Tisch: Die Tagesordnung des Stadtrats liegt irgendwo zwischen Bierflaschen, Pornoheften, USB-Sticks und sinnlosen Notizen zu noch sinnloseren Fotos; es wird gelacht, geprostet und begrapscht was das Zeug hält und trotzdem kommt am Ende (meist) was raus. Sogar bei der Planung der neuen Kita ist man hier im Keller schon weiter als im Rathaus.

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Samstag, 23:36 Uhr: Der 250 000. Klick und sicher war auch der eine oder andere von Ihnen dabei. Vielen Dank! Aber wofür eigentlich? Bei Lesen für lau könnten Sie wenigstens ab und zu mal ein paar Dankesworte hinterlassen. Davon gibts einfach noch zu wenig.

Nun also ist das völlig überflüssige Organ bei einer Viertelmillion Klicks angekommen und zählt damit zu Markranstädts meistbesuchten Internet-Präsenzen. Bei einem Angebot für lau sind Klicks sozusagen Motivation und Motor – kurzum: Der Ersatz für den Abo-Preis.

Ein Fall fürs Heimatmuseum

Eine Viertelmillion: Damit stehen die Markranstädter Nachtschichten kurz vor der heimatgeschichtlichen Aufnahme in die „Hall Of Fame“ im Alten Ratsgut. Mehr noch: Der satirische Jungbrunnen ist zum Wirtschaftsfaktor geworden! Jeden Freitag verzeichnen die lokalen Einkaufsmärkte neue Rekordumsätze an Kellerbier, ohne je die Ursache herausgefunden zu haben. Jetzt wissen sie’s.

Auch der Grappa-Absatz ist übrigens gestiegen. Diese Information ist allerdings nur für den Fall gedacht, dass Sie uns schon immer mal eine Freude machen wollten und nicht wissen, wie Sie Ihr kostenloses Abo sonst noch abgelten können. Es sei denn, Sie sind ein klinischer Fall und Reichtum ist bei Ihnen chronisch. Dann geben wir Ihnen auf Anfrage natürlich sehr gern eine Kontonummer. Es ist ja nicht so, dass die Besitzer von Servern oder die Versicherer von Vermögenshaftpflicht ebenso aus purer Nächstenliebe agieren wie die Markranstädter Nachtschichten.

Im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Institutionen, die sich allerdings eher dem Genre der Realsatire verschrieben haben, ist der Krankenstand bei den Markranstädter Nachtschichten genauso marginal wie die Fluktuation. Bestenfalls hat jemand mal einen Kater, was ihn/sie jedoch nicht daran hindert, sein/ihr Hirn weiterhin totalen Unfug entbinden zu lassen.

Gebündelte Kompetenzen in Satire

Jaaa, okay … das Argument mit Personalführung und Mitarbeitermotivation ist etwas weit hergeholt. Personalrat sind wir alle und Chef auch. Also reden wir zwangsläufig miteinander. Ein gestörtes Verhältnis gibt’s bestenfalls dann, wenn jemand die letzte leere Flasche in den Kasten stellt und keinen Nachschub holt. Auch haben wir das Glück, dass wir keine Fachbereichsleiter haben, deren Fernbleiben irgendwann als Indikator für Führungsschwäche herhalten muss.

Es läuft alles wie am Schnürchen. Bei den Markranstädter Nachtschichten agieren hoch motivierte und kompetente Mitarbeiter. Man schätzt Selbständigkeit, konstruktive Kritik und Kreativität. Diese Fähigkeiten gilt es zu fördern und wieder in den Arbeitsalltag einfließen zu lassen. Wir zelebrieren einen kommunikativen Führungsstil. Arbeitsfreude und ein gutes Betriebsklima führen zu Bestleistungen und damit zu einer kreativen, zukunftsorientierten Entwicklung.

Wenn man dieses Credo so liest, könnte man fast meinen, dass man das schon irgendwo mal gelesen hat. Und wenn schon. Es zeigt, dass es so funktionieren kann. Eine Viertelmillion Klicks sind wie die Hundehaufen in der Marienstraße: Eine Viertelmillion Fliegen können nicht irren!

Allerdings, und jetzt kommt der Haken beim Jubel, müssen wir unsererseits in einigen Fällen etwas kürzer treten. Saat auf unfruchtbaren Boden zu werfen, lähmt auf Dauer des Bauern Arm. Aus diesem Grunde wurde vor längerer Zeit bereits die Rubrik „Veranstaltungen“ entfernt, in Kürze auch der Menü-Punkt „Kirche“ und Vereins- bzw. ehrenamtliche Aktivitäten können leider auch nur dann noch Berücksichtigung finden, wenn uns dazu Informationen zugehen. So viel zu der einen oder anderen E-Mail mit der Frage, warum wir uns des einen oder anderen Themas in letzter Zeit nicht angenommen haben.

Fliegen und Hacker

Doch zurück nun zum Anlass des Jubels: Nachdem vor ziemlich genau einem Jahr bereits die 100.000 gefeiert wurde und Klick Nummer 200.000 gerade mal rund drei Monate zurückliegt, wollen wir es Ihnen ersparen, schon wieder im Archiv rumzukramen und die Highlights erneut aufzuwärmen. Uns reichts, dass es uns gibt und die Höhepunkte nachlesen können Sie im Archiv schließlich selbst.

Die Zahl von einer Viertelmillion täuscht sowieso. Da sind nahezu 9.000 Hackerversuche darunter, die schließlich auch mitgezählt werden. Und nicht nur das. Unser IT-Nerd (ein richtiges Original mit Linksscheitel und Hornbrille) kann sogar feststellen, wo die wohnen! Die Leipziger Stadtteile Connewitz und Volkmarsdorf sind demnach die Hochburgen, doch knapp dahinter kommt schon Markranstädt bzw. seine Ortschaften.

Muss man sich eigentlich geehrt fühlen, wenn sogar Freaks aus Milwaukee (und das gleich mehrfach) versuchen, illegal in die Markranstädter Nachtschichten einzusteigen? Nee, muss man nicht. Wer so doof ist, all das hacken zu wollen, was ohnehin jeder lesen kann, den will man weder als Freund noch als Bewunderer haben. Und gleich gar nicht als Feind. Von sowas angegriffen zu werden … so müsste sich Usain Bolt fühlen, wenn er im 100-Meter-Lauf von Wolfgang Schäuble herausgefordert wird.

Greifen wir also die nächste Viertelmillion an und danach noch eine und dann … sind wir Millionäre! Allerdings nur, wenn es uns gelingt, bis dahin das ganze Leergut wegzubringen und beim Tanz zwischen den Schützengräben in der Stadt zu überleben.

zeitung

1 Kommentar

  1. Ich gratuliere zum Klickmarkenknacken ( neues zusammen gesetztes Substantiv ) Habt Ihr Euch ja aber auch verdient. Hihihi schön wenn man lachen kann hihihi

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