Parteitag der Kürbisschänder und Hohlfratzen

Es ist einer der wenigen Anlässe, die hierzulande von Christen und amerikanisierten Primaten gleichzeitig gefeiert werden: Der Abend vor Allerheiligen. Oder wie die Amis einst sagten: All Hollows Eve. Weil sich das aber mit Bubble Gum im Mund schlecht aussprechen lässt, ist daraus später mal Halloween geworden und kam dann mit amputierten religiösen Wurzeln von Übersee zurück. Doch selbst noch so erz-atheistische Kürbisse taugen im christlichen Abendland längst nicht mehr für chilligen Fun. Der ultimative Kick muss her.

Und so wird Halloween in diesem Jahr wohl auch in Markranstädt daherkommen wie ein Parteitag der vereinigten Horror- und Killerclowns. Ein Phänomen, das übrigens ebenso aus Amerika zu uns geschwappt ist, wie die grausam entstellten Kürbisse, gechlorte Goldbroiler oder nichtssagende Fernsehduelle vor Wahlen. Und das ganz ohne TTIP.

Diese Horror-Clowns sind wohl die außergerichtliche Rache dafür, dass wir ihnen Dieselmotoren geschickt haben, von denen jeder einzelne den Schadstoffausstoß des Kraftwerks Lippendorf in den Schatten stellt. Bei sowas ist sie nachtragend, die Ethnie aus Übersee, die uns zwei Siege gekostet und ganz nebenbei auch noch mehrere Millionen Indianer auf dem Gewissen hat.

No Horror in East Germany

Aber sie haben sich gewaltig verrechnet, die Amis. Horror-Clowns sind zumindest im Osten der Bundesrepublik keine neue Erscheinung. Im Gegenteil, wir sind damit aufgewachsen! Und genau da liegt auch die Antwort auf die Frage, warum wir Sachsen so unerschrocken sind.

Wir haben keine Angst vor Horror-Clowns. Wir haben mit ihnen gelebt, sie waren unsere Freunde. Und deshalb sagen wir heute auch angstfrei unsere Meinung, was den von Ernie und Bert geprägten Flachpfeifen in den benutzen Bundesländern manchmal wie Mut vorkommt oder der Einfachheit halber schon gern mal als rechtspopulistisch abgetan wird.

Desensibilisierung gegen Angst

Wenn man schon als Kleinkind mit der Grimasse von Walter Ulbricht oder Hermann Axen konfrontiert wird, ist man für das Leben gestählt. Da erschrickt man nicht mal mehr vor Angela Merkel, Petra Pau, Renate Künast oder Anton Hofreiter.

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Er lächelt auch noch, während er nach unschuldigen Kinderherzen greift.

Wie würde wohl die heutige Bob-der-Baumeister-Generation reagieren, wenn beispielsweise unser Jugendidol Ji?í Vrštala als Clown Ferdinand in furchteinflößendem Schwarz-Weiß aus der Bildröhre grinst? Ja, wir hatten schon unseren Lieblings-Horror-Clown, als die Amis noch nicht mal wussten, wie Halloween geschrieben wird!

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Clown Ferdinand auf Horror-Trip: „Wen erschrecken wir jetzt?“ (Fotos: Cottbus Tourist, CC by SA 3.0)

Noch ein Beispiel gefällig? Vergleichen Sie mal Dr. Best aus der Westwerbung mit unserem Ost-Weihnachtsmann. Man könnte glauben, dass wir eingeschüchtert werden und als gebrochene Individuen unser Dasein als ewige Ja-Sager fristen sollten.

Kann sein, dass sich im Angesicht dieser Maske tatsächlich mal die eine oder andere Respekt-Flatulenz in die rundgestrickte Strumpfhose flüchtete, aber genau diese Generation stand 25 Jahre später in Leipzig auf dem Ring und hat im Märchenland aufgeräumt. Angst ist anders.

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Der allererste Horror-Clown kam schon am 8. Oktober 1958 erstmals in die Kinderzimmer der Sowjetzone. Schauen Sie sich ruhig mal genau an, womit die Seelen der Markranstädter Kinder gegen amerikanischen Kitsch immunisiert wurden. Das ist kein behinderter Teletubbie und auch nicht die Nachgeburt der Mörderpuppe Chuck, sondern das erste Sandmännchen.

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Damit sind wir aufgewachsen! Mehr noch: Wir sind nicht einmal in Ohnmacht gefallen, sondern mussten extra noch mit Schlafsand – einer analogen Form des heutigen Marihuana – betäubt werden, um in den Schlaf zu sinken.

Horror-Clowns haben uns durch die gesamte Kindheit und Jugend begleitet. Die böse Hexe, der blutrünstige Wolf, Egon Krenz … die Liste ist schier endlos. Auch der Kasper sah furchtbar aus. So schlimm, dass man dem gefräßigen Krokodil an seiner Seite fast schon den Titel „Miss Lacoste“ verliehen hätte. Okay, das kann auch daran gelegen haben, dass unsere Eltern diese Puppen meist selbst gebastelt hatten und dabei mitunter auch an die Grenzen ihrer künstlerischen Ausdruckskraft gestoßen sein mögen.

Aber wir litten weder unter ADHS noch unter irgendwelchen Angststörungen. Respekt hatten wir, ja. Aber keine Angst. Die wollen uns jetzt die Amis in enger Kooperation mit den unter Absatzproblemen ächzenden europäischen Medien machen.

Nicht weil Presse und Fernsehen das Phänomen der Horror-Clowns erwähnen, sondern weil sie es derart auswringen, dass sie den Hype darum geradezu befeuern und um Trittbrettfahrer betteln. Im Grunde genommen hat sie der gleiche Virus befallen wie die Horror-Clowns.

Von denen wird es heute Abend genug geben. Auch bei uns in Markranstädt. Aber ob es die Medien nun gut finden oder nicht: Erschrecken wird darüber niemand. Zumindest nicht hier und nicht darüber.

Eher schon über die Tatsache, dass da manche Leute Halloween feiern ohne zu wissen, wem am Hochfest Allerheiligen gedacht wird oder warum … oder dass es Allerheiligen überhaupt gibt.

Das zumindest haben die Amis geschafft und dafür muss man ihnen allen Respekt zollen: Binnen einer Generation ist es ihnen seit 1990 gelungen, auch die rechts der Elbe lebenden germanischen Stämme zu amerikanisieren und sie nach allen Regeln der Kunst um den Verstand zu versorgen.

Ganz ohne Amigida oder andere Gegenwehr gegen die Amerikanisierung des christlich-allerheiligen Abendlandes. Eindrucksvoller als mit ausgehöhlten Kürbissen kann man diese Selbsterniedrigung eines Volkes wirklich nicht symbolisieren.

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1 Kommentar

    • Peter auf 31. Oktober 2016 bei 16:12
    • Antworten

    Obwohl ich ja bisher immer alles sehr Sinnreich fand was man auf MN lesen konnte, muss ich doch wohl nun mal zur Ehrenrettung von Halloween und Kürbisen etwas beitragen.

    seit einigen Jahren tauchen mehr und mehr ausgehöhlte Kürbisse mit lustigen oder gruseligen Fratzen vor Haustüren oder Fenstern auf. Am Abend wird ein Teelicht im Kürbis angezündet, und das geschnitzte Gesicht leuchtet in der Dunkelheit so richtig schön unheimlich. Früher als Kinder haben wir das auch schon gemacht – nur haben wir große Runkelrüben ausgehöhlt und Gesichter dort hinein geschnitzt, hatten ja nichts anderes :).
    Aber mit den dicken, runden Kürbissen sieht das Ganze natürlich viel schöner aus. Mir gefallen die leuchtenden Kürbisse, schließlich stammt dieser Brauch, wie überhaupt das ganze Halloween, aus Europa.
    Schon in heidnischen Zeiten feierte man Anfang November ein Fest für die Toten, und das wurde später als Allerheiligen in die christlichen Jahresfeste aufgenommen. Und die Sitte, aus Rüben Laternen zu basteln, war vor allem in Irland beliebt. Die irischen Auswanderer nahmen sie in ihre neue Heimat Amerika mit und entdeckten dort, dass sich Kürbisse ja viel besser für diesen Zweck eignen.

    Soweit so gut. Was in letzter Zeit nun immer mehr in Mode kommt, ist, dass um Halloween so ein „Gedöns“ veranstaltet wird. In vielen Geschäften findet man Plastik-Kürbisse, Hexenhüte oder Gummimasken. Sogar Schokolade und Fruchtgummis werden in Kürbisform verkauft. Das kann man nun schön finden oder auch nicht – die Jugend hat auf jeden Fall Spaß an Halloween.
    Zumindest haben wir immer etwas für unsere kleinen Geister, die dann eben in feinstem amerikanisch „trick or treating“ rufen. Na dann Happy Halloween
    euer Peter

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