Das Foto täuscht: Es war ein entspanntes und wirklich richtig schönes, besinnliches Genusswochenende an den Ufern des Zschampert. Sozusagen ein zweiter Advent wie aus dem Bilderbuch. An jedem Tag war woanders was los und strafte die mediale Wahrnehmung einer toten Stadt Lügen. Dafür sorgte nicht zuletzt auch die sinnstiftende Bezeichnung „lebendiger Adventskalender“.
Der Startschuss fiel bereits am Freitag in der Seebenischer Weinkelterei Schauß. Dort lließ ein Plakat mit der Aufschrift „Besuch Deinen Saftladen!“ das satirische Herz höher schlagen.
Zur Erinnerung: Das traditionsreiche Unternehmen, das in diesem Jahr sein 90. Firmenjubiläum feiern konnte, ist nicht nur in Sachen Wein weit über die Region hinaus bekannt. Auch Fruchtsäfte zählen zum Portfolio und Mario Kleine ließ es sich nicht nehmen, den Besuchern schon am Eingang einen ganz besonderen Tropfen auf die Zungen zu träufeln.
Seminar im Glühweinlabor
Glühwein geht auch ohne Alkohol und im Gegensatz zu manch alkoholfreier Biersorte ist der vor allem für Kraftfahrer kreierte Schauß’sche Apfelglühwein wirklich so schmackhaft, dass sogar per Fuß angereiste Gäste für den Rest der Veranstaltung bei dieser Variation geblieben sind.
Drinnen erwartete die Besucher ein wahrhaftiger Lehrgang. Unter der Überschrift „Glühende Inspirationen“ zeigten Geschäftsführerin Heike Kleine und Senior-Chef Frank Schauß, was man aus Säften, Weinen und sorgfältig aufeinander abgestimmten Gewürzen alles zaubern kann, um romantische bis heiße Winterabende zu zelebrieren.
…und alles „made in markranstädt“
Der Raum glich bisweilen einem Labor, in dem nur Erlmeierkolben und Bunsenbrenner fehlten. Es wurde gemixt, gerührt, gekostet, gewürzt und wieder gekostet… Ein Seminar der Sinne und das kam auf ganzer Linie an. Nicht wenige der Anwesenden verließen die Weinkelterei am Ende mit mindestens drei Flaschen selbst hergestellten Glühweins.
Und der hatte es in doppeltem Sinne in sich. Nicht nur Geschmack und Oktanzahl waren beeindruckend, sondern auch die Zusammensetzung. „Alles, was in unseren Glühweinen steckt, ist made in Markranstädt“, verriet Heike Kleine.
Also nicht nur das Obst und die Früchte oder der Wein selbst, sondern auch die Gewürze. „Die holen wir in der Gewürze Markranstädt GmbH. Dort gibt es wirklich alles, was man braucht und vor allem in bester Qualität.“
Zwischen Tradition und Moderne
Gemischt wird dann zu Hause in Seebenisch nach alten, überlieferten Rezepturen. „Die müssen aber immer mal wieder verfeinert oder aktualisiert werden. Die Geschmäcker ändern sich im Laufe der Zeit.“, sagt Chef-Mixer Mario Kleine, der tatsächlich mit Notizblock, Rezeptheft, Feinwaage und Spatel agiert, wenn er einen Glühwein würzt.
Der 10. Markranstädter Weihnachtsmarkt in der Kernstadt sprengte dann am Samstag wohl alle bisherigen Rekorde.
Es war sozusagen ein „verlängerter Weihnachtsmarkt“, was sich allerdings nicht auf die Zeit bezog, sondern auf den Raum. Von der Leipziger Straße zog sich die Veranstaltung an der Schulstraße entlang bis auf den Marktplatz.
Spaß ohne Fraktionszwang
Dazwischen Lagerfeuer, Spielmöglichkeiten für Kinder, Versorgungsstände und natürlich Glühweinausschank noch und nöcher.
Angesichts des Ansturms war auch die sonst für Markranstädter Verhältnisse eher typische Grüppchenbildung gar nicht möglich und so konnten sich Unterhaltung, Spaß und Abwechslung völlig ohne Fraktionszwang entfalten.
Wie immer, fiel auch diesmal die Stromversorgung am Glühweinstand „Felicitas“ kurzzeitig aus, konnte aber bald darauf wiederhergestellt werden. Schon ganze Generationen von Elektrikern haben sich in den letzten Jahren an diesem physikalischen Phänomen die Zähne ausgebissen. Warum erwischt es immer ausgerechnet den Wagen mit dem beliebtesten Glühwein?
Es war übrigens der „Fruchtglühwein Sauerkirsch“, der da wieder so reißenden Absatz fand. Geliefert von … dreimal dürfen Sie raten … jawollja, von der Weinkelterei Schauß aus Seebenisch.
Weniger ist mehr – grade jetzt
An einem anderen Versorgungsstand fiel ab und zu mal das Licht aus, aber die Anstehenden nahmen es vor allem bei zunehmender Dunkelheit mit Humor und frötzelten: „Ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht.“
Keine erzgebirgische Volkskunst aus China, kein Fast-Food aus Omas Küche, kein Trommelfeuer neuzeitlicher „Last Christmas“-Rhythmen und keine nervenden Blinklichter aus tschechischen Straßenpuffs. Statt dessen Kulturprogramm aus der Region, Genuss für alle Sinne und ein wenig vorweihnachtliche Entschleunigung am Fuße der Stadtkirche, so muss das sein.
Künftig vielleicht noch ein kleines Mehr an gebrannten Mandeln und kandierten Äpfeln, aber man ist auf dem richtigen Weg.
Der am Freitag auf dem Lande begonnene Reigen schloss sich am Sonntag auch genau dort. Noch einmal wurden die Kulkwitzer aus ihren Häusern gerufen. Diesmal zum Seebenischer Weihnachtsmarkt. Und in Göhrenz fand mit dem Adventsgrillen ein aus privater Initiative geborenes Pyramidenfest bereits seine zweite Auflage.
In Seebenisch gab es vor dem Restaurant Göpfert bei minus 4 Grad eine reiche Auswahl an Kulinarischem, von Roster über Pilzpfanne bis hin zu Mutzbraten mit Sauerkraut und natürlich auch einheimischen Glühwein und Hopfenkaltschale. Und auch hier wurden mutige Visionen umgesetzt: Softeis mit Zimt und gebrannten Mandeln, während die Säule im Thermometer kontinuierlich weiter nach unten sank.
Als angenehm empfanden es die Ureinwohner von den Ufern der Kulkwitzer Seenplatte, dass Besucher aus der Kernstadt den Weg nach Seebenisch gefunden hatten. Auch CDU-Fraktionsschef Micha Unverricht, der am Abend zuvor noch das Kulturprogramm auf dem Markranstädter Markt moderierte, hat es sich nicht nehmen lassen, den Seebenischer Glühwein sozusagen an der Quelle zu verkosten.
Genau die richtige Stärkung vor dem drohenden 23-Punkte-Marathon am kommenden Donnerstag in der vierten Etage. Da kann er dann gegen 23 Uhr nur mitleidig lächeln, wenn die anderen, an der Wärme der heimischen Kaffeetafel verweichlichten Abgeordneten schon längst in den Seilen hängen.
Zeitgleich pulsierte in der Göhrenzer Lindenallee das vorweihnachtliche Leben. Am Fuße einer Pyramide entwickelte sich zum zweiten Mal schon ein von Einwohnern selbst organisiertes Adventsfest. Das könnte eine gute Tradition werden und vor allem zeigt es, dass auch in neu errichteten Wohngebieten gute Nachbarschaft und soziales Miteinander möglich sind.
Was in anderen Känguruh-Siedlungen des Markranstädter Landes undenkbar erscheint, hat hier einfach begonnen und funktioniert ganz offensichtlich. Einen Bratrost und etwas Glühwein, mehr braucht man eigentlich nicht dazu. In Göhrenz gab es da allerdings diesmal schon weit mehr.
So beispielsweise einen kleinen Stand, an dem Schnitzkunst angeboten wurde. Handwerklich eindrucksvoll gefertigte Figuren und Schwibbögen, in Handarbeit geschnitzt und mit erzgebirgischen Motiven. Sie sind – man höre und staune – allesamt „made in Göhrenz“! Von wegen, in unserer Gegend können sie mit dem Messer bestenfalls Kartoffeln schälen oder sich in die Finger schneiden.
Ja, dann war er schon wieder Geschichte, der 2. Advent 2016. In 19 Tagen ist Weihnachten. Bis dahin können die Socken auf der Heizung aufgewärmt und der Staubzucker der Kräppelchen aus dem Schal gebürstet werden. Es war einfach angenehm, schön und besinnlich. Und außerdem wirklich unterhaltsam.
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