DAS BOOT
Eigentlich hatte bei den MN niemand Lust, sich die 25. Runde in der vierten Etage anzutun. Das Polit-Latein da oben ist eh nicht mehr verständlich. Aber dann kam der Einsatzbefehl des MN-Propagandaministers. „Fliegender Holländer gesichtet – U 2016 treibt führerlos im Ozean!“ Heißt übersetzt: Da muss jemand hin!
Nachdem der Käptitänleutnant seit einer knappen Woche nicht mehr an Bord gesichtet wurde und auch seine Stellvertreterin vom Arzt der Reederei nur eine zeitlich begrenzte Aufenthaltserlaubnis auf der Brücke erhielt, sollte unser „Leutnant Werner“ dokumentieren, wohin es das U 2016 „Lallendorf“ im Blindflug treibt. Das verspricht eine heiße Story.
Sie kennen den Klassiker „Das Boot“? Jürgen Prochnow, Heinz Hoenig, Martin Semmelrogge, Herbert Grönemeyer, Uwe Ochsenknecht und viele andere Darsteller der deutschen Kleinkunst sind damit unsterblich geworden. Das ist jetzt schon 35 Jahre her. Zeit also für ein Remake vor der maritimen Kulisse des Zschampert. Die Markranstädter Nachtschichten treten das Erbe von Lothar-Günther Buchheim an: „Das Boot reloaded: Einsatz in Lallen-Village!“
Der Anblick, der sich beim Betreten des U-Bootes im Stadthafen „4. Etage“ bot, ließ zunächst staunen. Während in jedem anständigen Kriegs- und Piratenfilm eingehend gewarnt wird, dass eine Frau an Bord Unglück bringt, präsentierte sich die komplette Brücke des U 2016 „Markranstädt“ ausnahmslos weiblich. Lallendorf rock(t) – sozusagen.
Strumpfhosen statt Stahlhelme
Von links nach rechts saßen am Kartentisch in der Offiziersmesse: Ursula Wagner (Leutnant Z&O; Zucht und Ordnung), Beate Lehmann (Kaleun; Steuerfrau), Grit Schaper (Zahlmeisterin, Kielholen), Beate Mack (2. Wachoffizierin, Bootszimmermännin) und Heike Helbig (Navigation, Funkerin). Mit Silke Kohles-Kleinschmidt war einer weiteren Dame eine wichtige Nebenrolle an der Seite des Kriegsberichterstatters der LVZ vergeben und zum ebenfalls weiblichen Smutje kommen wir noch.
Punkt 18:30 Uhr erschütterte ein unmissverständlicher Befehl der Kaleunin die Bordwände. „Alle Mann unter Deck! Fertigmachen zum Tauchen!“ Man glaubte förmlich spüren zu können, wie das Schiff nach den geflüsterten Worten: „Vorn sieben, hinten fünf.“ gefühlvoll unter die Wogen des Ozeans glitt. Wenig später machte die Meldung „Sehrohrtiefe erreicht!“ die Runde. Die 25. Feindfahrt des Bootes der Markranstädter Gebirgsmarine hat soeben begonnen.
Blick durch das Periskop
Dass es nicht einfach ist, sich dem Matriarchat bedingungslos zu unterwerfen, bekam ein Bootsmaat von Steuerbord gleich zu Beginn zu spüren. Frank Meißner tummelte sich unmittelbar vor Verlassen des Hafens noch entspannt auf dem Geschützturm, als ihn die verbale Knute der Kaleunin traf, die ihn vorschriftsmäßig aufforderte, sich unverzüglich in seine Koje unter Deck zu begeben.
Kaum zwei Meter unter Wasser, bedienten sich Mike Schärschmidt (Heizung, Dusche, Abtritt) und Mike Hienzsch (Deckaufbauten, Reling, Bordwand) am Obstvorrat der Mannschaft. Etwas früh, um die Hungerattacke auf Vitaminmangel und Angst vor Skorbut begründen zu können. Aber bei weiblich geführter Vorherrschaft am Ruder darf man schon mal auf etwas feminines Mitgefühl hoffen.
Schiffsköchin Birgit Riedel (die sechste Amazone im Bunde) duldete jedenfalls die Plünderung ihrer Tupperdosen, die mit homöopathischen Scheibchen aus Mandarine, Birne und Apfel gefüllt waren. Immerhin stand nicht mehr und nicht weniger als die Moral der Fraktion auf dem Spiel und der tropfende Speichel der gegenüber sitzenden Opposition bestätigte die mütterliche Strategie der Ruderführerin.
Kommen wir nun zum Geschehen unter Deck und widmen uns diesem im Vokabular der uns vertrauten Binnenlandsprache.
Insgesamt standen 23 Punkte auf der Tagesordnung und die wurden in nur knapp etwas mehr als zwei Stunden abgehandelt. Effektiv nennt man das. In der Bürgerfragestunde glimmte dann dennoch wieder etwas U-Boot-Atmosphäre auf, als es um den Raum für Leibesertüchtigung ging, in den früher immer mal wieder Wasser eindrang. Weitere Fragen behandelten das Thema der Barrierefreiheit am Westufer und hier insbesondere die dortige Toilettenlandschaft. Dazu gab es aber einen eigenen Tagesordnungspunkt.
Frank Sparschuh stellte anschließend den Jahresabschluss der MBWV vor. Insgesamt seien 3,7 Millionen Euro Umsatzerlöse realisiert worden und der Wert des Unternehmens betrage rund 50 Millionen. Der wegen seiner Fachkompetenz mit der Beaufsichtigung des städtischen Unternehmens beauftragte Schiffsarzt bestätigte diesen Eindruck vollumfänglich, so dass die Kaleunin ihre MBWV-Admiralität nur noch mit einem dreifachen „Hipp-Hipp-Hurrah“ feiern lassen konnte.
Checkliste wird abgearbeitet
Anschließend ging es um eine Reihe Flächennutzungs- und Bebauungspläne, danach um den Jahresabschluss der Stadt für das Haushaltsjahr 2013. Die Kaleunin informierte, dass Markranstädt zu den ersten Kommunen des Landkreises gehöre, die diesen erstmals nach Doppik-Vorgaben zu erstellenden Abschluss realisiert habe.
Warum die Besucherzahlen an Bord immer weiter zurückgehen und diesmal wirklich sehr überschaubar waren, mag auch an solchen Formulierungen liegen, die unter Punkt 12 zu finden waren. Würden Sie zu einer Veranstaltung gehen, wenn Sie in der Einladung die Aussage „Optionserklärung nach § 27 Abs. 22 Satz 3 UStG“ lesen würden? Oder wie unter Punkt 13 „Mittelumsetzung aus dem Budget 103 in die Budgets 500 und 701“? Vielleicht kann man mit Zirkel und Sextant herausfinden, um welche Koordinaten es sich auf der Seekarte handelt, aber solch Werkzeug zur Herstellung von Transparenz haben die Zuschauer selten in der Tasche. Schade.
Anschließend ging es um die „Schaffung von Voraussetzungen für die Beantragung von Fördermitteln“ für vier Klassenräume und vier Teiche in drei Ortschaften. Auf der Brücke schien man anfangs guter Hoffnung, alle fünf Einsatzbefehle im Paket durchwinken zu können. Doch dann hieß es plötzlich „Schraubengeräusch von Backbord! Kommt schnell näher, Kaleun!“ Der Einspruch erfolgte, weil einerseits die präzise Angabe fehlte, um welche Teiche es sich handelt, andererseits wo genau die Klassenzimmer fürs Gymnasium errichtet werden sollten. Erst als das geklärt war, gabs Zustimmung.
Unter Punkt 20 der Agenda wurde die Mannschaft darüber informiert, dass ein Besatzungsmitglied aus wichtigem Grunde im nächsten Hafen an Land geht und nicht mehr zurückkehrt. Stadtrat Hans-Jürgen Berg scheidet aus und macht seinen Platz frei für Nachrückerin Frau Dr. Schuster. Damit beläuft sich das Genderverhältnis im Gremium nur noch auf 12:10 für das Patriarchat und der Tag scheint nicht mehr fern, da die Stadtratssitzung mit dem gemeinsamen Backen eines Hefezopfs beginnt.
Das große Finale kam dann mit dem vorletzten Tagesordnungspunkt. Es ging um barrierefreies Bauen am Westufer und hierbei insbesondere … na klar … um behindertengerechte Toiletten. Darüber wird ja nun schon seit Jahren diskutiert, ohne nur einen Schritt weitergekommen zu sein. Bei CDU/BfM und SPD war das Maß der Geduld nun überschritten, während die LINKE auch das gesetzlich geforderte Engagement dort ansässiger Gastronomen bemühen wollte und Dr. Eddy Donat (FWM) das Ganze nun doch zu schnell ging.
Bis 23. Dezember seien die Fördermittel zu beantragen und den Unterlagen sowohl eine Planung als auch ein Angebot eines ausführenden Unternehmens beizufügen. Das klingt in der Tat nach einem Schnellschuss. Andererseits kann ein solcher auch dann ganz schnell mal in die Hose gehen, wenn man ihn nicht abfeuert. Dann nämlich, wenn wieder nichts passiert und sich im nächsten Sommer unter Presswehen auf der vergeblichen Suche nach einem stillen Örtchen auf der Promenade ein solcher Schnellschuss im Slip entlädt.
Die Halsschlagadern von Mike Schärschmidt und Jens Schwertfeger dehnten sich im Zuge der Diskussion bereits zu ordentlichen Pipelines. Nacheinander schlugen beide quasi mit der verbalen Faust auf den Tisch und überzeugten mit dem logischen Argument, dass die Zeit des Redens, Abwägens und Planens vorbei sei. Jetzt müsse da eine Möglichkeit in der Nähe der Terrasse geschaffen werden und wer das nicht einsehen wolle, solle sich im Sommer unter den gegebenen Bedingungen mal im Rollstuhl auf der Promenade bewegen, sich dort umziehen, seine Sachen und Wertgegenstände verstauen und auch seine sonstigen Geschäfte verrichten. Da würde hinterher niemand mehr behaupten, dass man noch Zeit habe.
Und in der Tat können dem unvoreingenommenen Prozessbeobachter angesichts des bislang ergebnislos verstrichenen Zeitraums Zweifel kommen. Ein Millionenprojekt wie die Sanierung des Kaiserlichen Postamtes geht sozusagen glatt wie das Messer durch die Butter und bei einem Klo, das nun für nur 25.000 Euro errichtet werden soll, gehen drei Jahre ins Land. Irgendwas stimmt da nicht mit den Prämissen. Es schreit geradezu nach anderen Gründen als denen einer Standortsuche oder ähnlichen Vorwänden.
Letztendlich folgten die Abgeordneten dem Ansinnen mit einer Enthaltung und so werden nun in den nächsten zehn Werktagen eine Planung erstellt, eine Firma gebunden und die Fördermittel beantragt. Ob es die dann auch gibt, entscheidet der Landkreis und insofern ist trotzdem noch nicht klar, ob da anno 2017 auch wirklich eine entsprechende Bedürfnisanstalt am Westufer steht.
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