Vom Traumschiff zur Galeere: Deck schrubben auf der „Sportstadt“

Die selbsternannte „Sportstadt am See“ muss sich vor allem in den ballspielenden Sportarten für die kommende Saison irgendwie neu erfinden. Gut gegen Erscheinungen wie ein Sommerloch, denn bekanntlich bilden sich die längsten Schlangen vor der Geheimniskrämerei und das verheißt vor allem in Bezug auf die Freimaurer am Bad jede Menge Gesprächsstoff.

Von den einstigen Bundesliga-Prädikaten der Kegler, Schachspielerinnen oder Handballerinnen sind mit Stand Juni 2017 lediglich noch ein paar Wimpel mit Erinnerungsfaktor geblieben.

Nun gehen auch die SSV-Fußballer daran, ihr Rettungsboot bezugsfertig zu machen. In der Kombüse der „Sportstadt am See“ köchelt die Rübensuppe auf Sparflamme und vom Kiel bis zur Brücke grassiert die Skorbut.

Das Flaggschiff des SSV Markranstädt ist nach dem Oberliga-Abstieg leck geschlagen. Der Zahlmeister habe, so wird in den Lallendorfer Hafenkneipen gemunkelt, die weiße Flagge gehisst. Kein Geld mehr da für kommende Heuer, sogar der Pfand für die geflügelten Getränkedosen ist aufgebraucht. Also sind die Matrosen aus freien Stücken über die Planke gegangen.

Nun muss wohl die Ersatzmannschaft an Deck. Die ist bislang allerdings nur auf Leipziger Binnengewässern gesegelt. Da der neue Chef auf der Brücke jedoch ein Patent für den sächsischen Ozean hat und keine Lust verspürt, mit einem Holzfloß auf dem Zschampert rumzuschippern, muss die bisherige „Zwote“ in der kommenden Saison wohl hinaus aufs offene Meer der Sachsenliga.

Zweifellos ein wahrhaftiges Abenteuer. Zuletzt haben sowas die Japaner vor 76 Jahren versucht, allerdings mit Flugzeugen statt Schiffen. Bleibt zu hoffen, dass das Stadion am Bad am Ende der Saison nicht in „Pearl-Harbor-Arena“ umbenannt werden muss. Viel Glück!

Kratzen auf dem Schatullenboden

Das mit der fehlenden Heuer und überhaupt mit der finanziellen Ausstattung der Reederei, riecht dennoch wie ranziger Tran auf einem gestrandeten Walfänger. In der zurückliegenden Saison gabs immerhin einen ordentlichen Batzen Dukaten von der RB-Flotte des Herrn Mateschitz. Die hatte das Stadion am Bad alle 14 Tage für die Ausbildung ihrer Hilfsmatrosen gechartert und damit für ausreichend Proviant in der SSV-Kombüse gesorgt.

Das ist bekanntlich auch Geschichte, doch im Logbuch des SSV tauchte bald darauf ein weiterer Kandidat als finanzieller Hoffnungsschimmer auf. Inter Leipzig hatte sich sozusagen um die Nachfolge von RB II im Stadion am Bad beworben. Seit letzter Woche ist klar, dass daraus nichts wird und Inter ab nächster Saison im Torgauer Hafenstadion spielt. Aber wie kam das?

Auch hier ist der Markranstädter Sportinteressent dazu verdammt, zwischen den Zeilen zu lesen oder sich in den Logbüchern anderer Vereine zu informieren. So wird Inter-Pressesprecher Norman Landgraf von der MORGENPOST zitiert, dass die finanziellen Forderungen des SSV Markranstädt für seinen Verein nicht machbar gewesen wären.

Forderungen des SSV? Würde es sich nicht um Markranstädt handeln, könnte man das als unglückliche Formulierung oder Druckfehler durchgehen lassen. Aber weil es gerade eben um Markranstädt geht, ist man eher geneigt, diese Aussage für bare Münze zu nehmen.

Zu wenig Enterhaken an Bord?

Ja, es könnte durchaus zutreffen, dass hier der Reeder (sprich: Eigentümer, also die Stadt) wieder mal außen vor stand (oder zu stehen schien) und statt seiner der Mieter entschieden hat, an wen respektive für wieviel er den fliegenden Friesen verchartert oder eben nicht.

Wir erinnern uns: Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Stadt behauptete, über eine ganze Saison lang nichts von der Weitervermietung ihres Eigentums an RB Leipzig mitbekommen zu haben.

Da sich selbst die Stadträte überrascht zeigten, müsste dies bedeuten, dass diese Vorgänge nicht einmal bis in die Geschäftsstelle des SSV drangen. Da wunderts kaum, dass das unglaubliche Treiben vom Markranstädter Volksmund vorwiegend einer besonderen medizinischen Betreuung des Vereins zugeschrieben wird.

Ankerkette gerissen

In anderen Städten wäre eine solch pikante Note binnen Minuten zur Dauerschlagzeile mit Brückenfunktion über gleich drei Sommerlöcher gereift. In Markranstädt bliebs bei einer Randnotiz unter vielen. Aussitzen – die neue Kernsportart in Lallendorf. Wie dem auch sei: Das Flaggschiff des SSV nimmt Kurs auf die neue Saison und kreuzt dabei nur in küstennahen Gewässern.

Ob es sich um den Spielstand handelt oder die Zuschauerzahl, war in den letzten Wochen nicht mehr von Bedeutung. In der kommenden Saison gehts in Sichtweite der Steilküste auf Wasserflöhe.

Bei den Handballern des SC Markranstädt lief die Ertüchtigung der Mannschaftskogge auf dem Trockendock wesentlich transparenter ab. Sogar eine öffentliche Podiumsdiskussion gab es da, in deren Rahmen auch die Meinungen der Fans gefragt waren.

Bei so viel scheinbarer Offenheit wurden Gerüchten und negativen Mutmaßungen von vornherein der Wind aus den Segeln genommen. Zwar gibt es noch genügend Stromschnellen, aber zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung bewegt man sich auf ruhiges Fahrwasser zu. Der Sommer kann kommen.

Das gilt allerdings nicht für ganz Markranstädt. Unmittelbar neben dem Stadion gibt es noch ein paar Problemchen hinsichtlich körperlicher Betätigung im Freizeitbereich. Das Bad ist, wie man im seemännischen Sprachgebrauch sagen würde, zeitweilig manövrierunfähig.

Es fehlt an einem Schwimmmeister, weshalb die alte Diva am 26. Juni, 27. Juni und 3. Juli auf dem Trockendock bleibt. Will heißen: Stadtbad geschlossen, weil keine Fachkräfte da sind.

Geöffnet ist das Bad vom 28. Juni bis 2. Juli sowie vom 5. Juli bis 9. Juli jeweils von 12.00 bis 20.00 Uhr und vom 10. Juli bis 14. Juli von 10.00 Uhr bis 20.00 Uhr. Ab 15. Juli sollen dann wieder die regulären Öffnungszeiten von Montag bis Freitag von 9.00 bis 20.00 Uhr und Wochenenden von 10.00 bis 20.00 Uhr gelten.

Bliebe dann noch die Alternative aus ganz frühen Tagen. Ohne Schwimmmeister, Badesachen und Videoanalyse ging das auch.

Immerhin bleibt den nach Erfrischung lechzenden Wassernixen und -nixinnen noch der Weg zum Kulki. Dessen Ruf hinsichtlich Sicherheit und Wohlfühl-Ambiente hat zwar in letzter Zeit drastisch gelitten, aber sollte einem irgendwas widerfahren, ist dort zumindest die Wahrscheinlichkeit groß, dass man hinterher via Youtube und anderen Quellen an entsprechende Beweise kommt.

Die von technikaffinen Fachkräften betriebene Videoüberwachung funktioniert dort nicht nur rund um die Uhr, sondern auch flächendeckend.

Bürgerbewegung ist auch Sport

Nachdem das Ostufer auf Grund der jüngsten Vorfälle nun von Polizei und Ordnungskräften intensiver überwacht wird, machen sich die Kamerateams samt Marketenderinnen mit Grill und Würstchen nun auf den Weg auf unsere Seite, wo es noch wahre Freiheit und keinerlei Foto- oder Videozensur gibt.

Dieses Gefühl der Sicherheit wird zur anstehenden Bundestagswahl ganz bestimmt auch noch jede Menge schwankende oder potenzielle Nichtwähler zum Gang an die Urnen motivieren. Auch das ist schließlich Bewegung und Bewegung ist Sport. Um die Zukunft der Sportstadt muss uns deshalb nicht bange sein. Breitensport ist Bürgerbewegung und die kommt so langsam in Gang.

 

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