Ab jetzt vierteljährlich: Wort für(s) Wort

Der Schein trügt. Nicht erst seit es TheoLeaks mit dem Kirchentest der Stiftung Warentest oder dem Bibel-Bingo in die Tabellenspitze deutscher Satire-Blogs geschafft hat, wird in der Kirchen ehrwürdiger Nacht öfter mal schräg gedacht. Im Grunde genommen sind Pfarrer immer schon Satiriker. Nur eben seriös. Sie bedienen sich der gleichen Stilmittel, indem sie das Zeitgeschehen aus einer anderen Perspektive betrachten, sie mit einer 2000 Jahre alten Geschichte verknüpfen und ihren Zuhörern damit plötzliche Aha-Erlebnisse vor Augen führen. Und es verhält sich mit den Pfarrern genauso wie mit Satirikern: Es gibt gute und weniger gute.

Bei manchen würde man sich tatsächlich wünschen, dass sie lieber im stillen Gebet verharren. Aber in Markranstädt haben wir das Glück, einen sehr Guten zu haben. Viele sagen sogar, den Besten.

Selbst die überzeugtesten Heiden im Nachtschichten-Team (da gibt es welche, die sogar noch Odin anbeten), sagen frei heraus: „Beim Zemmrich, da kannste in die Kirche gehen. Da kammer immer was mitnehmen.“

Womit nicht Messwein gemeint ist oder ein Griff in den Opferstock, sondern ideelle Güter. Andere Ideen, neue Sichtweisen oder mitunter auch nur die Bestärkung der eigenen Einstellung – das sind die Erträge, die man da mit nach Hause nehmen kann.

Es ist natürlich nicht immer ganz einfach, das zu verstehen. Man muss gut zuhören und dabei die eigenen grauen Zellen anstrengen können. Und das gleich mal drei Minuten am Stück, ohne Werbepause und ohne die für Konzentration unabdingbare Chips-Tüte auf dem Schoß.

Ohne Werbepause

Auch werden viele Zeitgenossen davon abgeschreckt, dass man sich auf der Kirchenbank nicht der Länge nach hinfläzen oder wenigstens die Beine hochlegen kann. Und last but not least: Man kann den Mann auf der Kanzel auch nicht einfach per Fernbedienung wegzappen, wenn einem nicht passt, was er sagt.

Weil das Konsumverhalten so ist wie es ist, werden deshalb auch andere Kanäle der Informationsverbreitung genutzt. Die hiesige Kirchgemeinde, nennen wir sie der Bequemlichkeit halber ruhig weiter Malarüdö, hat sogar ihren eigenen Youtube-Kanal. Und was die aktuellen Botschaften angeht, gibt’s mit dem ebenso liebevoll wie professionell gemachten „Kirchenfenster“ alle drei Monate ein aktuelles Presseerzeugnis.

Sie merken schon, liebe Leser, wir nähern uns allmählich dem Punkt. In genau diesem „Kirchenfenster“ findet sich gleich auf der ersten Seite regelmäßig ein vom Pfarrer verfasster Prolog. Eine Art kurze Quartalspredigt sozusagen.

Nein, das ist keine Satire, was uns da angeboten wird. Aber es gab in den letzten Jahren auch keine einzige Ausgabe, in der uns nicht wenigstens drei dieser „Aha-Effekte“ überkamen, die uns zudem oft auch diebisch schmunzeln ließen. Vor allem, wenn Pfarrer Zemmrich über die „Römer“ zu schreiben kommt, lohnt es sich, die Lesebrille auf Hochglanz zu polieren.

Kein Scherz: Die jeweils aktuelle Seite aus dem Kirchenfenster ziert traditionell die Pinnwand im Nachtschichten-Keller. Zur Inspiration, Motivation und als mahnendes Beispiel dafür, dass man zur Erzeugung erhellend lächelnder Gesichter nicht immer in die unterste Schublade mit dem Brachial-Humor greifen muss.

Leider hat Pfarrer Zemmrich keine Zeit, seine nachgewiesenen Kompetenzen auch noch bei den weltlichen Heiden der Markranstädter Nachtschichten einzubringen.

Umso erfreuter sind wir, dass er uns sozusagen seinen Segen dafür erteilte, seine einstimmenden Worte aus dem Kirchenfenster hier bei uns veröffentlichen zu dürfen und diese somit auch einem atheistisch geprägten Leserkreis zugänglich zu machen.

Im Prinzip bewegen wir uns damit in den Fußstapfen von Franziska Giffey, Karl Theodor zu Guttenberg oder Annette Schavan (die heute übrigens als Botschafterin im Vatikan arbeitet). Deshalb teilen wir Ihnen das schon vorher mit und nennen auch explizit die Quelle, von wem wir die erhellenden Weisheiten kopiert haben. Damit sind die Plagiate legalisiert.

Freuen wir uns also gemeinsam auf die vierteljährlichen Anlässe, unsere eingefahrenen Blickwinkel und Perspektiven mal zu verlassen und die aktuelle Lage aus anderen Richtungen zu beurteilen. Im Gegensatz zu den Auslassungen der hochbezahlten Informationspäpste unserer Leidmedien werden Ihnen dabei keine Antworten vorgegeben, sondern es steht Ihnen frei, diese selbst zu finden.

Wer ein Problem damit hat, kann ja das Wort GOTT im Geiste erst mal durch wissenschaftliche Bezeichnungen wie Evolution, Vernunft oder sowas in der Art ersetzen. Alle, die ahnen, dass diese Welt nicht alles ist, könnten es auch versuchen mit: Wirklichkeit außerhalb von Raum und Zeit. Sie werden möglicherweise schnell feststellen, dass diese kleine Verbalie keine Auswirkungen auf die von Ihnen gefundenen Antworten haben wird.

Die kleine Mühe, sich mit diesen Zeilen auseinanderzusetzen, kann Ihnen allerdings niemand abnehmen. Wer selbst urteilen will, muss auch selbst nachdenken, das ist nun mal so. Sie können das ja am Sonnabend schon mal üben, wenn hier das erste (wir wollen es künftig so nennen) „Wort für(s) Wort“ aus dem aktuellen Kirchenfenster erscheint.

Spätestens dann werden Sie auch eine Ahnung davon bekommen, warum wir Ihnen mit dieser Ankündigung trotz des gesellschaftlichen Nährwertes auch viel Spaß bei der Lektüre wünschen.

 

4 Kommentare

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    • Die Dankbare auf 2. Dezember 2020 bei 21:36
    • Antworten

    Wir Markranster sind reichlich beschenkt mit überaus klugen und wertvollen Menschen. Was hatte ich für ein Glück, dass ich den Abend nicht mit der Mitteilung des Landkreises über die neuen Ausgangsbeschränkungen beenden musste, sondern mit dieser Lektüre wieder zu einem Lächeln gefunden habe. Eigentlich sollte das Abo der MN bei den Krankenkassen Bonuspunkte einbringen, Ihr spart teure Therapiestunden auf dem roten Sofa.
    Ihr seid spitze und unser Pfarrer ist sowieso grandios!

    1. Unser Antrag wurde von der AOK mit kühnem Schwung in den Papierkorb geschmettert. Die Leute sollen sich gefälligst Sorgen machen und nicht lachen. Wir sollen das als IGEL-Leistungen anbieten, sagen die Krankenkassenwarte.Zum Glück aber haben die ansässigen Unternehmen (rechte Seitenleiste) ein Herz für diese Therapieform und unterstützen uns. Und damit auch unsere Leser. Darauf ein dreifaches GESUNDHEIT!

    • Bert S. auf 2. Dezember 2020 bei 12:16
    • Antworten

    … setzt sich Gott in Markranstädt neben Pfarrer Zemmrich entspannt auf die Kirchenbank und liest das „Kirchenfenster“.
    Fragt Zemmrich nach einer Weile: „Was tust Du hier?“
    Sagt Gott: „Homeoffice, Zemmi, Homeoffice“

    1. Sie scheinen schon ziemlich lange im Homeoffice zu sitzen?

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