Aprilscherz in Lindennaundorf? Breitbandkabel zum Angucken

Diesmal brauchten wir nach einem lustigen (???) Aspekt für den Start in die Woche gar nicht erst zu suchen. Er ist uns praktisch vor die Füße gefallen. In Lindennaundorf spielt sich gerade eine Provinzposse vom Feinsten ab, die sogar die Schranke toppt. Lustig ist das allerdings nur für Außenstehende. Für die Anwohner ist der Schildbürgerstreich ein Schlag ins Gesicht und Ortsvorsteher Jens Schwertfeger zeigt vor Zorn und Unverständnis schon Corona-Symptome. Jetzt kniet er sich für seine Einwohner rein.

Zur Ausgangslage: In Tagen wie diesen ist Home-Office gefragt und dazu braucht man in der Regel eine ordentliche Leitung ins WorldWideWeb. Die gibt’s in Lindennaundorf so nicht. Aber zumindest die Hoffnung darauf wurde bislang am Leben erhalten.

Immer neue Versprechungen, immer neue Fristen. Sogar Verträge wurden bereits abgeschlossen, die seither immer wieder mit 3-Monatsfrist verschoben werden. „Für die Internetversorgung des alten Dorfes Frankenheim und für Priesteblich interessiert sich keines der am Markt tätigen Unternehmen“, hat Ortsvorsteher Jens Schwertfeger feststellen müssen.

Doch als die Anrainer in Höhe der Lindennaundorfer Windmühle in der vergangenen Woche aus den Fenstern ihrer Heim-Büros blickten, wurden sie Zeugen eines überraschenden Vorgangs. Quer durch den Ort wird Breitbandkabel verlegt.

Schildbürgerstreich

Endlich! Große Vorfreude an der Priesteblicher Straße und nur wenige dachten zurück an die letzte Verarsche, als schon einmal ein Kabel verlegt wurde, das allerdings bereits am Gewerbegebiet Frankenheim endete.

Durch die hier verlegte Leitung fließt künftig das Internet an Neu-Schilda (ehemals Lindennaundorf) vorbei.

Das wird diesmal anders, frohlockten die Anlieger noch während sie dabei zuschauten, wie das Kabel vor ihren Grundstücken vorbei gelegt wurde.

Manch einer dachte vielleicht schon vorfreudig daran, dass die langweiligen Stellungen „Buffering“ oder „…lädt“ in den Online-Pornovideos bald der Vergangenheit angehören. Aber dann kam es doch ganz anders.

Jens Schwertfeger hat die Skepsis überwältigt, weil er als Stadtrat und Ortsvorsteher nicht ansatzweise über das bevorstehende Ereignis informiert war.

Von Neugier getrieben, hat er bei den Bauarbeitern einfach mal nachgefragt und erfuhr: April, April! Das Breitbandkabel werde volley bis Miltitz verlegt und sei explizit für das systemrelevante Chemiewerk vorgesehen!

Jetzt könnten sich die Lindennaundorfer mal ganz krisenmäßig in Demut üben und glücklich darüber sein, dass sie aus ihren Wohnzimmerfenstern wenigstens mal kurz sehen konnten, wie so ein Breitbandkabel aussieht, bevor es in der Erde verschwindet. Aber irgendwie sind die Anrainer mit diesem visuellen Anreiz nicht zufriedenzustellen. Und Schwertfeger gleich gar nicht. Der macht jetzt mobil!

In meinen Augen ist das ein Skandal“, wettert der Ortsvorsteher. Seitens der Stadtverwaltung Markranstädt und auch der Ortschaftsräte Frankenheim und Großlehna (aus dessen Gewerbegebiet sollte das Internetsignal via Richtfunk den Weg nach Frankenheim finden), seien alle notwendigen Voraussetzungen geschaffen und alle Beschlüsse auf den Weg gebracht worden, sagt Schwertfeger. „Der Weg ist geebnet, doch nichts geht voran. Und jetzt das!“

So mancher Passant dachte erst, dass der Straßenausbau schon losgeht. Kleeblattkreuzung und so. Aber nun ist klar: Es wird eine Datenautobahn.

Schwertfeger konstatiert: „Die envia TEL verlegt das zweite Breitbandkabel in und durch unseren Ort, dabei scheint sich dieses große Unternehmen nicht für die ‚Ottonormalverbraucher‘ zu interessieren. Ziel des Unternehmens ist die Versorgung von Gewerbekunden mit hohen Up- und Downloadraten und hohen monatlichen Einnahmen. Und dabei ist die enviaM der Hauptkonzessionär in Sachen Energieversorgung in der Stadt Markranstädt. Alle Gasleitungen, alle Elektroleitungen in den Straßen Markranstädts zur Versorgung unserer Einwohner werden durch enviaM und die Gesellschaft Mitnetz betrieben, ja sogar die Straßenbeleuchtung wird über dieses Unternehmen, natürlich kostenpflichtig, betreut und gewartet.“

Am Ort und Bedarf vorbei

Mit dem aktuellen Breitbandkabel erfolge auch die Errichtung der Infrastruktur am realen Bedarf des Ortes vorbei, schimpft der Ortsvorsteher. Die öffentliche Hand müsse zwingend ihre öffentlichen Straßen und Gehwege zur Verlegung von Ver- und Entsorgungsleitungen zur Verfügung stellen und habe nichts davon. Schwertfeger fragt sich nicht nur nach dem Sinn dieser Regelung, sondern hat auch weitere Fragen, denen er jetzt nachgehen will.

„Es stellt sich beispielsweise die Frage, inwieweit unsere öffentliche Verwaltung dieses Prinzip verinnerlicht hat? Wurde das neue Leitungsrecht gewährt, ohne den ursprünglichen Sinn der Regelung zu berücksichtigen? Darf der öffentliche Grund als Leitungstrasse dienen, nur um ein einziges Unternehmen im Leipziger Miltitz anzuschließen und alle anderen Bedürftigen, ja der Bedarf ist unstrittig gegeben, außen vor zu lassen? Ich denke, NEIN.“

Vor ein paar Wochen noch konnte Jens Schwerfeger (links) beim Kulkwitzer Karneval über das Thema mitlachen. 

Schwertfeger will nun klären, welche Abstimmungen im Vorfeld mit envia Tel erfolgten und wie der bisher aufgetretene Netzbetreiber INEXIO gefordert werde, um endlich die Versorgung sicherzustellen. Und dann will er auch der Frage auf den Grund gehen: „Wann endlich wird die ‚Chefsache Internetversorgung‘ unseres Bürgermeisters zur Chefsache?“

Wenn die Weissagungen des Leipziger Oberbürgermeisters zutreffen, könnten die Lindennaundorfer und Frankenheimer aber bald locker über die Situation lächeln. Sollte es tatsächlich zu den orakelten Stromausfällen kommen, sind sie mit ihren Schreibmaschinen im Home-Office bestens aufgestellt, um der Energiekrise wirkungsvoll zu begegnen.

Analog hat Zukunft

Bis es aber so weit ist, können die Betroffenen dort nicht darüber lachen. Und eigentlich auch sonst niemand so richtig. Spätestens wenn dann die Lindennaundorfer wirklich mal dran sind mit Breitbandkabel und erneut Bauarbeiten stattfinden, um die dritte oder vierte Kabel-Etage übereinander zu verlegen, sind die Argumente von Ressourcenschonung und anderen Lippenbekenntnissen ad absurdum geführt.

Bis dahin kann man sich aber die Zeit damit vertreiben, Tageslicht in Säcke zu verpacken und in die Kirche zu tragen, um wenigstens dort ein Licht der Hoffnung zu entfachen. Hat ja schon mal geklappt – damals, in Schilda.

 

3 Kommentare

    • ein Frankenheimer auf 31. März 2020 bei 17:05
    • Antworten

    Ein weiteres Beispiel dafür, daß unser Bürgermeister schon im Wahlkampfmodus ist – Wahlkampf zur Abwahl….

    • Tilo Lehmann auf 31. März 2020 bei 16:33
    • Antworten

    Diese Posse taugt wahrlich nicht zum BM-Wahlkampf, diese Ignoranz vergessen die Bürger nicht! Schnelles Internet= langsames sterben im Wettlauf der Zeit in Frankenheim + Lindennaundorf ist die Wahrnehmung. Bewusstes Nichtinformieren mindestens des Ortsvorstehers als Bürgervertreter- das geht nach Hinten los. Das bringt Antistimmung der Bürger mitten in Corona-Ängsten. Sowas braucht Niemand gerade jetzt.

    • Kehlkopf auf 31. März 2020 bei 8:09
    • Antworten

    Das kann mann nur singend ertragen, am besten mit Unterstützung der Fischerchöre. Schöne Grüße vom alten Holzmichel:“Lebt denn bei uns der Bürgermeister noch?…“

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